Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsbeziehungen bei Kraftstofflieferungen an Kfz-Leasingnehmer für Rechnung des Leasinggebers (Nachfolgeentscheidung zum Urteil des EuGH vom 6. Februar 2003 Rs. C-185/01 - Auto Lease Holland BV -)
Leitsatz (amtlich)
Betankt ein Leasingnehmer das geleaste Fahrzeug bei Tankstellen mittels einer Kreditkarte des Leasinggebers entsprechend einer "Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung" für Rechnung des Leasinggebers, so liegt keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vor. Die Mineralölgesellschaft verschafft nicht dem Leasinggeber, sondern dem Leasingnehmer die Verfügungsmacht an dem Treibstoff. Die "Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung" ist in Fällen wie im Streitfall kein Vertrag über Kraftstofflieferung, sondern ein Vertrag über die Finanzierung des Bezugs von Kraftstoff.
Normenkette
UStG 1980 § 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 9; UStDV 1980 § 59
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, ist ein Leasingunternehmen, das den Leasingnehmern Kfz überlässt. Ungefähr 10 v.H. der Leasingnehmer sind nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt.
Für die Überlassung des Kfz zahlt der Leasingnehmer an die Klägerin monatlich Leasingraten, die u.a. die Abschreibung des Fahrzeugs, die Vergütung für Kasko- und Haftpflichtversicherung, die Kraftfahrzeugsteuer und die Reparatur- und Wartungskosten abdecken.
Daneben kann der Leasingnehmer mit der Klägerin noch eine "Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung" treffen. Er erhält dann von der Klägerin einen so genannten ALH-Pass sowie eine Tankkreditkarte des deutschen Kreditkartenunternehmers DKV, die die Klägerin als Kundin des DKV nennt. Damit hat der Kunde das Recht, auf Rechnung der Klägerin Kraftstoff zu tanken und vereinzelt Ölprodukte zu kaufen. Der DKV rechnet regelmäßig mit der Klägerin ab. Zahlt der Leasingnehmer die Treibstoffrechnung nicht mit der Kreditkarte des DKV, sondern bar, erstattet die Klägerin ihm (zunächst) die verauslagten Beträge. Die Klägerin ihrerseits erhält von den Leasingnehmern monatlich 1/12 der voraussichtlichen Benzinkosten; am Jahresende wird dann nach dem tatsächlichen Verbrauch abgerechnet. Hinzu kommt eine zusätzliche Gebühr für die Kraftstoffverwaltung.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) versteuert die Klägerin die gesamten Leasing-Leistungen "einschließlich der Kraftstoffkosten" in den Niederlanden.
Soweit den Kraftstoffkosten Lieferungen deutscher Unternehmer zugrunde lagen, beantragte die Klägerin die Vergütung der Umsatzsteuer aus den Treibstoffrechnungen für die Jahre 1989 bis 1993 im Verfahren nach §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1980 bis 1993 (UStDV).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundesamt für Finanzen ―BfF―) entsprach den Anträgen für die Jahre 1989 bis 1991 zunächst, änderte dann aber die Vergütungsbescheide, indem er die Vergütung auf 0 DM festsetzte und die zuvor erstatteten Vorsteuerbeträge zurückforderte (Vergütungsbescheide vom 19. Dezember 1994 für 1989 und vom 20. Dezember 1995 für 1990 und 1991). Die Anträge für die Jahre 1992 und 1993 lehnte das BfF von Anfang an ab (Bescheide vom 20. März 1996 und 19. April 1996).
Einsprüche und Klage hatten keinen Erfolg.
Das FG hatte im ersten Rechtsgang dahingestellt lassen, ob der Treibstoff unmittelbar an die Leasingnehmer oder zunächst an die Klägerin geliefert wurde. Für den zuerst genannten Fall verneinte es ein Recht der Klägerin auf den begehrten Vorsteuerabzug; für den zuletzt genannten Fall bejahte es eine (im Inland/Erhebungsgebiet) ausgeführte Weiterlieferung des Treibstoffs an die Leasingnehmer, so dass die Klägerin ihr Recht auf Vorsteuerabzug nicht im Vergütungsverfahren nach §§ 59 ff. UStDV geltend machen könne (vgl. Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 842).
Der Bundesfinanzhof (BFH) hob dieses Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück; er war der Auffassung, das FG habe nicht dahinstehen lassen dürfen, ob die Mineralölgesellschaften den Treibstoff unmittelbar an die Leasingnehmer oder zunächst an die Klägerin geliefert hätten; im letztgenannten Fall sei nämlich zweifelhaft, ob der Treibstoff von der Klägerin im Inland an die Leasingnehmer weitergeliefert worden sei oder ob die Klägerin eine in den Niederlanden zu versteuernde einheitliche sonstige Leistung erbracht habe, die auch die "Treibstoffverwaltung" einschlösse; diese Zweifelsfrage sei aber erst nach weiterer Sachverhaltsaufklärung dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1998 V R 22/98, BFH/NV 1999, 986, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 1999, 248 mit Anm.).
Das FG hat daraufhin im zweiten Rechtsgang Treibstofflieferungen der Mineralölgesellschaften an die Klägerin, für die diese den Vorsteuerabzug begehrt, verneint und die Klage abgewiesen (vgl. Urteil in EFG 2000, 589).
Auf die vom FG zugelassene Revision des BfF hat der erkennende Senat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Frage zur Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorgelegt:
"Liegt in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Auto im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, eine Treibstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vor, und ist diese Lieferung an dem in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG genannten Lieferort zu versteuern, oder geht die 'Weiterlieferung' in der nach Art. 9 der Richtlinie 77/388/EWG zu besteuernden Dienstleistung des Leasinggebers auf?"
Der EuGH hat die ihm gestellten Fragen mit Urteil vom 6. Februar 2003 Rs. C-185/01 ―Auto Lease Holland BV― (Internationales Steuerrecht ―IStR― 2003, 170) wie folgt beantwortet:
"Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt."
Die Klägerin beantragt weiterhin, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Änderungsbescheide für 1989 bis 1991 vom 19. Dezember 1994 und 20. Dezember 1995 sowie die Ablehnungsbescheide vom 20. März 1996 und 19. April 1996 für 1992 und 1993 aufzuheben und das BfF zu verpflichten, die Vorsteuervergütung für den Vergütungszeitraum 1992 auf 77 138,53 DM und für den Vergütungszeitraum 1993 auf 106 845,55 DM festzusetzen.
Das BfF ist der Revision entgegengetreten.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Nach § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1993 (UStG), § 59 UStDV ist die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) unter den dort genannten Voraussetzungen nach §§ 60 und 61 UStDV durchzuführen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er (oder in seinem Auftrag ein Dritter) den Abnehmer (oder in dessen Auftrag einen Dritten) befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
Nach diesen Bestimmungen kann die Klägerin die Vorsteuer aus den Kraftstofflieferungen der Mineralölgesellschaften nicht vergütet bekommen, da diese den Kraftstoff nicht der Klägerin (Leasinggeberin), sondern den Leasingnehmern geliefert haben.
2. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 UStG entspricht Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Nach dieser Bestimmung gilt als Lieferung eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
Hierzu hat der EuGH im Streitfall ausgeführt:
"34. Unstreitig ist der Leasingnehmer befugt, über den Kraftstoff so zu verfügen, als wäre er der Eigentümer, weil er ihn unmittelbar von den Tankstellen erhält und die Klägerin zu keiner Zeit darüber entscheiden kann, wie und wozu der Kraftstoff verwendet werden soll.
35. Der Auffassung, der Kraftstoff werde an die Klägerin geliefert, da der Leasingnehmer ihn in ihrem Namen und für ihre Rechnung kaufe und sie den Kaufpreis vorschieße, kann nicht gefolgt werden. Wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, erfolgen die Lieferungen nur vordergründig auf Kosten der Klägerin. Zum einen stellen die monatlich an sie gezahlten Raten nur einen Vorschuss dar. Zum anderen kommt der Leasingnehmer für den am Jahresende abgerechneten tatsächlichen Verbrauch auf und trägt daher die Kosten der Kraftstofflieferung in voller Höhe.
36. Die Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung ist somit kein Vertrag über Kraftstofflieferung, sondern vielmehr ein Vertrag über die Finanzierung des Bezugs von Kraftstoff. Nicht die Klägerin kauft den Kraftstoff ―in der Absicht, ihn an den Leasingnehmer weiterzuliefern―, sondern dieser kauft ihn, wobei er dessen Qualität und Menge sowie den Zeitpunkt des Kaufs frei wählt. Die Klägerin übernimmt dem Leasingnehmer gegenüber in Wirklichkeit die Funktion eines Kreditgebers."
3. Der EuGH hat damit den Vorgang dahin gewürdigt, dass in Fällen der vorliegenden Art die Mineralölgesellschaft nicht dem Leasinggeber (Klägerin), sondern dem Leasingnehmer die Verfügungsmacht an dem Treibstoff verschafft. Zwischen Mineralölgesellschaft und Leasinggeber kommt kein Vertrag zustande, der die Lieferung des Treibstoffs an den Leasinggeber zum Gegenstand hat. Ermächtigt ein Leasinggeber beim Kfz-Leasing aufgrund einer "Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung" der vorliegenden Art den Leasingnehmer, das geleaste Fahrzeug für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen zu betanken, liegt folglich auch keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vor. Die "Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung" ist in Fällen wie im Streitfall kein Vertrag über Kraftstofflieferung, sondern ein Vertrag über die Finanzierung des Bezugs von Kraftstoff.
Demnach hat die Klägerin den Kraftstoff nicht geliefert bekommen. Ihr steht kein Vorsteuerabzug nach § 15 UStG zu.
Fundstellen
Haufe-Index 941507 |
BFH/NV 2003, 1023 |
BStBl II 2004, 571 |
BFHE 1974, 84 |
BFHE 2004, 84 |
BFHE 202, 84 |
BB 2003, 1373 |
DB 2003, 1422 |
DStR 2003, 1072 |
DStRE 2003, 832 |
HFR 2003, 896 |
UR 2003, 342 |