Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflagen bei der Genehmigung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes eines gemeinnützigen Vereins
Leitsatz (amtlich)
1. Ausgaben, die durch das Unterhalten eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs veranlasst sind, sind bei dessen Gewinnermittlung abzuziehen.
2. § 10 Nr. 1 KStG betrifft nur Aufwendungen, die sich der Art nach als Einkommensverwendung darstellen. Aufwendungen, die den Charakter von Betriebsausgaben haben, sind nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen abzusetzen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Normenkette
AO 1977 §§ 14, 64-65; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 10 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck die Förderung der Traberzucht ist. Wegen Förderung der Tierzucht ist er als gemeinnützig anerkannt. Rennveranstaltungen des Klägers sind Leistungsprüfungen, die ―unbestritten― in den steuerfreien Bereich eines Zweckbetriebes fallen.
Anlässlich von Rennveranstaltungen ist der Kläger zudem aufgrund einer Genehmigung des zuständigen Ministeriums befugt, auf seinem Gelände ein Totalisatorunternehmen (Wettbetrieb) zu unterhalten. Die Genehmigung, auf die im Einzelnen verwiesen wird, wurde unter den Auflagen erteilt, dass der Kläger u.a. bestimmte Prozentsätze des Totalisatorumsatzes für Züchterprämien verwendet, bzw. für die Erfüllung der Aufgaben der Züchtervereinigung und für ihre Aufgaben als regionale Aufsichtsorganisation an die Commission für Traberzucht und -rennen, zur Förderung der Landespferdezucht an den Landesverband der Pferdezüchter und zur Durchführung von Zuchtversuchen an den Traber-Zuchtfonds abführt. Für die Erfüllung dieser Auflagen wendete der Kläger in den Jahren 1995 bis 1998 zwischen ca. 500 000 DM und 650 000 DM auf. Er erfasste diese Beträge als Betriebsausgaben im Rahmen seines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs "Totalisatorunternehmen" und erklärte daraus in diesen Streitjahren Gewinne zwischen rd. 100 000 DM und 300 000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ordnete die genannten Aufwendungen dagegen dem steuerbefreiten Bereich des Klägers zu. Er erhöhte dementsprechend dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und erließ für die Streitjahre 1995 bis 2000 entsprechende Steuerbescheide.
Die Klage hatte Erfolg. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1477 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 64 Abs. 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet, sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu Recht hat das FG die streitigen Aufwendungen des Klägers seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb "Totalisatorunternehmen" zugeordnet.
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind von der Körperschaftsteuer u.a. Personenvereinigungen befreit, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar u.a. gemeinnützigen Zwecken dienen. Eine entsprechende Regelung enthält § 3 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger unstreitig.
2. Die Steuerbefreiung ist allerdings ausgeschlossen, soweit die Personenvereinigung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG; § 3 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 GewStG). Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist bei einer selbständigen nachhaltigen und auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit anzunehmen, die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Mit der Vorentscheidung ist bei dem Totalisatorunternehmen des Klägers von diesen Voraussetzungen auszugehen. Diese Tätigkeit des Klägers ist als unternehmerische ―auf Risikotragung gerichtet― zu werten und bedeutet eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. März 1991 I R 8/88, BFHE 164, 57, BStBl II 1992, 101). Auch § 64 Abs. 6 Nr. 2 AO 1977 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 1850, BStBl I 2001, 28), der ab 1. Januar 2000 anzuwenden ist, geht davon aus, dass ein Totalisatorbetrieb einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet.
Es handelt sich insoweit auch nicht um einen Zweckbetrieb, dem die Steuervergünstigung erhalten bliebe (§ 64 Abs. 1 AO 1977). Dazu wäre erforderlich, dass der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die satzungsmäßigen Zwecke einer Körperschaft zu verwirklichen, diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 AO 1977); es muss sich somit um einen für Vereinszwecke "unentbehrlichen Hilfsbetrieb" handeln (BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 1999 XI B 130/98, BFH/NV 1999, 1089; XI B 128/98, BFH/NV 1999, 1055).
Diese Kriterien sind vorliegend nicht erfüllt. Der gemeinnützige Zweck des Klägers und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb bilden keine Einheit in dem Sinne, dass sich der Vereinszweck mit der Unterhaltung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs "Totalisatorunternehmen" deckt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs ―RFH― vom 23. Juli 1938 VIa 92/37, RFHE 44, 277, RStBl 1938, 913; BFH-Urteile vom 24. Februar 1953 I 33/51 U, BFHE 57, 277, BStBl III 1953, 109; in BFHE 164, 57, BStBl II 1992, 101). Dies gilt auch im Hinblick auf den Rennbetrieb, den der Kläger als Zweckbetrieb führt.
3. Ist aufgrund eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ein zu versteuerndes Einkommen zu ermitteln, so sind die Einnahmen und Ausgaben zu berücksichtigen, die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind (§ 64 Abs. 1 AO 1977). Diese Zuordnung hat nach den allgemeinen Regeln über die steuerliche Gewinnermittlung, damit auch unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ―EStG― i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG zu erfolgen. Dies bedeutet, dass Ausgaben, die durch das Unterhalten eines wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb veranlasst sind, bei dessen Gewinnermittlung abzuziehen sind (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1999 I R 55/98, BFH/NV 2000, 85; vom 27. März 1991 I R 31/89, BFHE 164, 508, BStBl II 1992, 103; vom 5. Februar 1992 I R 59/91, BFH/NV 1993, 341; BFH-Beschluss vom 21. September 1995 I B 85/94, BFH/NV 1996, 268, - zu den Besonderheiten der Abzugsfähigkeit von Spenden vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1991 I R 117/88, BFHE 164, 252, BStBl II 1991, 645). Nicht zu berücksichtigen sind hingegen Ausgaben, die oder soweit sie auch ohne den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entstanden wären.
Die streitigen Aufwendungen des Klägers erfüllen die Auflagen zur Genehmigung des Totalisatorbetriebes durch das zuständige Ministerium. Sie stehen mit den Einnahmen aus dem Totalisatorbetrieb in gegenseitigem Zusammenhang. Mit der Erfüllung der Auflagen wird dem Kläger einerseits ermöglicht, den Totalisatorbetrieb zu unterhalten und daraus Einnahmen zu erzielen; umgekehrt ist der Kläger aufgrund dieser Einnahmen in der Lage, Ausgaben der streitigen Art überhaupt zu tätigen. Diese Ausgaben stellen kein Substitut einer Mittelverwendung zu Zwecken im ideellen Bereich des Klägers dar; eine Verwendung wäre "mangels Mittel" unterblieben. Im Übrigen wären die Einnahmen aus dem Betrieb des Totalisatorbetriebs auch ohne die damit verbundenen Auflagen nicht für sonstige Zwecke im ideellen Bereich des Klägers verfügbar gewesen. Denn gemäß Tz. 24 der Genehmigung des Ministeriums wären sie, soweit sie nicht zur Erfüllung der Auflagen verwendet worden wären, mit dem Ziel der "allgemeinen Förderung der Landespferdezucht an das Staatsministerium abzuführen" gewesen. Nach alledem ist dem FG darin zu folgen, dass die streitigen Aufwendungen des Klägers durch dessen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb veranlasst sind. Somit sind sie diesem zuzuordnen und bei dessen Gewinnermittlung zu berücksichtigen.
4. Abweichendes ergibt sich nicht aus dem vom FA betonten Grundsatz, dass eine Körperschaft, die die teilweise Befreiung von der Körperschaftsteuer erlangen und bewahren will, nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke ―z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke― verfolgen darf (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AO 1977; vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 164, 508, BStBl II 1992, 103; BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 268). Daraus folgt nämlich nicht, dass Anlass für das Entstehen von Aufwendungen, die mit steuerpflichtigen Tätigkeiten zusammenhängen, stets die nicht erwerbswirtschaftliche steuerbefreite Tätigkeit wäre. Maßgebend ist vielmehr die das Entstehen von Aufwendungen veranlassende Betätigung (BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 341; in BFH/NV 2000, 85; BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 268). Wirkt sich ein daneben bestehender Bezug zur ideellen Tätigkeit einer Körperschaft auf den Grund oder die Höhe von Aufwendung nicht aus, besteht nach allgemeinen Grundsätzen der steuerlichen Gewinnermittlung kein Grund, ihn zu berücksichtigen.
Die vom FA angestellte isolierte Betrachtung der Aufwendungen vor dem Hintergrund des ideellen Bereichs des Klägers entspricht aus den angeführten Gründen auch nicht wirtschaftlicher Betrachtungsweise. Ob die Berücksichtigung der Aufwendungen (bei Ansatz von Vollkosten) zu einem negativen Ergebnis des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes führen kann, ist für die Entscheidung des Streitfalles unerheblich.
5. Der Abzugsfähigkeit der streitigen Aufwendungen steht schließlich nicht § 10 Nr. 1 KStG entgegen. Danach sind Aufwendungen für die Erfüllung von Zwecken des Steuerpflichtigen nicht abziehbar, die u.a. durch dessen Satzung vorgeschrieben sind. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die mit den streitigen Auflagen jeweils verfolgten Zwecke bereits in dessen Satzung "vorgeschrieben" sind. Denn jedenfalls betrifft § 10 Nr. 1 KStG nur solche Aufwendungen, die sich ihrer Art nach als Einkommensverwendung darstellen, nicht hingegen solche, die ―wie vorliegend― den Charakter von Betriebsausgaben haben; Letztere sind nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen abzusetzen (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1997 I R 58/97, BFHE 185, 220, BStBl II 1998, 357, m.w.N.). § 10 Nr. 1 KStG enthält somit kein Abzugsverbot für Aufwendungen, die der Erzielung von Einkünften dienen. Auch soweit sich die Erfüllung satzungsmäßiger Zwecke gleichzeitig als gewerbliche Tätigkeit darstellt, sind die hiermit zusammenhängenden Ausgaben bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 I R 280/81, BFHE 151, 27, BStBl II 1988, 75). Diese Konsequenz folgt dem Grundsatz, dass sich eine Verpflichtung zur satzungsgemäßen Mittelverwendung nur hinsichtlich der Erträge aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach Abzug der damit zusammenhängenden Aufwendungen ergeben kann, nicht hingegen hinsichtlich der Einnahmen.
Fundstellen
Haufe-Index 974100 |
BFH/NV 2003, 1391 |
BStBl II 2005, 305 |
BFHE 1974, 323 |
BFHE 2004, 323 |
BFHE 202, 323 |
BB 2003, 2052 |
DB 2003, 2526 |
DStR 2003, 1616 |
DStRE 2003, 1192 |
HFR 2003, 1076 |