Leitsatz (amtlich)
Die der Durchlüftung lagernden Getreides dienenden Kühlkanäle, die lose an ein Kühlgerät angeschlossen werden, sind einer selbständigen Nutzung i.S. des § 6 Abs.2 EStG 1977 nicht fähig.
Orientierungssatz
Ausführungen und BFH-Rechtsprechung zur selbständigen Nutzungsfähigkeit von Wirtschaftsgütern i.S. des § 6 Abs. 2 EStG.
Normenkette
EStG 1977 § 6 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine eingetragene Genossenschaft-- betreibt ländliche Warengeschäfte. Sie verfügt über Einrichtungen zur Aufnahme und Aufbereitung von Getreide, das ihre Mitglieder liefern. Das Getreide wird in einer Halle gelagert. Die Lagerhalle ist durch Trennwände in einzelne Lagerhallenabschnitte --Boxen genannt-- aufgeteilt. Jede dieser Boxen hat ein eigenes Tor. In der dem jeweiligen Tor gegenüberliegenden Wand befindet sich eine Öffnung.
Um die Keimqualität und die Gesundheit des lagernden Getreides zu erhalten, benutzt die Klägerin zwei Kühlgeräte, die bei Bedarf jeweils vor einer Boxenöffnung einzeln aufgestellt werden. Die Kühlgeräte werden --wenn Getreide gekühlt werden soll-- mit Kühlkanälen verbunden, die innen in der Box auf dem Fußboden verlegt werden. Der einzelne Kühlkanal hat die Form eines Halbrohres, das unten geöffnet ist. Er besteht aus gewelltem und gelochtem Blech und ist etwa einen Meter lang. Die Kühlkanäle sind genormt und von unterschiedlicher Art und haben je --nach Typ-- etwa 32 000 oder 86 000 Löcher. Je nach der Befüllung der einzelnen Boxen mit Getreide werden die für die Belüftung erforderlichen Kühlkanäle aneinandergereiht. Sie werden dabei lose ohne Verschraubung durch Überlappen einer der Blechrippen zusammengefügt. Das Endstück des letzten Kühlkanals wird nicht verschlossen. Der unmittelbar an der Öffnung der Box befindliche Kühlkanal wird mit dem außenstehenden Kühlgerät lose verbunden. Die von dem Kühlgerät produzierte kalte Luft wird in die Kühlkanäle geblasen. Durch die Vielzahl der Löcher der Kühlkanäle dringt die Kälte in das darüberliegende Getreide ein. Der Kühlprozeß für eine mit Getreide gefüllte Box dauert höchstens eine Woche. Ist eine Kühlung nicht erforderlich, werden die einzelnen Kühlkanäle aufeinandergestapelt gelagert.
Die für eine Box erforderlichen Kühlkanäle --hintereinandergereiht von Hallenwand zu Hallenwand-- haben insgesamt einen unter 800 DM liegenden Anschaffungspreis. Der Anschaffungspreis zuzüglich Kühlgerät liegt über 800 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat die Ansicht vertreten, die im Streitjahr 1978 für 7 097 DM angeschafften Kühlkanäle stellten zusammen mit den Kühlgeräten eine Einheit dar und seien nicht selbständig nutzungsfähig. Er hat lediglich eine Abschreibung von 1 419 DM (20 v.H. der Anschaffungskosten) berücksichtigt, so daß das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen nicht um weitere 5 678 DM vermindert wurde.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) wendet sich die Klägerin mit der vom FG zugelassenen Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. Das einzelne Kühlgerät und die Kühlkanäle bildeten kein einheitliches Ganzes.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach der für das Streitjahr 1978 geltenden Fassung des § 6 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977 --beruhend auf Art.9 Nr.2 und Art.102 Abs.1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14.Dezember 1976 --EGAO 1977-- (BGBl I, 3341, BStBl I, 694)-- können Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten --vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag-- für das einzelne Wirtschaftsgut 800 DM nicht übersteigen. Der Begriff der selbständigen Nutzungsfähigkeit des Wirtschaftsguts hat in § 6 Abs.2 Satz 2 und 3 EStG 1977 eine negative gesetzliche Umschreibung erhalten: Ein Wirtschaftsgut ist einer selbständigen Nutzung nicht fähig, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden kann und die in den Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind. Das gilt auch, wenn das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann.
Bei den im Streitjahr 1978 von der Klägerin angeschafften Kühlkanälen besteht kein Streit, daß jedes einzelne, etwa einen Meter lange Kanalstück zu den beweglichen, selbständig bewertbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens der Klägerin gehört und die Anschaffungskosten 800 DM nicht übersteigen. Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, ob das Erfordernis der selbständigen Nutzungsfähigkeit der einzelnen Kühlkanäle erfüllt ist. Diese Frage hat das FG zutreffend verneint.
Bei den Kühlkanälen handelt es sich um eine Vielzahl einzelner Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens, die aneinandergereiht und an ein Kühlgerät angeschlossen werden, um so ihre Funktion des Getreidekühlens zu erfüllen; die Kühlkanäle können vom Kühlgerät und auch voneinander wieder getrennt werden. Sie können je nach Bedarf miteinander und --da die Klägerin mehrere Kühlgeräte besitzt-- mit einem beliebigen der mehreren Kühlgeräte verbunden werden. Die selbständige Nutzungsfähigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter muß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.Dezember 1958 I 286/56 S (BFHE 68, 198, BStBl III 1959, 77) verneint werden, wenn sie in dem betreffenden Betrieb zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern ein einheitliches Ganzes bilden. Es genügt allerdings nicht und führt nicht zur Versagung der Abschreibungsfreiheit, wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter in eine größere Einheit, z.B. in eine Fabrikanlage eingeordnet sind und in diesem Zusammenhang eine dienende Funktion ausüben (BFH-Urteil vom 28.März 1973 I R 105/71, BFHE 109, 323, BStBl II 1974, 2). Nach dieser Rechtsprechung wird sich das der Abschreibungsfreiheit entgegenstehende Merkmal des einheitlichen Ganzen in vielen Fällen aus der betrieblich bedingten Art und Dauer der Verbindung und der Abstimmung der verbundenen Wirtschaftsgüter aufeinander ergeben. Die Festigkeit der Verbindung, ihre technische Gestaltung und ihre Dauer können im einzelnen von Bedeutung sein. Diese Merkmale sind aber nicht immer entscheidend. Hingewiesen wird in der Entscheidung in BFHE 68, 198, BStBl III 1959, 77 auf die in der Bauwirtschaft verwendeten Gerüstteile, die in der Regel aufeinander abgestimmt, aber einzeln keiner selbständigen Nutzung fähig sind, obwohl sie nach Erfüllung eines zeitlich begrenzten Zwecks voneinander getrennt und in anderer Form verbunden werden. Diese einzelnen Teile treten nach außen als einheitliches Ganzes in Erscheinung und sind im Betrieb nur in dieser Verbindung nutzbar.
Nach diesen Grundsätzen sind die von der Klägerin verwendeten Kühlkanäle nicht einer selbständigen Nutzung fähig. Das sind sie jeweils nur in ihrer Verbindung untereinander und in ihrem Anschluß an ein Kühlgerät. Eine andere Form der Nutzung als in ihrer Verbindung mit einem Kühlgerät ist nicht vorgesehen. Die technische Gestaltung --der Transport der im Kühlgerät produzierten Kaltluft in das lagernde Getreide-- ist auf die Verwendung von Kühlgerät und Kühlkanälen abgestellt. In dieser Verbindung bilden Kühlgerät und Kühlkanäle ein einheitliches Ganzes.
Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin mehrere Kühlgeräte --wohl gleichen Typs-- besitzt und die einzelnen Kühlkanäle an jedes dieser Geräte angeschlossen werden können. Nach § 6 Abs.2 Satz 3 EStG 1977 wird die selbständige wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit eines Wirtschaftsguts nicht schon dadurch begründet, daß es aus dem einen betrieblichen Zusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann.
Es kann auch nicht, wie die Klägerin meint, darauf abgestellt werden, daß Kühlkanäle und Kühlgeräte eine unterschiedliche Funktion haben, nämlich die Kühlkanäle, Kälte zu verteilen, und die Kühlgeräte, Kälte zu produzieren. Beide Funktionen dienen in ihrem Zusammenwirken dem vorausgesetzten Zweck, Kälte dem über den Kanälen aufgehäuften Getreide zuzuführen, um --wie das FG festgestellt hat-- die Keimqualität und Gesundheit des Getreides zu erhalten.
Die selbständige Nutzungsfähigkeit der einzelnen Kühlkanäle wird auch nicht dadurch begründet, daß sie bei ihrer Verlegung nur lose und ohne Verschraubung --durch Überlappen einer der Blechrippen-- zusammengefügt werden. Das einheitliche Ganze zwischen Kühlgerät und Kühlkanälen wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß beim Kühlvorgang das Kühlgerät außerhalb der Halle bleibt und die angeschlossenen Kühlkanäle in einer der in der Halle befindlichen Boxen verlegt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 60800 |
BStBl II 1988, 126 |
BFHE 143, 569 |
BFHE 1985, 569 |
BB 1985, 1585-1586 (ST) |
DB 1985, 1974-1984 (ST) |
HFR 1985, 511-512 (ST) |
WPg 1988, 210-210 |
FR 1985, 536-537 (ST) |
Information StW 1985, 448-448 (ST) |