Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung von Mietvorteilen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Die Steuerbefreiung von Mietvorteilen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis gemäß § 3 Nr. 59 2. Halbsatz EStG ist auf Fälle beschränkt, in denen die Vorteile auf der Förderung nach dem II. WoBauG beruhen.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 59 Hs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Vorteile aus einer verbilligten mietweisen Wohnungsüberlassung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis nach § 3 Nr. 59 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 1999 und 2000 geltenden Fassung (EStG) steuerfrei sind.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger bezog in den Streitjahren aus seiner Anstellung als Bankkaufmann bei der X-Bank (X) in H Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Kläger lebten zunächst mit zwei Kindern der Klägerin aus erster Ehe und einem gemeinsamen Kind in einer 75 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung. Seit Dezember 1996 bewohnen sie das 1961 errichtete bankeigene Reihenhaus in K. Dieses verfügt über eine Wohnfläche von 103 qm. Sie zahlten eine die örtliche Marktmiete unterschreitende monatliche Kaltmiete von 947 DM und ab 1. Juni 1998 in Höhe von 902 DM. Der Kläger versteuerte Vorteile aus der verbilligten Überlassung der Wohnung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 225 DM (1996), 2 694 DM (1997), 2 752 DM (1998) und 2 793 DM (1999 und 2000). Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei X beanstandete der Prüfer, dass in den Streitjahren die Summe aus vereinbarter und als geldwerter Vorteil versteuerter Miete noch deutlicher unter der ortsüblichen Marktmiete lag. Er ermittelte deshalb zusätzlich zu versteuernde geldwerte Vorteile in Höhe von 1 155 DM (1999) bzw. 1 986 DM (2000). Für die Kalenderjahre 1996 bis 1998 ergab sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 584 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) änderte wegen dieses Sachverhalts die Einkommensteuerbescheide der Kläger für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Dabei nahm das FA für das Streitjahr 1999 eine Saldierung des nachzuversteuernden Betrags mit den Erstattungsansprüchen für die Jahre 1996 bis 1998 vor und erhöhte den Bruttoarbeitslohn lediglich um 571 DM.
Die Kläger legten gegen die Änderungsbescheide Einspruch mit der Begründung ein, die vom FA nachträglich als Arbeitslohn versteuerten Mietvorteile seien ebenso wie die vom Kläger bereits erklärten und versteuerten Vorteile nach § 3 Nr. 59 EStG steuerfrei.
Während des Einspruchsverfahrens drohte das FA eine Verböserung des Einkommensteuerbescheids 1999 gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 an. Es wies die Kläger darauf hin, dass die im Streitjahr 1999 vorgenommene Saldierung unzulässig und der geldwerte Vorteil in Höhe von 1 155 DM ungekürzt nachzuversteuern sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 5. November 2002 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 1999 entsprechend und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1597 veröffentlichten Gründen ab. Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 3 Nr. 59 EStG und einen Verfahrensfehler. Sie machen im Wesentlichen geltend: Nach ihrer Auffassung komme die Steuerbefreiung auch dann zur Anwendung, wenn die Wohnung bei einem Erwerb durch den Arbeitnehmer für eine Förderung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) in Betracht gekommen wäre. Das sei bei ihnen der Fall. Sie hätten, da sie auch die persönlichen Fördervoraussetzungen erfüllten, bei einem Kauf des Objekts zum Zeitpunkt ihres Einzugs eine entsprechende Förderung erhalten. Das FG habe nicht überprüft, ob sich aus R 23 a der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 2000 eine Selbstbindung der Verwaltung zur Gewährung der Steuerfreiheit ergeben könne. Soweit das FG das Vorliegen der persönlichen Fördervoraussetzungen bestreite, werde die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt. Das FG habe weder vor noch in der mündlichen Verhandlung auf die Bedeutung dieses Punktes hingewiesen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG und die geänderten Einkommensteuerbescheide aufzuheben und unter Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000 die Mietvorteile insgesamt steuerfrei zu belassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Mietvorteile des Klägers nicht nach § 3 Nr. 59 EStG steuerfrei sind.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen auch "andere Bezüge und Vorteile" aus dem Dienstverhältnis. Ein wirtschaftlicher Vorteil in diesem Sinn ist anzunehmen, soweit der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich oder, wie im Streitfall, verbilligt überlässt. Voraussetzung ist, dass der Vorteil durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Von diesen Voraussetzungen sind im Streitfall FA und FG stillschweigend ausgegangen. Die Kläger haben dagegen auch keine Einwendungen erhoben. Sie sind allerdings der Auffassung, dass der Mietvorteil gemäß § 3 Nr. 59 EStG steuerfrei zu behandeln ist. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
2. Nach § 3 Nr. 59 2. Halbsatz EStG sind neben der im 1. Halbsatz der Vorschrift erwähnten Zusatzförderung für die Mieten nach § 88e II. WoBauG bzw. § 51f des Wohnungsbaugesetzes für das Saarland (WoBauG Saarland) auch die Vorteile aus einer mietweisen Wohnungsüberlassung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis steuerfrei, soweit diese die Vorteile aus einer entsprechenden Förderung nach dem II. WoBauG nicht überschreiten.
a) § 3 Nr. 59 2. Halbsatz EStG regelt, wie sich aus der Systematik der Vorschrift ergibt, einen eigenen Befreiungstatbestand. Der Wortlaut der Vorschrift könnte darauf hindeuten, dass jegliche verbilligte Wohnungsüberlassung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis unabhängig von der staatlichen Wohnungsbauförderung steuerfrei ist, und lediglich bestimmte Höchstbeträge bestehen, die nach dem II. WoBauG zu errechnen sind (von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 3 Nr. 59 Rdnr. B 59/44). Ein solches Gesetzesverständnis liefe jedoch Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers zuwider.
aa) § 3 Nr. 59 EStG wurde durch Art. 7 des Wohnungsbauförderungsgesetzes 1994 (WoBauFG) vom 6. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1184, BStBl I 1994, 585) im Zusammenhang mit dem Modell der einkommensorientierten Wohnungsbauförderung nach § 88e i.V.m. § 88d II. WoBauG in das EStG eingeführt. Nach den veröffentlichten Gesetzesmaterialien (BTDrucks 12/6616, 31) sollte durch § 3 Nr. 59 2. Halbsatz EStG klargestellt werden, dass Mietvorteile aus der einkommensorientierten Förderung, sofern sie im Rahmen von Dienst- und Arbeitsverhältnissen erfolgt, in gleicher Weise steuerfrei sind wie in der allgemeinen Wohnungsbauförderung. Darüber hinaus sollte diese Rechtsfolge auf die übrigen Förderwege nach dem II. WoBauG bzw. WoBauG Saarland erstreckt werden. Dies zielte besonders auf Mietvorteile bei Werkswohnungen, wenn diese den entsprechenden Förderbedingungen unterworfen sind (BTDrucks 13/901, 128). Dem angesprochenen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung entspricht es, dass die Vorteile aus einer mietweisen Wohnungsüberlassung nur steuerfrei sind, soweit sie die Vorteile aus einer entsprechenden Förderung nach dem II. WoBauG nicht überschreiten (von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 59 Rdnr. 59/17). Im Ergebnis beabsichtigte der Gesetzgeber die Beschränkung der Steuerfreiheit von Mietvorteilen auf die Fälle, in denen die Vorteile auf der Förderung nach dem II. WoBauG beruhen. Dieses sollte durch die im Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. vom 27. März 1995 vorgesehene Änderung des § 3 Nr. 59 EStG klargestellt werden (BTDrucks 13/901, 128).
bb) Sinn und Zweck der Vorschrift verlangen deshalb eine Auslegung dahin gehend, dass nur die Mietvorteile im Rahmen eines Arbeitsvertrages steuerfrei sind, die auf einer Förderung nach dem II. WoBauG beruhen. In diesen Fällen ist wegen der gesetzlichen Mietpreisbindung der Mietvorteil nicht in erster Linie durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und deshalb in der Regel schon nicht steuerbar, was die Steuerbefreiungsvorschrift "klarstellend" zum Ausdruck bringen soll. Zwar sah der angesprochene Gesetzentwurf vom 27. März 1995 auch die Erweiterung der Steuerbefreiung auf Fälle vor, in denen Wohnungen ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln nach den Wohnungsbaugesetzen errichtet werden (BTDrucks 13/901, 4). Zu der geplanten Gesetzesänderung ist es jedoch auf Empfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags nicht gekommen (BTDrucks 13/1558, 153).
b) Nach diesen Grundsätzen kommt im Streitfall die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 59 EStG schon deshalb nicht in Betracht, weil die verbilligte Mietüberlassung nicht auf einer Förderung nach dem II. WoBauG beruhte.
c) Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf die weitergehende Verwaltungsanweisung zu § 3 Nr. 59 EStG berufen. Zwar sollen nach R 31 Abs. 5 a Satz 4 LStR 1999 bzw. R 23a Satz 4 LStR 2000 die Mietvorteile im Rahmen eines Dienstverhältnisses auch dann steuerfrei sein, wenn eine ohne Mittel aus öffentlichen Haushalten errichtete Wohnung im Zeitpunkt ihres Bezugs durch den Arbeitnehmer für eine Förderung mit Mitteln aus öffentlichen Haushalten in Betracht gekommen wäre. Dies hat jedoch, wie das FG zu Recht angenommen hat, die Errichtung der Wohnung durch den Arbeitgeber zur Voraussetzung. Im Übrigen soll nach R 31 Abs. 5 a Satz 8 LStR 1999 bzw. R 23a Satz 8 LStR 2000 § 3 Nr. 59 EStG auf Wohnungen, für die, wie hier, der (fiktive) Förderzeitraum bereits abgelaufen ist, keine Anwendung finden.
Da ihre Voraussetzungen im Streitfall schon nicht vorliegen, muss der Senat nicht entscheiden, ob die Verwaltungsanweisung eine zutreffende Auslegung des Gesetzes beinhaltet.
3. Der Senat kann die Frage, ob das FG § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt hat, offen lassen. Gemäß § 126 Abs. 4 FGO ist die Revision auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts ergeben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die Vorschrift ist auch anzuwenden, wenn das FG-Urteil wegen eines Verfahrensfehlers mangelhaft ist, sich aber mit anderer, von dem Verfahrensmangel unabhängigen Begründung rechtfertigen lässt (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. August 1990 V R 134/85, BFHE 161, 252, BStBl II 1990, 1098; vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028). Wie sich aus den Ausführungen zu II. 1. bis 2. ergibt, ist das FG-Urteil im Ergebnis zutreffend, ohne dass es auf die Frage, ob der Kläger die persönlichen Fördervoraussetzungen erfüllte, ankommt.
Fundstellen
Haufe-Index 1335719 |
BFH/NV 2005, 781 |
BStBl II 2005, 750 |
BFHE 2005, 217 |
BFHE 209, 217 |
BB 2005, 930 |
DB 2005, 982 |
DStRE 2005, 623 |
DStZ 2005, 285 |
HFR 2005, 521 |