Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungssperre für aufgrund einer Außenprüfung ergangene Steuerbescheide
Leitsatz (amtlich)
Die Änderungssperre des § 173 Abs.2 Satz 2 AO 1977 greift nur ein, wenn aufgrund einer Außenprüfung entweder ein Bescheid oder eine förmliche Mitteilung nach § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977 ergangen ist. In der Übersendung eines Prüfungsberichts, der keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, daß die Außenprüfung nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat, kann eine konkludente Mitteilung i.S. des § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977 nicht gesehen werden.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, § 202 Abs. 1 S. 3; InvZulG 1975 § 4b
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der eine Spedition betreibt, bestellte am 27.Juni 1975 einen LKW Daimler-Benz des Typs 1619/52 ohne Aufbau zum Preise von 79 827 DM. Nachdem dieser Auftrag am 25.Februar 1976 geändert worden war, lieferte die Daimler-Benz AG am 30.März 1976 ein Fahrzeug des Typs 1626/48 mit Aufbau für 104 121 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gewährte dem Kläger zunächst für das gelieferte Fahrzeug die Konjunkturzulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1975) in Höhe von 6 605 DM. Aufgrund eines Berichts der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts vom 28.Oktober 1980 erfuhr das FA von der Umbestellung und änderte seinen Bescheid. Den Betrag von 6 605 DM forderte es zurück, weil es der Auffassung war, daß das gelieferte Fahrzeug nicht vor dem 1.Juli 1975 bestellt worden sei.
Bereits vor Bekanntgabe der Umbestellung hatte das FA im November 1979 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger angeordnet, die auch die Investitionszulage 1976 erfassen sollte. In dem auch dem Kläger zugesandten Bericht über diese Prüfung vom 5.Dezember 1979 ist die Investitionszulage aber nicht erwähnt.
Einspruch und Klage gegen den Rückforderungsbescheid des FA hatten keinen Erfolg.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den Bescheid über die Änderung der Investitionszulage nebst Festsetzung der Zinsen vom 18.Dezember 1980 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Finanzgericht (FG) entschieden, daß der Änderungsbescheid zur Investitionszulage 1976 zu Recht ergangen ist (§ 126 Abs.4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage für die Anschaffung des LKW stand dem Kläger nicht zu.
Das FG hat festgestellt, daß der Kläger nach Ablauf des in § 4b Abs.2 InvZulG vorgesehenen Zeitraums eine zulagerechtlich schädliche Umbestellung vorgenommen hat. Er hatte zunächst fristgerecht einen LKW Daimler-Benz des Typs 1619/52 ohne Aufbau bestellt und später seine Bestellung geändert, so daß am 30.März 1976 ein Fahrzeug des Typs 1626/48 mit Aufbau geliefert wurde. Das FG hat insoweit zutreffend die Grundsätze angewandt, die der Senat in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. Urteile vom 14.März 1980 III R 78/78, BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476, und vom 22.April 1982 III R 37/81, BFHE 136, 168, BStBl II 1982, 570 sowie III R 155/81, BFHE 136, 171, BStBl II 1982, 572; vgl. auch Beschluß des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 7.Februar 1984 1 StR 10/83, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1984, 1190).
2. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das FA der Änderung der Investitionszulagenfestsetzung zu Recht die Vorschriften der §§ 155 Abs.6 und 173 Abs.1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zugrunde gelegt. Im Zeitpunkt der Änderung (Bescheid vom 18.Dezember 1980) waren auf die Rückforderung der Investitionszulage die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO 1977 anzuwenden (vgl. § 8 InvZulG 1979 und Art.97 § 1, Art.98 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung --EGAO 1977--). Der Bescheid konnte daher nicht --wie das FG meint-- auf § 222 Abs.1 Nr.1 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützt werden.
3. Die Änderungssperre des § 173 Abs.2 AO 1977 greift im Streitfall nicht ein. Nach dieser Vorschrift können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt (§ 173 Abs.2 Satz 1 AO 1977); hat die Prüfung nicht zu einer Änderung geführt, so gilt die Änderungssperre auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977 ergangen ist (§ 173 Abs.2 Satz 2 AO 1977).
a) Die Außenprüfung beim Kläger im Dezember 1979 hat zu keiner Änderung der Investitionszulage geführt. Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG ist nach dieser Außenprüfung auch keine Mitteilung i.S. des § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977 ergangen. Der dem Kläger übersandte Prüfungsbericht kann nicht als eine solche Mitteilung gewertet werden, denn er erwähnt die noch in der Prüfungsanordnung vom 1.November1979 bezeichnete Investitionszulage 1976 nicht; selbst bei der Übersicht über die Steuerarten, die Gegenstand der Prüfung gewesen sind, fehlt ein Hinweis auf die Investitionszulage.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist in der Übersendung des Prüfungsberichts auch keine konkludente Mitteilung i.S. des § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977 zu sehen. Der Kläger folgert dies zu Unrecht aus dem Umstand, daß die Prüfungsanordnung vom 1.November 1979 die Investitionszulage 1976 mitumfaßt hatte; aus diesem Grunde soll nach seiner Ansicht davon auszugehen sein, daß die Investitionszulage Gegenstand der Prüfung gewesen ist.
Im Streitfall kann indessen die Frage dahinstehen, ob es im Anwendungsbereich des § 173 Abs.2 AO 1977 auf den Inhalt der Prüfungsanordnung ankommt (ablehnend Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.Juni 1989 VI R 31/86, BFHE 157, 377, BStBl II 1989, 909). Der erkennende Senat ist nämlich der Auffassung, daß die Änderungssperre des § 173 Abs.2 Satz 2 AO 1977 nur eingreift, wenn aufgrund der Außenprüfung entweder ein Bescheid oder eine förmliche Mitteilung nach § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977 ergangen ist. Dabei kann die Mitteilung in Form eines gesonderten Schreibens erfolgen (nach der Rechtsprechung des BFH ist die Mitteilung kein Verwaltungsakt; vgl. Urteil vom 29.April 1987 I R 118/83, BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168); sie ist aber auch als ausdrücklicher Hinweis in einem Prüfungsbericht möglich, der --wie im Streitfall-- zu Änderungen hinsichtlich anderer Steuern geführt hat. Das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung folgt schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (§ 173 Abs.2 Satz 2, § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977); es wird auch vom Regelungszweck bestätigt. Die Mitteilung nach § 202 Abs.1 Satz 3 AO 1977 hat ebenso wie der Prüfungsbericht (§ 202 Abs.1 Sätze 1 und 2 AO 1977) Dokumentations- und Protokollfunktion (vgl. Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 202 AO 1977 Anm.3 und 217 ff.). Dieser Funktion kann aus Gründen der Klarheit nur eine ausdrückliche Mitteilung gerecht werden. Die Vermutung oder Unterstellung eines sachlichen Prüfungsumfangs und die Annahme einer entsprechenden (konkludenten) Prüfungsmitteilung sind grundsätzlich ungeeignet, die Rechtssicherheit zu fördern. Unterläßt das FA eine derartige Mitteilung, so obliegt es dem Steuerpflichtigen, darauf hinzuwirken, daß diese nachgeholt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 62926 |
BFH/NV 1990, 25 |
BStBl II 1990, 283 |
BFHE 159, 120 |
BFHE 1990, 120 |
BB 1990, 986 |
BB 1990, 986-987 (LT) |
DB 1990, 720 (L) |
DStR 1990, 205 (KT) |
HFR 1990, 230 (LT) |
StE 1990, 105 (K) |
WPg 1990, 292 (S) |
StRK, R.13 (LT) |
StBp 1990, 94 (K) |