Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Herstellungskosten/Erhaltungsaufwand: geringfügige Erweiterung der Wohnfläche durch Modernisierung - AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nicht für modernisiertes Wohngebäude
Leitsatz (amtlich)
1. Aufwendungen für Baumaßnahmen, die die Wohnfläche eines Wohngebäudes vergrößern und deshalb Erweiterungen i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB darstellen, bilden auch dann Herstellungskosten, wenn die Vergrößerung im Verhältnis zur Gesamtwohnfläche nur geringfügig ist.
2. Greifen solche Erweiterungen mit Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bautechnisch ineinander, so sind die Aufwendungen einheitlich als Herstellungskosten zu beurteilen, auch wenn die Aufwendungen für die Erweiterungen im Verhältnis zu den Gesamtaufwendungen geringfügig sind.
Orientierungssatz
Der Abzug von AfA nach § 7 Abs. 5 EStG setzt voraus, daß es sich um ein in bautechnischer Hinsicht neu errichtetes Gebäude handelt (vgl. BFH-Urteil vom 31.3.1992 IX R 175/87, BStBl II 1992, 808). Das ist bei einem lediglich modernisierten und umgestalteten Wohngebäude nicht der Fall.
Normenkette
EStG 1987 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4; HGB § 255 Abs. 2 S. 1; EStG 1987 § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 5
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben ein Mietwohngrundstück von ihrer Mutter. Das Haus stammt aus dem Jahre 1905. Die Wohnungen waren vermietet. Im Streitjahr 1988 und im folgenden Jahr ließen die Kläger das Gebäude mit einem Kostenaufwand von 317 715 DM (1988) und 309 656 DM (1989) instandsetzen und umbauen.
In ihren Erklärungen zur Feststellung der aus dem Mietwohngrundstück erzielten Einkünfte behandelten die Kläger die Aufwendungen für den Ausbau des Lichthofes als Herstellungskosten (nach Aufstellung der Kläger insgesamt 44 991 DM). Die übrigen Aufwendungen behandelten sie als sofort abziehbare Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Aufwendungen insgesamt als Herstellungskosten und berücksichtigte lediglich Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 2,5 v.H.
Im Klageverfahren begehrten die Kläger den Abzug sämtlicher Aufwendungen als Erhaltungsaufwand. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus: Die Aufwendungen stellten in vollem Umfang Herstellungskosten dar, da durch den Ausbau des Lichthofes und den Ausbau der Dachgauben das Gebäude wesentlich in seiner Substanz vermehrt worden sei und diese Herstellungsmaßnahmen in einem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den anderen baulichen Maßnahmen stünden.
Mit der --vom FG zugelassenen-- Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sämtliche Aufwendungen hätten ausschließlich dem Zweck gedient, das Gebäude in seiner Nutzungsmöglichkeit zu erhalten und in einen Zustand zu versetzen, der dem in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Standard eines Mietwohngrundstücks entspricht. Durch den Ausbau des Lichthofes sei, worauf das FG zu Recht hingewiesen habe, die Fläche der Wohnungen im Erdgeschoß sowie im ersten und zweiten Obergeschoß nur um ca. 8 v.H. vergrößert worden. Der Anteil der Aufwendungen für den Ausbau des Lichtschachtes an den Gesamtaufwendungen betrage lediglich 7 v.H. Ferner sei die gesamte Nutzfläche des Gebäudes lediglich um 3,7 v.H. vergrößert worden. Da diese Anteile jeweils weniger als 10 v.H. ausmachten, seien sie steuerlich unbeachtlich. Selbst wenn man die Baumaßnahmen zur Einbeziehung des Lichtschachtes als Herstellungsmaßnahmen ansehe, rechtfertige dies nicht, auch alle übrigen Baumaßnahmen als Herstellungsmaßnahmen zu behandeln. Insoweit habe es sich nicht um eine einheitliche Baumaßnahme gehandelt. Die Kausalität zwischen den Baumaßnahmen zur Einbeziehung des Lichtschachtes und den übrigen Baumaßnahmen sei umgekehrt wie vom FG dargestellt. Ursprünglich sei die Einbeziehung des Lichtschachtes überhaupt nicht geplant gewesen.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 1988 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, daß die Aufwendungen in Höhe von 317 715 DM als Erhaltungsaufwand beurteilt werden und hiervon 1/5 nach § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) --unter Gegenrechnung der AfA von 2,5 v.H.-- im Streitjahr berücksichtigt wird, hilfsweise, die AfA nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht insgesamt als Herstellungskosten beurteilt.
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Handelt es sich bei diesen Aufwendungen um Herstellungskosten eines zur Einkunftserzielung bestimmten Gebäudes, so sind sie grundsätzlich nur verteilt auf die Nutzungsdauer des Gebäudes in Form von AfA abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4 und 5 EStG). Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese handelsrechtliche Begriffsbestimmung gilt ebenso für das Steuerrecht, und zwar auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, 476, BStBl II 1990, 830 unter C.III.1. c dd).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen Erweiterungen schlechthin zu Herstellungskosten und damit auch dann, wenn sie nur geringfügig sind. Aufwendungen zur Verbesserung eines Gebäudes bilden dagegen nur dann Herstellungskosten, wenn es sich um eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung handelt.
Eine Erweiterung liegt u.a. vor, wenn ein Gebäude aufgestockt oder daran ein Anbau errichtet wird (vgl. § 17 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes --II.WobauG--), wenn es in seiner Substanz vermehrt (z.B. Senatsurteil vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, BFHE 170, 113, 117, BStBl II 1994, 12) oder seine nutzbare Fläche vergrößert wird (z.B. BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 1/87, BFHE 165, 355, BStBl II 1992, 73; vom 19. Juli 1985 III R 170/80, BFH/NV 1986, 24, 26), oder wenn nachträglich Bestandteile eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren (Senatsurteile vom 29. August 1989 IX R 176/84, BFHE 159, 303, 306, BStBl II 1990, 430; vom 16. Februar 1993 IX R 85/88, BFHE 170, 547, 549, BStBl II 1993, 544).
Stehen Maßnahmen zur Erweiterung eines Gebäudes, die Herstellungsmaßnahmen sind, mit anderen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich genommen als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, so sind die Aufwendungen insgesamt als Herstellungskosten zu beurteilen. Ein sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne liegt vor, wenn die einzelnen Baumaßnahmen --die sich auch über mehrere Jahre erstrecken können-- bautechnisch ineinandergreifen (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1962 I 192/61 U, BFHE 74, 523, BStBl III 1962, 195). Eine Aufteilung der Aufwendungen (ggf. durch Schätzung) ist geboten, soweit die Arbeiten ohne diesen Zusammenhang lediglich gleichzeitig vorgenommen worden sind (BFH-Urteile vom 14. Oktober 1960 VI 100/59 U, BFHE 71, 653, BStBl III 1960, 493; vom 22. Februar 1973 VIII R 72/68, BFHE 109, 36, 38, BStBl II 1973, 483).
Die Feststellung, ob die einzelnen Baumaßnahmen in dem vorbezeichneten Sinne bautechnisch ineinandergreifen, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Seine Tatsachenwürdigung kann vom BFH als Revisionsgericht nur beschränkt überprüft werden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
2. Nach diesen Maßstäben hält das angefochtene Urteil einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Die strittigen Aufwendungen sind deshalb Herstellungskosten, weil die Kläger das Gebäude durch die Baumaßnahmen erweitert haben und die Erweiterungen mit den übrigen Maßnahmen nach den ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen des FG bautechnisch ineinandergreifen.
a) Das FG hat zu den strittigen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen folgendes festgestellt: In drei Wohnungen wurde der rückseitige Schlafraum um den Bereich des vormals vorhandenen Lichthofes (9,5 qm) vergrößert. Für die Dachgeschoßwohnung wurde auf dem ausgebauten Lichthof ein Balkon geschaffen. Durch Versetzen der Zwischenwände wurden größere Küchen und Bäder geschaffen; die Bäder wurden mit Wanne und Dusche ausgebaut. Kleinere Räume wurden zu großen ineinander übergehenden Wohnbereichen zusammengefaßt. Ferner ließen die Kläger das Dach neu decken, dabei zusätzliche Gauben zur Belichtung errichten, den Außenputz sanieren und einen neuen Anstrich aufbringen, die Fenster und teilweise auch die Türen erneuern, eine Zentralheizung einbauen sowie die Elektroinstallation erneuern. Auf den Böden wurden schwimmend verlegte Spanplatten sowie neue Teppichböden und PVC-Beläge aufgebracht. Die Kläger ließen außerdem Holz-, Wand- und Deckenflächen streichen und tapezieren sowie die Außenanlagen neu gestalten.
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das FG ohne Rechtsfehler die Baumaßnahmen zum Ausbau des Lichthofes und zur Schaffung der Dachgauben, durch die die Wohnfläche der Wohnungen vergrößert worden ist, als Herstellungsmaßnahmen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB beurteilt. Es handelt sich um Erweiterungen im Sinne dieser Vorschrift, die auch dann als Herstellungsmaßnahmen zu beurteilen sind, wenn sie --wie im Streitfall-- im Vergleich zur Gesamtwohnfläche nur geringfügig sind.
Ferner hat das FG ohne Rechtsfehler alle übrigen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen als Herstellungsmaßnahmen beurteilt, weil sie mit dem Ausbau des Lichthofes, der sämtliche Etagen des Gebäudes betraf, in einem besonderen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang gestanden, d.h., bautechnisch ineinandergegriffen haben. Das FG hat einen solchen bautechnischen Zusammenhang darin gesehen, daß der Ausbau des Lichthofes das Versetzen der Wände zwischen Elternschlafzimmer und Küche sowie zwischen Küche und Badezimmer ermöglicht und die völlige Neugestaltung der Badezimmer erlaubt habe, so daß in jeder Wohnung ein modernes Badezimmer mit WC, Waschbecken, Dusche und Badewanne eingerichtet werden konnte. Mit dem Versetzen der Wände sei die Erneuerung von Decken und Böden sowie der Elektroinstallation verbunden gewesen. Letztere Maßnahmen seien für die gesamte Wohnung vorgenommen worden und hätten ein Bindeglied zur Neugestaltung des Wohn-Eß-Bereichs dargestellt. Durch den Ausbau des Lichthofes sei ein Fenster entfallen und habe in der Außenwand neu angelegt werden müssen. Im Zusammenhang damit seien alle anderen Fenster erneuert und sei auch die gesamte Außenfassade saniert und gestrichen worden. Diese tatsächliche Würdigung läßt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen. Sie ist jedenfalls möglich und deshalb für den erkennenden Senat im Streitfall bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
3. Auch der Hilfsantrag der Kläger ist unbegründet. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzt der Abzug von AfA nach § 7 Abs. 5 EStG voraus, daß es sich bei dem Gebäude um ein in bautechnischer Hinsicht neu errichtetes Gebäude handelt (Senatsurteil vom 31. März 1992 IX R 175/87, BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Das Wohngebäude ist nicht neu errichtet, sondern lediglich modernisiert und umgestaltet worden.
Fundstellen
Haufe-Index 65548 |
BFH/NV 1995, 83 |
BStBl II 1996, 637 |
BFHE 178, 42 |
BFHE 1996, 42 |
BB 1995, 1946 (L) |
DB 1995, 1891 (LT) |
DStR 1995, 1669-1670 (KT) |
DStZ 1995, 760-761 (KT) |
HFR 1995, 709-710 (LT) |
StE 1995, 590 (K) |