Leitsatz (amtlich)
Eine vom FG nach Art. 1 Nr. 3 BFH-EntlastG i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Beschwerde gegen einen nach § 69 Abs. 3 FGO ergangenen Beschluß ist nicht deshalb unzulässig, weil sich die grundsätzliche Bedeutung auf die materielle Rechtsfrage bezieht, derentwegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts geltend gemacht werden.
Normenkette
BFH-EntlastG Art. 1 Nr. 3; FGO § 69 Abs. 3, § 115 Abs. 2, § 128 Abs. 1
Tatbestand
A.
I. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluß vom 16. Juni 1978 VI R 148/77 (BFHE 125, 339, BStBl II 1978, 527) in einem Fall, in dem das beklagte Finanzamt (FA) Revision eingelegt hatte, nach § 11 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Großen Senat des BFH folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Hat der BFH, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, aber nur das beklagte FA im Revisionsverfahren die Erledigung erklärt, unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) die Klage mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen mit der Folge, daß die Kosten des gesamten Verfahrens nach § 135 Abs. 1 FGO dem Kläger aufzuerlegen sind, oder hat er die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Urteil festzustellen und über die Kosten gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen zu entscheiden?
II. Der Revision, über die der VI. Senat zu entscheiden hat, liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragte beim Beklagten und Revisionskläger (FA), einen sich bei erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 für ein im Bau befindliches Haus ergebenden Betrag negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor Bezugsfertigkeit des Hauses als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 1977 einzutragen. Das FA lehnte dies ab.
Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt. Außerdem ordnete es im Verfahren über die einstweilige Anordnung die vorläufige Eintragung des Freibetrags an. Dem folgte das FA.
Gegen das finanzgerichtliche Urteil legte das FA Revision ein. Nachdem der Kläger während des Revisionsverfahrens das Haus am 1. Juli 1977 bezogen hatte, erklärte das FA den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Der Kläger stellte "zur Sache selbst ... keine weiteren Anträge".
III. Der VI. Senat begründet seine Vorlage wie folgt:
1. Der Senat sehe in der Erklärung des Klägers, keine "weiteren Anträge" zu stellen, keine Erledigungserklärung, sondern nur einen Hinweis, daß dieser seine bisherigen Sachanträge aufrechterhalte. Er beabsichtige, das Klageverfahren als in der Hauptsache für erledigt, das Rechtsschutzinteresse des Klägers deshalb als weggefallen und dessen Klage damit als unzulässig anzusehen sowie über die Kosten nach § 135 Abs. 1 FGO zu entscheiden.
In dem Vorlagebeschluß vom 14. April 1978 VI R 88/75 (BFHE 125, 331, BStBl II 1978, 545) - Verfahren vor dem Großen Senat GrS 4/78 - habe er, der VI. Senat, ausgeführt, daß bei einer einseitigen Erledigungserklärung des beklagten FA im erstinstanzlichen Verfahren die Klage als unzulässig abzuweisen und die Kosten nach § 135 Abs. 1 FGO dem Kläger aufzuerlegen seien. Dies gelte ebenso, wenn die einseitige Erledigungserklärung des FA erst im Revisionsverfahren erfolge. Die Stellung des Klägers, der Gegenstand des Revisionsverfahrens und der Nachprüfung im Revisionsverfahren seien dieselben wie im erstinstanzlichen Verfahren (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., ZPO § 146 II, 1, S. 832, und § 140 III, 1, S. 791). Das Revisionsgericht dürfe dem Kläger nichts zusprechen, was über den Klageantrag im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung hinausgehe, unabhängig davon, wer Revisionskläger sei. Solange der Kläger seinen Sachantrag aufrechterhalte, müsse das Revisionsgericht darüber entscheiden. Die einseitige Erledigungserklärung des beklagten FA im Revisionsverfahren könne das Revisionsgericht nur zur Prüfung veranlassen, ob das Rechtsschutzinteresse des Klägers an seiner Klage noch bestehe. Sei die Hauptsache tatsächlich erledigt, dann sei auf die Revision des FA die der Klage stattgebende Vorentscheidung des FG aufzuheben und die Klage mit der Kostenfolge nach § 135 Abs. 1 FGO als unzulässig abzuweisen.
2. Der VI. Senat rufe den Großen Senat nach § 11 Abs. 3 FGO an. Er sehe sich an der beabsichtigten Entscheidung gehindert durch das Urteil des IV. Senats vom 22. Januar 1976 IV R 169/71 (BFHE 118, 521, BStBl II 1976, 495). Der IV. Senat habe erklärt, daß er einer Abweichung von seinem Urteil nicht zustimme.
IV. Die Beteiligten haben sich wie folgt geäußert:
Der Kläger hält die Hauptsache für nicht erledigt. Seinem Klagebegehren sei nicht im Hauptsacheverfahren, sondern im Verfahren über die einstweilige Anordnung stattgegeben worden. Wenn die Begründetheit seines Klagebegehrens erst im Verlauf des Hauptsacheverfahrens eingetreten sei, dann dürfe er nicht mit den Kosten des Verfahrens belastet werden.
Das FA hält die Meinung des vorlegenden VI. Senats für zutreffend. Es weist jedoch darauf hin, daß es den Rechtsstreit nicht vollen Umfangs, sondern nur insoweit für erledigt erklärt habe, als es um die Eintragung des Freibetrags gegangen sei. Hinsichtlich der im finanzgerichtlichen Urteil ausgesprochenen Verpflichtung des FA zur Verzinsung sei der Antrag auf Klageabweisung aufrechterhalten worden.
Beide Beteiligten halten eine mündliche Verhandlung vor dem Großen Senat nicht für angezeigt.
Entscheidungsgründe
B.
I. Entscheidung des Großen Senats zum Verfahren.
1. Der Große Senat hat in der Besetzung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FGO geprüft (vgl. Beschluß vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213), ob wegen weiterer Abweichungen der beabsichtigten Entscheidung von anderen Entscheidungen des BFH noch andere Senate zur Entsendung eines weiteren Richters nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FGO berechtigt sein könnten, und die Frage wie folgt beantwortet.
a) Der VI. Senat würde mit der beabsichtigten Entscheidung auch abweichen von dem nicht veröffentlichten Urteil des V. Senats vom 27. April 1978 V R 144/71. In jenem Urteil hat der V. Senat bei gleichliegendem Sachverhalt die vorgelegte Rechtsfrage ebenso entschieden wie der IV. Senat.
b) Keine Divergenz liegt vor zu den BFH-Entscheidungen vom 24. April 1975 I B 66/74 - nicht veröffentlicht -, vom 29. Januar 1970 IV 162/65 (BFHE 99, 157, BStBl II 1970, 623) und vom 25. Oktober 1968 III 142/65 (BFHE 94, 302, BStBl II 1969, 167). Zwar ging es auch in diesen Entscheidungen um die Erledigung der Hauptsache im zweitinstanzlichen Verfahren bei einseitiger Erledigungserklärung des FA. Die Sachverhalte lagen jedoch insofern anders, als das erklärende FA nicht wie im Ausgangsverfahren VI R 148/77 Revisionskläger, sondern Revisionsbeklagter oder Beschwerdegegner war. Aus den unterschiedlichen Sachverhalten können sich unterschiedliche Beurteilungen ergeben, wenn die Kostenentscheidung nicht aus § 138 Abs. 1 FGO zu entnehmen ist.
2. Die Anrufung des Großen Senats ist zulässig.
a) Die vorgelegte Rechtsfrage ist für den VI. Senat entscheidungserheblich. Von ihrer Beantwortung hängt die Revisionsentscheidung ab. Ist die Klage als unzulässig mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen, so ist der Revision des FA stattzugeben und nach Aufhebung der Vorentscheidung diese Sach- und Kostenentscheidung zu treffen. Ist hingegen durch Urteil die Erledigung der Hauptsache festzustellen und über die Kosten nach § 138 Abs. 1 FGO zu befinden, so entfällt eine Entscheidung über die mit der Revision ursprünglich gestellten Anträge und ist in dem Erledigungsurteil eine Kostenentscheidung unter Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen (vgl. BFH-Urteile IV R 169/71 und IV 162/65).
Der Rechtserheblichkeit steht nicht entgegen, daß nach dem Vorbringen des beklagten FA im Verfahren vor dem Großen Senat der "Rechtsstreit nicht vollen Umfangs" für erledigt erklärt worden sein soll. Zwar kann eine teilweise Erledigung der Hauptsache nur hinsichtlich eines abtrennbaren Teils des Streitgegenstands eintreten und nur insoweit zur Beendigung des Verfahrens führen; andernfalls ist durch Endurteil zu entscheiden (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 138, Rdnr. 2 a. E.; Tipke-Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 138 FGO, Rdnr. 6 und 26). Es ist aber Sache des vorlegenden Senats, darüber zu befinden, ob eine Erledigung der Hauptsache ganz oder in einem abtrennbaren Teil oder gar nicht eingetreten ist, weil es sich dabei um eine Vorfrage zu der vorgelegten Rechtsfrage handelt. Insoweit hat der Große Senat grundsätzlich die Auffassung des vorlegenden Senats seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der Frage, wie das Verhalten oder die Erklärungen der Beteiligten nach der Erledigung der Hauptsache zu werten oder aufzufassen sind. Ob es sich z. B. um eine Erledigungserklärung, eine Zurücknahme des Rechtsbehelfs, ein Aufrechterhalten des Sachantrags oder einen Widerspruch handelt, ist eine Vorfrage zu der vorgelegten Rechtsfrage. Die Entscheidung darüber steht ebenfalls grundsätzlich dem vorlegenden Senat zu und ist vom Großen Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
b) Die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses des VI. Senats wegen einer Divergenz i. S. von § 11 Abs. 3 FGO ist nicht zweifelhaft. Der VI. Senat würde mit der von ihm beabsichtigten Entscheidung - Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung mit Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO - von dem Urteil des IV. Senats IV R 169/71 - Feststellung der Erledigung der Hauptsache durch Urteil und Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO - und ebenso vom Urteil des V. Senats V R 144/71 (vgl. oben B.I.1 a) abweichen. Bei der Beurteilung des gleichliegenden Sachverhalts hat nach der Auffassung des VI. Senats eine Revisionsentscheidung mit Sach- und Kostenentscheidung, nach der Auffassung des IV. und V. Senats ein Erledigungsurteil mit Kostenentscheidung nach einer anderen Kostenvorschrift zu ergehen.
3. Der Große Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung.
Nach Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) kann der Große Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine solche erscheint hier nicht erforderlich. Die Beteiligten haben sich zu der vorgelegten Rechtsfrage schriftlich geäußert und halten eine mündliche Verhandlung nicht für angezeigt. Es ist nicht anzunehmen, daß sich in einer mündlichen Verhandlung neue Gesichtspunkte ergeben.
II. Entscheidung des Großen Senats zur vorgelegten Rechtsfrage.
1. Der Große Senat entscheidet die vorgelegte Rechtsfrage i. S. der ersten Alternative - Aufhebung der Vorentscheidung, Klageabweisung mit Kostenfolge nach § 135 Abs. 1 FGO -.
2. Der Rechtsfrage liegt die zutreffende Annahme zugrunde, daß im Verfahren vor den FG das Klagebegehren durch ein außerprozessuales Ereignis gegenstandslos werden kann und die Einführung dieses Ereignisses in das Verfahren durch die Erklärung eines Beteiligten prozessuale Wirkungen hat. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BFH, nach der im FG-Prozeß die Hauptsache erledigt ist, wenn irgendein Ereignis, das nach Rechtshängigkeit eingetreten ist, alle in Streit befangenen Sachfragen gegenstandslos gemacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1976 I R 154/74, BFHE 119, 219, BStBl II 1976, 785). Nach dieser Rechtsprechung ist die Erledigungserklärung eines Beteiligten auch eine Prozeßhandlung (vgl. BFH-Beschluß vom 15. Februar 1968 V B 46/67, BFHE 91, 514, BStBl II 1968, 413). Die Möglichkeit der Erledigung der Hauptsache und ihrer Erklärung sind nicht nur auf das Klageverfahren beschränkt, sie bestehen auch im Revisionsverfahren.
3. Die vorgelegte Rechtsfrage stellt einen Ausschnitt aus dem Fragenkomplex dar, der sich hinsichtlich der Gerichtsentscheidung ergibt, wenn im zweitinstanzlichen Verfahren die Erledigung der Hauptsache eintritt und dies von den Beteiligten übereinstimmend oder von nur einem Beteiligten mit oder ohne Widerspruch des anderen Beteiligten oder von keinem Beteiligten erklärt wird, wobei noch unterschiedliche Stellungen der Beteiligten im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren gegeben sein können. Für die Beantwortung dieser Fragen nach der jeweiligen Fallgestaltung kommen als Möglichkeiten in Betracht: eine bloße Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO, eine auf Klageabweisung gehende Sachentscheidung mit einer Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 1 FGO oder eine auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache lautende Sachentscheidung mit einer Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 1 oder nach § 138 Abs. 1 FGO, wobei in den drei letztgenannten Fällen auch ein Ausspruch über die Vorentscheidung zu treffen wäre.
4. Für den im Ausgangsverfahren gegebenen Fall, daß nach Erledigung der Hauptsache im zweitinstanzlichen Verfahren nur das beklagte FA in seiner Stellung als Revisionskläger die Erledigung erklärt und der Kläger seinen Sachantrag aufrechterhält, wurde in der bisherigen Rechtsprechung des BFH die Auffassung vertreten, daß nicht mehr über die mit der Revision ursprünglich gestellten Sachanträge zu entscheiden, sondern durch Urteil festzustellen sei, daß die Hauptsache erledigt ist; die Kostenregelung ergebe sich dann aus § 138 Abs. 1 FGO (vgl. Urteile IV R 169/71 und V R 144/71). Dazu wurde ausgeführt, bei nur einseitiger Erledigungserklärung beschränke sich das Verfahren auf den Streit über die Erledigung der Hauptsache. Werde dies festgestellt, dann ermögliche nur § 138 Abs. 1 FGO eine den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Kostenentscheidung.
Diese Rechtsmeinung stimmt insoweit nicht überein mit den Auffassungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des Bundesgerichtshofs - BGH - (vgl. BVerwG-Urteil vom 30. Oktober 1969 VIII C 149/67, Deutsches Verwaltungsblatt 1970 S. 276, Monatsschrift für Deutsches Recht 1970 S. 261; BGH-Urteil vom 18. November 1960 IV ZR 62/60, Juristenzeitung 1961 S. 127), als danach bei nur einseitiger Erledigungserklärung des Beklagten über die Klage zu entscheiden ist.
5. Der Große Senat lehnt die in den Entscheidungen IV R 169/71 und V R 144/71 geäußerten Auffassungen ab. Er ist in Übereinstimmung mit dem VI. Senat der Meinung, daß nach Erledigung der Hauptsache in der Revisionsinstanz und einseitiger Erledigungserklärung des beklagten FA als Revisionskläger bei Aufrechterhalten des Sachantrags des Klägers durch Urteil des Revisionsgerichts die Vorentscheidung des FG aufzuheben und auf Klageabweisung mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO zu erkennen ist.
a) Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO kann der BFH unter Aufhebung der Vorentscheidung in der Sache selbst entscheiden, wenn die Revision begründet ist. Die Revision ist begründet, wenn das mit ihr angefochtene Urteil unrichtig ist oder durch eine noch im Revisionsverfahren zu beachtende neue Tatsache unrichtig wird. Dazu gehören Tatsachen, welche die vom Revisionsgericht in jeder Lage zu prüfenden Prozeßvoraussetzungen (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285) oder den Fortgang des Verfahrens betreffen. Unrichtig wird die Vorentscheidung danach, wenn - wie in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt und wie nachstehend unter b) ausgeführt - in der Revisionsinstanz das Rechtsschutzinteresse und damit eine Prozeßvoraussetzung für die Klage entfällt.
b) Daß der BFH nach Aufhebung der Vorentscheidung auf Klageabweisung und nicht auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache zu erkennen hat, beruht auf den gleichen Erwägungen, die zu dieser Sachentscheidung bei der ähnlichen Fallgestaltung im erstinstanzlichen Verfahren vor dem FG führen und die der Große Senat in dem Beschluß vom heutigen Tag GrS 4/78 unter B. II Nr. 5 a) der Gründe niedergelegt hat. Was dort über die Auswirkungen der Dispositionsmaxime auf das Schicksal des Klagebegehrens, über das Verhalten und die Erklärungen der Beteiligten und deren Wertungen durch das Gericht sowie über den Wegfall des Rechtsschutzinteresses für das Klagebegehren ausgeführt wurde, gilt entsprechend für das Revisionsverfahren. Der Gegenstand des Revisionsverfahrens und der Nachprüfung des Revisionsgerichts ist innerhalb der Revisionsanträge derselbe wie der des Klageverfahrens. Auch das Revisionsgericht darf dem Kläger nichts anderes zusprechen als das, worauf sein Klageantrag im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juli 1969 I R 81/66, BFHE 96, 510, BStBl II 1970, 15). Hält der Kläger seinen Sachantrag aufrecht, so ist darüber zu befinden und nach einer inzident festgestellten Erledigung der Hauptsache der Sachantrag abzuweisen.
Auch die einseitige Erledigungserklärung des beklagten FA als Revisionskläger gibt dem Revisionsgericht nicht die Möglichkeit, sich auf eine Feststellung der Erledigung zu beschränken. Die Erklärung des FA bewirkt ebensowenig wie im erstinstanzlichen Verfahren eine Beschränkung des Verfahrens auf einen Streit über die Erledigung. Denn das beklagte FA kann nicht über den Klageantrag und den Streitgegenstand verfügen; das kann allenfalls der Kläger mit einer einseitigen Erklärung. Die Erklärung des beklagten FA ist auch in der Revisionsinstanz nicht mehr als eine Anregung für das Revisionsgericht zur Prüfung, ob noch ein Rechtsschutzinteresse für das nach wie vor verfolgte Klagebegehren besteht.
6. Der Große Senat entscheidet die vorgelegte Rechtsfrage wie folgt:
Der BFH hat, wenn im Revisionsverfahren der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, das beklagte FA als Revisionskläger die Erledigung erklärt und der Kläger seinen Sachantrag aufrechterhält, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage als unzulässig abzuweisen und die Kosten des gesamten Verfahrens nach § 135 Abs. 1 FGO dem Kläger aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 72534 |
BStBl II 1978, 229 |
BFHE 1978, 130 |