Entscheidungsstichwort (Thema)
Bilanzielle Behandlung vereinnahmter Optionsprämien
Leitsatz (amtlich)
Für die Verpflichtung des Veräußerers einer Option (Stillhalter), auf Verlangen des Optionsberechtigten innerhalb der Optionsfrist den Optionsgegenstand zu verkaufen oder zu kaufen (Call/Put-Option), ist eine Verbindlichkeit in Höhe der dafür vereinnahmten Prämie auszuweisen; die Verbindlickeit ist erst bei Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1; EStG § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 Nr. 2, Abs. 6; HGB § 240 Abs. 2, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 253 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist die bilanzsteuerliche Behandlung vereinnahmter Optionsprämien.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Bank. Im Rahmen ihres Bankgeschäfts führte sie (nach den Bedingungen der deutschen Terminbörse ―DTB―) Optionsgeschäfte durch. Als Veräußerin einer Option (Stillhalterin) verpflichtete sie sich gegenüber den Käufern einer Option, bestimmte Optionsgegenstände (Aktien, Obligationen, sonstige Wertpapiere) während eines bestimmten Zeitraumes (amerikanischer Typ) oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäischer Typ) zu im Voraus festgelegten Konditionen zu verkaufen (Call) bzw. zu kaufen (Put). Dafür erhielt die Klägerin beim Abschluss des Optionsgeschäfts eine Optionsprämie. Die Prämie wurde (auch der Höhe nach) unabhängig davon gewährt, ob die Option ausgeübt wird; sie verblieb der Klägerin in jedem Falle.
Der Käufer einer Kaufoption (Call) erwarb das Recht, während der Optionslaufzeit oder zum vorgesehenen Zeitpunkt vom Stillhalter den Optionsgegenstand zu dem vereinbarten Basispreis zu erwerben. Von diesem Recht machte er im Regelfall Gebrauch, wenn der Kurs des Optionsgegenstandes während der Laufzeit stieg. Der Stillhalter musste seinerseits während der Optionszeit diesem Verlangen entsprechen und hatte daher den Optionsgegenstand grundsätzlich vorzuhalten. Zur Absicherung seiner Verpflichtung leistete er u.U. Sicherheit. Der Käufer einer Verkaufsoption (Put) erwarb demgegenüber das Recht, während der Laufzeit der Option den Optionsgegenstand jederzeit an den Stillhalter zu verkaufen. Dies tat er im Regelfall bei fallendem Kurs. Dann musste der Stillhalter den Optionsgegenstand zum vereinbarten Basispreis abnehmen (vgl. dazu im Einzelnen Urteile des Bundesgerichtshofs ―BGH―vom 16. Februar 1981 II ZR 179/80, BGHZ 80, 80; vom 22. Oktober 1984 II ZR 262/83, BGHZ 92, 317; Gabler, Wirtschaftslexikon, 15. Aufl., "Optionsgeschäft").
Das Optionsrecht des Käufers erlosch mit Erfüllung oder Verfall nach Ablauf der Optionszeit oder des vorgesehenen Zeitpunkts. Die Erfüllung erfolgte in aller Regel im Wege einer so genannten "Glattstellung" durch Abschluss eines entsprechenden Gegengeschäfts zu inhaltsgleichen Konditionen. Der Verkäufer der Option hatte dann eine bestehende Differenz zwischen Basispreis und Kurs auszugleichen. Wurde die Option ausgeübt, wurde die Prämie als zusätzlicher Verkaufserlös des Optionsgegenstandes erfasst oder als Minderung der Anschaffungskosten behandelt.
Soweit die Optionen am jeweiligen Bilanzstichtag weder ausgeübt noch verfallen waren, behandelte die Klägerin die Optionsprämien in den in der Revision streitigen Jahren 1991 bis 1992 durch Passivierung einer Verbindlichkeit, im Jahr 1993 durch Ausweis einer Rückstellung in Höhe der jeweils vereinnahmten Beträge erfolgsneutral.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) behandelte die Optionsprämien hingegen mit Zufluss als erfolgswirksam. Auf der Grundlage einer sich daraus ergebenden Gewinnerhöhung für 1991 von 3 589 944 DM und für 1992 von 3 585 808 DM (und einer Gewinnminderung für 1993 von 453 004 DM) setzte er die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag der Klägerin für diese Jahre fest. Rückstellungen für drohende Verluste oder Rechnungsabgrenzungsposten bildete er nicht.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe die Vereinnahmung der streitigen Optionsprämien zu Unrecht erfolgswirksam behandelt. Auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 559 abgedruckten Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Mit seiner (auf die Streitjahre 1991 und 1992 begrenzten) Revision rügt das FA Verletzung von § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Ausweis einer Verbindlichkeit sei bilanzrechtlich unzutreffend. Vielmehr sei das Risiko der Klägerin, aus den Optionsgeschäften einen Verlust zu erleiden, im Rahmen einer Rückstellung für drohende Verluste zu berücksichtigen. Deren Höhe sei mit 80 % der erhaltenen Optionsprämien zu schätzen.
Das FA beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung, soweit dort der Gewinn der Klägerin ―vor Berücksichtigung der Veränderungen durch die Gewerbesteuer― für 1991 um mehr als 2 871 955 DM und für 1992 um mehr als 2 868 646 DM vermindert worden ist, und die Klage abzuweisen, soweit sie über den gewinnmindernden Ansatz von 80 % der passivierten Optionsprämien hinausgeht.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zu Recht hat das FG die von der Klägerin für laufende Optionen vereinnahmten Prämien in voller Höhe erfolgsneutral behandelt. In Höhe der Prämien sind Verbindlichkeiten auszuweisen, die erst bei Ausübung oder Verfall der Option (erfolgswirksam) auszubuchen sind.
1. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich u.a. aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).
Gemäß § 240 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann in seiner Bilanz für den Schluss eines Geschäftsjahres u.a. seine Verbindlichkeiten (Schulden) vollständig auszuweisen. Verbindlichkeiten folgen aus dem Anspruch eines Gläubigers auf ein bestimmtes Handeln (§ 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―); sie verkörpern damit eine dem Inhalt und der Höhe nach bestimmte Leistungspflicht, die erzwingbar ist und zudem eine wirtschaftliche Belastung darstellt (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. Februar 1999 IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139; vom 6. April 2000 IV R 31/99, BFH/NV 2000, 1161). Der Begriff der Verbindlichkeit ist nicht auf eine Zahlungsverpflichtung beschränkt. Gegenstand von Verbindlichkeiten können vielmehr Leistungen aller Art sein.
2. Durch den Abschluss der streitigen Optionsverträge wurden Verbindlichkeiten der Klägerin begründet.
a) Der Erwerber einer Put/Call-Option wie im Streitfall erwirbt das Recht, vom Stillhalter jederzeit während der Laufzeit der Option (amerikanische Variante) oder zum vorgegebenen Zeitpunkt (europäische Variante) die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Wertpapiere oder Rechte zum vereinbarten Preis zu kaufen oder an ihn zu verkaufen (BFH-Urteile vom 28. November 1984 I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264; vom 28. November 1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; vgl. auch BGH-Urteile in BGHZ 80, 80; in BGHZ 92, 317). Dem entspricht die Verpflichtung des Stillhalters, die Ausübung der Option zu dulden und sich zur Erfüllung der Leistungs- oder Abnahmepflichten bezüglich des Gegenstandes der Option bereitzuhalten. Diese Bindung an sein Vertragsangebot nimmt dem Stillhalter die Befugnis im Rechtssinne, über den Optionsgegenstand ―im Falle einer Verkaufsoption gleichsam "negativ"― zu verfügen. Umgekehrt ermöglicht sie dem Optionsnehmer, für eine bestimmte Zeit Kursänderungen oder sonst bedeutsame Umstände zu Lasten des Stillhalters auszunutzen und so auf dessen Kosten zu spekulieren.
Mit dem dargestellten Inhalt bedeutet das Stillhalten durch den Optionsverkäufer eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem etwa nachfolgenden Effektengeschäft zu beurteilen ist. Es handelt sich entgegen der Ansicht des FA und des BMF nicht um eine Neben-, sondern um die eigentliche Hauptleistung des Verkäufers aus dem Optionsvertrag (so auch Herzig/Briesemeister, Der Betrieb ―DB― 2002, 1570, 1574), die inhaltlich spiegelbildlich dem Optionsrecht des Optionsnehmers entspricht. Das vom Optionsverkäufer hierfür bezogene Entgelt dient seiner Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht (BFH-Urteil in BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300). Es wird neben anderen Einflussgrößen auch durch die Optionslaufzeit und damit die Bindungsdauer des Stillhalters bestimmt (vgl. auch Gabler, a.a.O., "Optionsgeschäfts"), die auf der anderen Seite wiederum den Zeitwert des Optionsrecht des Inhabers als marktrelevante Größe beeinflusst.
b) Die Erfüllung der Verpflichtung des Stillhalters ist auch erzwingbar. Unabhängig davon, dass dafür u.U. Sicherheiten zu leisten sind, besteht für den Optionsinhaber die Möglichkeit, den Stillhalter auf Abschluss des Effektengeschäfts zu verklagen (vgl. § 894 Abs. 1 der Zivilprozessordnung ―ZPO―), bei Gefährdung seines Optionsrechts u.U. auch eine entsprechende einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) zu erwirken oder ggf. Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Im letzteren Falle hat der Optionsinhaber über die Rückzahlung des Optionsentgelts hinaus Anspruch auf Erfüllung seines positiven Interesses, d.h. so gestellt zu werden, als ob die Option erfüllt worden wäre. Von einem durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung des Optionsgeschäfts geht auch § 104 Abs. 2 der Insolvenzordung (InsO) aus, wo bestimmt ist, dass lediglich im Falle der Insolvenz des Stillhalters vor Optionsausübung statt Erfüllung eine Forderung des Optionsberechtigten wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden kann.
3. a) Aus ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Inhalt folgt bereits, dass die Verpflichtung des Stillhalters aus dem Optionsgeschäft entgegen der Ansicht des FA und des BMF nicht bereits mit oder in Folge des Abschlusses des Optionsvertrages erfüllt wird. Der Optionsvertrag ist lediglich schuldrechtlicher Natur. Gleiches gilt für den dem Optionsberechtigten im Optionsvertrag eingeräumten Anspruch auf "Stillhalten" des Optionsveräußerers und ggf. Abschluss eines Kaufvertrages. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass das eingeräumte Optionsrecht als solches veräußerbar ist. Als Forderung des Optionsberechtigten, verbunden mit einer Gewinnchance, kann es Gegenstand von Abtretungen sein und gehandelt werden.
Einen Veräußerungs- oder veräußerungsähnlichen Vorgang begründet der Optionsvertrag hingegen nicht (BFH-Urteile in BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264; in BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300). Durch ihn wird ―unabhängig davon, ob die Option später ausgeübt wird oder nicht― ein Vermögenswert weder veräußert noch in seiner Substanz gemindert. Dies zeigt sich insbesondere im Falle einer Verkaufsoption, gilt aber gleichermaßen für eine Kaufoption. Die jeweils bestehenden Rechte am Optionsgegenstand bleiben bis zur Ausübung der Option bestehen, auch der Wert des Optionsgegenstandes selbst wird durch die Einräumung des Optionsrechts nicht berührt (BFH-Urteil in BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264; in BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300).
Im Übrigen ist der Veräußerer einer (Kauf-)Option zwar aus Rechtsgründen, nicht aber faktisch gehindert, über den Optionsgegenstand ein weiteres Optionsgeschäft abzuschließen und zu verfügen.
b) Letztlich spricht auch eine zivilrechtliche Trennung des (durchgeführten) Optionsgeschäfts in den Optionsvertrag zur Einräumung des Optionsrechts einerseits und das dann folgende Übertragungsgeschäft hinsichtlich des Optionsgegenstandes (sog. "Zweivertragstheorie", vgl. BFH-Urteil in BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; anders wohl BGH-Urteil in BGHZ 92, 317, obwohl auch dort von einer Abwicklung des Optionsgeschäfts in zwei Teilakten ausgegangen wird) entgegen der Auffassung des FA und des BMF nicht für eine Erfüllung des Optionsvertrages als erstem Teilakt bereits mit oder in Folge seines Abschlusses (vgl. dazu Oberfinanzdirektion ―OFD― Köln, Verfügung vom 11. März 1997 S 2143 -18- St 112, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1997, 1084; a.A. Herzig/Briesemeister, DB 2002, 1570, 1576). Gesetzlichen und vertraglichen Schuldverhältnissen ist regelmäßig eigen, dass sie erst durch die vollständige Erbringung der geschuldeten Leistung (vorliegend die Stillhalteleistung) und/ oder ein weiteres abstraktes (meist sachenrechtliches) Rechtsgeschäft erfüllt werden (vgl. dazu auch Schumacher, DStR 1997, 1236).
c) Die Verpflichtung des Stillhalters, die Ausübung der Option zu ermöglichen und zu dulden, entfällt somit erst mit der Ausübung oder dem Verfall der Option. Zuvor hat er seine Verpflichtung nicht (vollständig) erfüllt. Deren Ausweis wird daher vom Gebot vollständiger Bilanzierung (§ 246 Abs. 1 HGB) gefordert.
4. Die Verbindlichkeit des Stillhalters ist auch nicht zeitlich oder periodisch aufteilbar. Zwar ist die Stillhalteleistung laufzeitbezogen. Der Umfang der Leistungsverpflichtung selbst bleibt aber während der gesamten Laufzeit der Option unverändert. Andererseits besteht auch keine qualitativ gleich bleibende Dauerverpflichtung (BFH-Urteile vom 20. Mai 1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904; vom 10. September 1998 IV R 80/96, BFHE 186, 429, BStBl II 1999, 21), die einem "Wertverzehr" unterliegen könnte. Der Stillhalter schuldet vielmehr auf Verlangen des Optionsberechtigten einen einmaligen bestimmten Erfolg. Damit scheidet auch eine passive Rechnungsabgrenzung gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG aus (vgl. Adler/ Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 246 HGB Anm. 373; Förschle in Beck’scher Bilanzkommentar, 4. Aufl., § 246 HGB Anm. 101; Jutz in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Bd. I a, 1995, Kapitel I Anm. 807; Windmöller/Breker, Die Wirtschaftsprüfung ―WPg― 1995, 389, 395 f.; Treuberg/Scharpf, DB 1991, 661, 665; Günkel, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht ―JbFAStR― 1988/1989, 218, 223; Kupka/Süß, Finanz-Rundschau ―FR― 2002, 438, 444; a.A. Häuselmann, DB 1987, 1745, 1748).
5. Eine zunächst erfolgsneutrale Vereinnahmung der zugeflossenen Prämien für die Put/Call-Optionen entspricht auch dem Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB (vgl. auch Herzig/ Briesemeister, DB 2002, 1570, 1577). Danach sind Gewinne (Erträge) nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Zwar ist die Optionsprämie unabhängig von der Ausübung der Option nicht zurückzugewähren. Dennoch ist der mit ihr verbundene Ertrag nicht realisiert, solange die entgoltene Leistung selbst noch nicht erbracht ist (vgl. auch Treuberg/ Scharpf, a.a.O.; Günkel, a.a.O., 221 f.). Eine Realisierung des Gewinns (Ertrags) tritt ein, wenn der Verpflichtete den Vertrag "wirtschaftlich erfüllt" hat (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1982 VIII R 53/81, BFHE 137, 339, 342, BStBl II 1983, 303). Das setzt voraus, dass die vereinbarte Leistung oder Lieferung erbracht ist (BFH-Urteile vom 27. Februar 1986 IV R 52/83, BFHE 146, 383, BStBl II 1986, 552; vom 29. April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797). Dies ist im Zeitpunkt des Zuflusses der Prämien noch nicht der Fall.
6. Schließlich stehen dem Ausweis der Stillhalteverpflichtung der Klägerin nicht die Grundsätze der Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen. Zwar werden Ansprüche und Verbindlichkeiten aus fortbestehenden schwebenden Geschäften nicht bilanziert. Eine Passivierung erfolgt (in den Streitjahren auch in der Steuerbilanz) lediglich im Falle drohender Verluste oder bei Vorliegen sogenannter Erfüllungsrückstände (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu etwa BFH-Urteile vom 26. Mai 1976 I R 80/74, BFHE 119, 261, BStBl II 1976, 622; vom 2. Oktober 1997 IV R 82/96, BFHE 184, 422, BStBl II 1998, 205). Dieses Passivierungsverbot endet jedoch mit dem Schwebezustand des gegenseitigen Geschäfts. Der Schwebezustand des zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Optionsberechtigten begründeten Schuldverhältnisses betreffend die Einräumung und Gewährleistung des Optionsrechts ist ―unabhängig davon, ob die Option nachfolgend in Form eines weiteren Rechtsgeschäfts ausgeübt wird― beendet, nachdem der Erwerber der Option seine Gegenleistung in Form der Optionsprämie erbracht hat. Diese Prämie stellt keine Anzahlung i.S. des § 266 Abs. 3 Abschn. C. 3. HGB auf ein künftig zu erbringendes Entgelt dar, die bei Nichterfüllung der Leistungsverpflichtung zurückzugewähren wäre. Vielmehr führt die Leistung der Prämie, da sie dem Stillhalter in jedem Falle verbleibt, zur endgültigen Erfüllung der (Zahlungs-)Verpflichtung des Optionsberechtigten. Lediglich die Sach- oder Dienstleistung (in Form des Stillhaltens) des Optionsverpflichteten als anderem Vertragspartner steht noch aus; dementsprechend ist eine Verbindlichkeit zu passivieren. Zwar hat der BFH verschiedentlich entschieden, dass ein schwebendes Geschäft (fort-) besteht, wenn es hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungspflicht noch nicht voll erfüllt ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89; vom 3. Februar 1993 I R 37/91, BFHE 170, 247, BStBl II 1993, 441). Diese Aussage kann jedoch nur auf den Regelfall bezogen werden, in dem der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichtete Vertragspartner zumindest Zug um Zug (§ 274 Abs. 1 BGB) vorzuleisten hat. So betrachtet ist sie daher als Ausdruck eines "regelmäßig" geltenden Grundsatzes zu verstehen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 I R 11/00, BFH/NV 2001, 1488), der indes nicht gelten kann, wenn der zur Geldleistung Verpflichtete ausnahmsweise vorzuleisten hatte. Dann stehen sich nicht mehr Verpflichtungen zur Leistung und Gegenleistung ―wie für die Annahme eines schwebenden Geschäfts mit der Folge der Nichtbilanzierung erforderlich― ausgleichend gegenüber (so im Ergebnis auch Herzig/Briesemeister, DB 2002, 1570, 1578, die zwar von einem Fortbestehen des Schwebezustandes des Schuldverhältnisses ausgehen, dennoch aber die Neutralisierung der zugeflossenen Optionsprämie durch den Ausweis einer sonstigen Verbindlichkeit fordern). Auch bei einem auf den gegenseitigen Austausch von Sach- oder Dienstleistungen gerichteten Schuldverhältnis ist der Schwebezustand nach einseitiger Erfüllung beendet, obgleich eine der Sach- oder Dienstleistungen noch nicht erbracht ist.
7. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist mit Abschluss des jeweiligen Put/Call-Optionsgeschäfts eine Verpflichtung des Veräußerers zu passivieren; diese Verpflichtung ist erst mit Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen (vgl. Bankenfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Stellungnahme 2/1995 "Bilanzierung von Optionsgeschäften", WPg 1995, 421, 422; Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O.; Förschle in Beck’scher Bilanzkommentar, a.a.O.; Clemm/Erle, ebendort, § 249 HGB Anm. 100 "Optionsgeschäfte"; Jutz in Küting/Weber, a.a.O.; Schumacher, a.a.O., 1237; Windmöller/Breker, a.a.O., 395; Hossfeld, DB 1997, 1241, 1244; Günkel, a.a.O., 224; Kupka/Süß, a.a.O.; für den Ausweis als Anzahlung Dreißig, BB 1989, 1514, 1515, 1517; für die Passivierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten Treuberg/Scharpf, a.a.O). Dieser Ausweis einer Verbindlichkeit des Optionsverpflichteten steht im Einklang mit der ―auch nach Meinung des FA und des BMF zutreffenden― Klassifizierung des Optionsrechts des Käufers als aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut.
8. Die Bewertung der auszuweisenden Verpflichtung hat gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 EStG mit den Anschaffungskosten oder einem höheren Teilwert zu erfolgen. Steht die Entstehung einer Verbindlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Zufluss eines Ertrages, wird der den Anschaffungs"kosten" entsprechende Wert durch den Anschaffungs"ertrag" bestimmt. Dieser entspricht vorliegend den jeweils vereinnahmten Optionsprämien. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB, wonach die Bewertung einer Verbindlichkeit mit dem Rückzahlungsbetrag zu erfolgen hat, tritt neben den Bewertungsvorschriften des EStG zurück (steuerlicher Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 EStG).
Ein die Höhe der Optionsprämie übersteigendes Risiko aus einer späteren Ausübung der Optionen ("Risikoüberhang"), das möglicherweise zu einem höheren Teilwert der Verbindlichkeit führen oder in Form einer zusätzlichen Rückstellung für drohende Verluste berücksichtigt werden könnte (vgl. dazu etwa Rau, BB 2002, 928, 932), liegt nach den Feststellungen des FG und auch zwischen den Beteiligten unstreitig nicht vor. Die dahin gehende Verfahrensrüge (Rüge mangelnder Sachaufklärung ―§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO―) des FA geht somit ins Leere.
Fundstellen
Haufe-Index 921343 |
BFH/NV 2003, 702 |
BStBl II 2004, 126 |
BFHE 2003, 234 |
BFHE 201, 234 |
BB 2003, 1006 |
BB 2003, 890 |
DB 2003, 855 |
DB 2005, 14 |
DStR 2003, 678 |
DStRE 2003, 640 |
DStZ 2003, 350 |
HFR 2003, 551 |