Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieb eines Fitneß-Studios als Gewerbebetrieb oder als freiberufliche Tätigkeit - Unterrichtsbegriff
Leitsatz (amtlich)
Der Betrieb eines Fitness-Studios stellt keine unterrichtende Tätigkeit dar, wenn sich die persönliche Betreuung der Kunden im wesentlichen auf die Einweisung in die Handhabung der Geräte und die Überwachung des Trainings in Einzelfällen beschränkt.
Orientierungssatz
1. Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form. Werden im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit auch noch andere Leistungen angeboten, so kann je nach Art und Umfang dieser Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen. Bei der Beurteilung von Grenzfällen ist die Tatsachenwürdigung des FG maßgebend (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Das Betreiben eines Fitneß-Studios kann eine unterrichtende Tätigkeit darstellen, wenn der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Trainingsprogramm entwirft, dieses mit dem Teilnehmer bespricht, die zu trainierenden Muskeln und Muskelgruppen erklärt, Anleitungen zur richtigen Körperhaltung bei den Übungen gibt, das Training während der gesamten Vertragsdauer überwacht und durch kritische Äußerungen und Anregungen begleitet sowie nötigenfalls Übungen ändert.
Normenkette
EStG 1987 § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15; GewStG 1984 § 2 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Sport- und Fitness-Studio für Frauen. Er ist Masseur und medizinischer Bademeister. Außerdem hat er im Rahmen einer Tätigkeit am Klinikum des Universitätskrankenhauses A eine Ausbildung in der Sportphysiotherapie mit erfolgreicher Abschlußprüfung beendet.
Das vom Kläger betriebene Fitness-Studio bietet u.a. Gymnastik, Aerobic-dance, Stretching, Jazz-dance und Bodystyling an. In den Streitjahren (1987 und 1988) beschäftigte der Kläger zeitweise zwei Arbeitnehmerinnen als Fitnesstrainerinnen. Weiter werden Programme für Herz-Kreislauftraining und Sportphysiotherapie angeboten. Solarien sowie Sauna und Dampfbad sind vorhanden. Zur Erfrischung steht den Besucherinnen eine Bar mit alkoholfreien Getränken zur Verfügung, deren Gewinnanteil etwa 5 v.H. des jeweiligen Jahresgewinns beträgt.
Der Kläger schließt mit den Kundinnen in der Regel Zeitverträge, die zunächst auf sechs Monate oder ein Jahr befristet sind. Diesen Verträgen zufolge sind die Kundinnen berechtigt, sämtliche dem Training dienende Einrichtungen uneingeschränkt zu benutzen. Sie werden zu Beginn des Trainings in die Handhabung von Hanteln und Maschinen eingewiesen. Die Überwachung des Trainings richtet sich nach dem Bedarf der einzelnen Kundinnen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hielt die Tätigkeit des Klägers für gewerblich und erließ für die Streitjahre Bescheide über den Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer.
Hiergegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage, mit der er geltend machte, er erziele keine gewerblichen, sondern freiberufliche Einkünfte, da er eine unterrichtende Tätigkeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausübe. Er prüfe bei der Anmeldung der Kundinnen deren Gesundheitszustand aus sportphysiotherapeutischer Sicht, insbesondere auf Auffälligkeiten bei der Rückenhaltung oder beim Hüftstand. Aufgrund dieses Befundes entwerfe er dann ein Trainingsprogramm. Etwa 75 v.H. der Kundinnen seien auf intensivere Betreuung angewiesen, um die in den Trainingsplänen erarbeiteten Übungen zu absolvieren. Mit ihnen würden, soweit erforderlich, auch spezielle krankengymnastische Bewegungsabläufe eingeübt. Neben dem Einsatz der Maschinen, die nicht nur sportlichen, sondern auch therapeutischen Zwecken dienten, würden auch Gymnastikprogramme ohne Verwendung von Maschinen durchgeführt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Der Kläger beantragt, das finanzgerichtliche Urteil sowie die Gewerbesteuermeßbescheide und Gewerbesteuerbescheide 1987 und 1988 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Entscheidung des FG, daß der Kläger keinen freien Beruf, insbesondere keine unterrichtende Tätigkeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG ausübe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form (Nieland in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 18 Rdnr.115 unter Berufung auf Meyers Enzyklopädisches Lexikon). Steuerlich wird jede Art von unterrichtender Tätigkeit zu den freien Berufen gerechnet, insbesondere auch der Unterricht in Sport und Gymnastik (Senats-Urteil vom 1. April 1982 IV R 130/79, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589). Beschränkt sich die Tätigkeit allerdings nicht auf das Vermitteln von Fertigkeiten, sondern werden im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit auch noch andere Leistungen angeboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen (Senats-Urteil vom 16. November 1978 IV R 191/74, BFHE 126, 220, BStBl II 1979, 246 zum Reitunterricht auf einem Reiterhof).
2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, so stellt die Überlassung von Sportgeräten zur Nutzung durch die Kunden auch dann eine gewerbliche Tätigkeit dar, wenn die Kunden zu Beginn der Nutzung in die Handhabung des Geräts eingewiesen werden. Eine solche Einweisung macht die Nutzung erst möglich und ist ihr daher untergeordnet. Dient dagegen das Zurverfügungstellen des Geräts nur dazu, den Unterricht erteilen zu können, so führt allein der Umstand, daß sachliche Mittel von erheblichem Wert eingesetzt werden, nicht zur Gewerblichkeit der Unterrichtstätigkeit. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen die vom Unterrichtenden zur Verfügung gestellten Gegenstände vom Schüler lediglich während der Unterrichtszeit benutzt werden, wie beispielsweise das Kraftfahrzeug eines Fahrlehrers.
3. In der Rechtsprechung der FG wird das Betreiben eines Fitness-Studios unterschiedlich beurteilt. Das FG Nürnberg (Urteil vom 9. Mai 1989 II 167/83, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1989, 543, rkr.) vertritt die Auffassung, daß im allgemeinen dem Kunden eines Fitness-Studios mehr an der ständigen Nutzung der Geräte und sonstigen Einrichtungen liege, als an einer mehr oder weniger intensiven Unterrichtung durch den Betreiber und daß ein solches Unternehmen daher generell als Gewerbebetrieb anzusehen sei (ähnlich: Hessisches FG, Urteil vom 12. Dezember 1988 8 K 2432/88, EFG 1989, 284, rkr.; Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Koblenz vom 17. November 1986 in Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1987, 148; Nieland in Littmann/Bitz/Hellwig, a.a.O., Rdnr.116 unter Hinweis auf das unveröffentlichte Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26. April 1983 VIII 550/82; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, § 18 Anm.24). Demgegenüber hat das FG Düsseldorf (Urteil vom 6. November 1991 K 269/85 E, U, nicht veröffentlicht --NV--, Revision anhängig unter dem Az. V R 135/92) nach der Anhörung von Kursteilnehmern als Zeugen die Auffassung vertreten, daß die Trainingsgeräte in dem von ihm entschiedenen Fall lediglich als Hilfsmittel im Rahmen des Unterrichts eingesetzt worden seien. Sie seien in das von dem damaligen Kläger individuell entworfene und ständig überprüfte Trainingsprogramm eingebettet gewesen (ähnlich: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juni 1989 6 K 279/88, NV).
Mit einer ähnlichen Problematik haben sich auch die Zivilgerichte befaßt, wenn es darum ging, die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Fitness-Studios zu überprüfen, wozu die Bestimmung des Vertragstyps erforderlich ist. Während die Mehrzahl der bisher mit dieser Frage befaßten Gerichte die zwischen dem Betreiber eines Fitness-Studios und seinen Kunden geschlossenen Verträge wegen der untergeordneten Bedeutung der angebotenen Dienstleistungen dem Mietrecht unterstellen (Oberlandesgericht --OLG-- Karlsruhe, Urteil vom 9. September 1988 10 U 62/88, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1989, 243; Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 9. April 1990 13 BS 342/89, NJW-RR 1990, 890; Landgericht Darmstadt, Urteil vom 1. November 1990 6 S 60/90, NJW-RR 1991, 1015), hat das OLG Hamm diese Auffassung in Zweifel gezogen und jedenfalls dann Dienstvertragsrecht zur Anwendung gebracht, wenn Beratung und Überwachung bei der richtigen Benutzung der Geräte zum Vertragsinhalt gehörte oder wenn die durch die Einweisung in die Benutzung der Geräte gekennzeichnete Anfangsphase der Vertragsbeziehungen Gegenstand der Beurteilung war (Urteile vom 10. Oktober 1991 17 U 2/91, NJW-RR 1992, 242 und 17 U 165/90, NJW-RR 1992, 243).
4. Der Senat vertritt die Auffassung, daß sich die Frage, ob das Betreiben eines Fitness-Studios als freiberuflich oder als gewerblich anzusehen ist, nicht für alle in Betracht kommenden Unternehmen einheitlich beantworten läßt. Allein die Tatsache, daß sich ein Unternehmen als Fitness- oder Bodybuilding-Studio bezeichnet und seinen Kunden Spezialgeräte zur Muskelbildung und Gewebestraffung zur Verfügung stellt, kann nicht als entscheidendes Kriterium dafür angesehen werden, ob es sich um eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit handelt. Beschränkt sich die individuelle Betreuung durch den Studioinhaber auf die Einweisung in die Benutzung der Geräte, so prägt der gewerbliche Teil der Betätigung das Gesamtbild der Tätigkeit, das sich unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht auf eine Betrachtung der Anfangsphase beschränken darf, in einer Weise, daß sich die Annahme einer freien Berufstätigkeit nach dem oben (unter 1. und 2.) Ausgeführten verbietet. Das gilt auch dann, wenn im Zuge der Anleitung zur Nutzung der Geräte auch sportmedizinische Gesichtspunkte zu beachten sind. Auf der anderen Seite sind Fälle denkbar, in denen die persönliche Begleitung des Trainings durch den Studioinhaber einen Umfang annimmt, der die Maschinen lediglich als Mittel zum Erteilen von Sportunterricht erscheinen läßt. Das kann dann der Fall sein, wenn der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Trainingsprogramm entwirft, dieses mit dem Teilnehmer bespricht, die zu trainierenden Muskeln und Muskelgruppen erklärt, Anleitungen zur richtigen Körperhaltung bei den Übungen gibt, das Training während der gesamten Vertragsdauer überwacht und durch kritische Äußerungen und Anregungen begleitet sowie nötigenfalls Übungen ändert.
Die demnach erforderlichen Feststellungen, welchen Umfang die unterrichtende Tätigkeit des Betriebsinhabers, also insbesondere die laufende Kontrolle des Trainings der Kunden und das Erteilen von Anweisungen zur Vermeidung einer nutzlosen oder schädlichen Handhabung der Geräte, in jedem konkreten Einzelfall annimmt, obliegen den FG als Tatsachengerichten und sind vom Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang nachprüfbar (§ 118 Abs.2 FGO).
Die Würdigung des FG ist auch maßgeblich für die Beurteilung von Fällen, die sich im Grenzbereich bewegen (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 1992 IV R 70/91, BFHE 168, 537, BStBl II 1992, 1015 unter 2.). Um solche Grenzfälle handelt es sich bei Betrieben, in denen sich die Leistung des Studios nicht auf das Zurverfügungstellen der Geräte, verbunden mit der notwendigen Einweisung, beschränkt, in denen aber andererseits nicht das Training eines jeden Kunden sachkundig kontrolliert und kommentiert wird oder in denen die anfangs für die Annahme einer Unterrichtstätigkeit ausreichende Intensität der Überwachung im Laufe der Vertragsdauer abnimmt.
5. Für den Streitfall folgt hieraus, daß die Würdigung des FG, im Betrieb des Klägers habe das Zurverfügungstellen der Geräte im Vordergrund gestanden, nicht zu beanstanden ist. Nach den Feststellungen des FG hatten die Besucherinnen des Studios nach den zwischen ihnen und dem Kläger geschlossenen Verträgen lediglich einen Anspruch auf Benutzung der Geräte. Das FG hat daraus geschlossen, daß ein Anspruch auf laufende Kontrolle und Kommentierung des Trainings nicht bestand. Es ist darüber hinaus aufgrund der formlosen Anhörung des Klägers davon ausgegangen, daß er auf Bitten einzelner Kundinnen Trainingspläne entworfen, ihren Umgang mit den Geräten überwacht und die Handhabung spezieller Bewegungsabläufe im Wege eines Einführungsunterrichts vermittelt habe. Es hat den Umfang dieser Leistungen jedoch nicht als derart überwiegend angesehen, daß die Tätigkeit insgesamt als freiberuflich angesehen werden kann.
Gegen diese Würdigung kann der Kläger im Revisionsverfahren nicht mit Erfolg einwenden, daß er das Training der Kundinnen von Anfang an kritisch begleitet und ihnen auch Anweisungen für häusliche Übungen (ohne Maschinen) erteilt habe. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger solches im finanzgerichtlichen Verfahren "unwidersprochen" vorgetragen hat. Maßgeblich ist vielmehr, daß der Kläger keinerlei Beweis für seine Behauptungen angeboten und im Revisionsverfahren auch nicht dargelegt hat, welche Beweiserhebungen sich dem FG auch ohne Beweisanträge hätten aufdrängen müssen. Vielmehr hat der Kläger den Vorschlag des FG, den Trainingsbetrieb in seinem Studio in Augenschein zu nehmen, ausdrücklich abgelehnt. Auch wenn er dies damit begründet hat, eine solche Augenscheinseinnahme werde seine ausschließlich weibliche Kundschaft irritieren, ändert die Weigerung nichts daran, daß dem FG weitere Feststellungen zu den betrieblichen Besonderheiten nicht möglich waren. In Anbetracht dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG dem Wortlaut der mit den Besucherinnen abgeschlossenen Verträge, in denen von einer Unterrichtserteilung oder einem Anspruch auf kritische Begleitung des Trainings nicht die Rede ist, ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Diese Würdigung wird verstärkt durch die vom Kläger verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen. So vermittelt die Klausel, derzufolge jegliche Haftung "für eventuell auftretende Schäden, welche sich das Mitglied bei der Benutzung der Einrichtungen bzw. durch Inanspruchnahme unserer Dienstleistungen zuzieht" ausgeschlossen wurde, den Eindruck, eine persönliche Verantwortung des Klägers für eine unsachgemäße Benutzung der Geräte sei nicht Gegenstand des Vertrages. Dasselbe gilt für die vom Mitglied verlangte --mittlerweile vom Bundesgerichtshof (BGH) für unwirksam erklärte-- Bestätigung "sportgesund" zu sein (vgl. BGH-Urteil vom 20. April 1989 IX ZR 214/88, NJW-RR 1989, 817). Schließlich wäre auch die vom Kläger verwendete Klausel, derzufolge Krankheit der Kundin diese nicht von den vertraglichen Verpflichtungen entbindet, allenfalls mit einem Mietvertrag zu vereinbaren (vgl. OLG Hamm in NJW-RR 1992, 242 m.w.N.). Dazu, ob und in welcher Weise im Studio des Klägers auch die im Prospekt aufgeführten, geräteunabhängigen, Aktivitäten wie Aerobic-dance und Jazz-dance durchgeführt wurden, ist von den Beteiligten weder etwas vorgetragen worden, noch hat das FG hierzu Feststellungen getroffen, die Gegenstand einer revisionsgerichtlichen Prüfung sein könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 65020 |
BFH/NV 1994, 42 |
BStBl II 1994, 362 |
BFHE 173, 331 |
BFHE 1994, 331 |
BB 1994, 779 |
BB 1994, 779 (L) |
DB 1994, 1403 (L) |
DStR 1994, 1684-1686 (KT) |
DStZ 1994, 375-376 (KT) |
HFR 1994, 325-326 (LT) |
StE 1994, 227 (K) |