Leitsatz (amtlich)
1. Unterliegen im Ausland steuerbefreite Einkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Zwischeneinkünfte der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs.1 AStG, so ist die Besteuerung nicht allein deshalb sachlich unbillig i.S. des § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977, weil durch die Hinzurechnungsbesteuerung gezielte ausländische Steuervergünstigungen neutralisiert werden.
2. Die Pauschalierungsvorschrift des § 34c Abs.5 EStG ist auf die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Zwischeneinkünfte nicht anwendbar.
Orientierungssatz
1. In allen seinen Regelungen setzt § 34c EStG voraus, daß der Steuerpflichtige mit seinen ausländischen Einkünften als Steuerschuldner einer ausländischen Besteuerung unterworfen wurde und mit denselben Einkünften auch der Besteuerung im Inland unterliegt.
2. Für Erlaßanträge oder Pauschalierungsanträge nach § 9 Abs. 4 VStG sind nicht die Finanzämter, sondern nur die obersten Finanzbehörden der Länder entscheidungsbefugt (vgl. BFH-Urteil vom 9.12.1987 II R 212/82).
3. Eine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 163 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist gegeben, wenn die rechtliche Aussage des Steuergesetzes über den mit ihm verfolgten Zweck und seine Wertungen hinausgeht (vgl. BFH-Urteil vom 7.5.1981 VII R 64/79).
4. Ermessensentscheidungen der Verwaltung müssen begründet werden. Die bei Ausübung des Ermessens angestellten Erwägungen, die Abwägung des Für und Wider der sich gegenüberstehenden Belange müssen aus der Entscheidung erkennbar sein (vgl. Rechtsprechung: BVerwG, BFH).
Normenkette
AO 1977 § 163 Abs. 1 S. 1; EStG § 34c Abs. 5; AStG § 7 Abs. 1, §§ 8, 12; AO 1977 §§ 5, 121; VStG § 9 Abs. 4
Tatbestand
I. Streitig ist, ob vom Ansatz eines Hinzurechnungsbetrages nach § 10 des Außensteuergesetzes (AStG) aus Billigkeitsgründen abgesehen werden kann.
1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG, zu deren Unternehmensgruppe (Gruppe) die A-AG (Beigeladene zu 1) und die B-AG (Beigeladene zu 2) gehörten.
Unternehmen der Gruppe erwarben in den Jahren vor 1960 alle Aktien der brasilianischen C S.A. (C), einem Produktionsunternehmen. Da C bei diesen Beteiligungsverhältnissen als ausländisch beherrschte Gesellschaft von nationalen brasilianischen Kreditaktionen ausgeschlossen war, gründete die Gruppe im April 1960 eine brasilianische Holdinggesellschaft (Holding), auf die die C-Aktien übertragen wurden. An der Holding waren die Klägerin mit 28,28 %, die Beigeladene zu 1 mit 58,94 % und die Beigeladene zu 2 mit 12,46 % beteiligt.
Die laufenden Geschäfte der Holding, die weder Personal noch Geschäftsräume besaß, wurden von Angestellten der C wahrgenommen. Die Holding nahm am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht teil.
Im Jahre 1961 erwarb die Holding ein an das Betriebsgelände der C angrenzendes Grundstück. Die erforderlichen Mittel wurden der Holding von der Gruppe zur Verfügung gestellt. Die Holding verpachtete das Grundstück zu Lagerzwecken an die C. Im Oktober 1973 brachte die Holding das Grundstück mit einem damaligen Verkehrswert von ca. 1 Mio DM in die C ein gegen junge Aktien in Höhe von umgerechnet ca. 6 Mio DM.
Der dabei erzielte Veräußerungsgewinn war laut brasilianischem Gesetzesdekret Nr.1 260 steuerfrei. Das Gesetz ließ die steuerfreie Übertragung von stillen Reserven aus Grundstücken auf Kapitalanteile zu. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Holding als Zwischengesellschaft i.S. der §§ 7, 8 AStG an. Die Holding habe mit dem in Brasilien steuerfreien Veräußerungsgewinn niedrig besteuerte "passive" Einkünfte bezogen. Der Veräußerungsgewinn sollte --zusammen mit anderen Zwischeneinkünften der Holding-- dem Gewinn der inländischen Gesellschafter der Holding hinzugerechnet werden.
2. Mit Schreiben vom 18.Juli 1979 an das FA und vom 13.November 1979 an das Landesministerium beantragte die Klägerin, den Hinzurechnungsbetrag nach § 163 Abs.1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 34c Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen wegen Unbilligkeit oder aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht zu berücksichtigen.
Zur Begründung führte sie aus:
Die Werterhöhung des Grundstücks entfalle auf einen Zeitraum vor Inkrafttreten des AStG. Würde man den in Brasilien steuerfreien Veräußerungsgewinn der deutschen Besteuerung unterwerfen, so würde die brasilianische steuerliche "Investitionshilfe" dem deutschen Fiskus zugute kommen. Deshalb sei aus volkswirtschaftlichen Gründen ein Steuererlaß geboten.
Das FA lehnte den Antrag am 17.Juli 1980 ab. Es führte aus --teilweise unter Bezugnahme auf ein bereits am 10.Januar 1980 an die Klägerin gerichtetes ablehnendes Schreiben des Landesministeriums--, daß ein Erlaß nach § 34c Abs.3 EStG nur möglich sei, um Nachteile der Anrechnungsmethode oder Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Beide Voraussetzungen seien nicht gegeben, da in Brasilien keine Steuer ausgelöst worden sei. Im übrigen seien passive Einkünfte auch nach dem Pauschalierungserlaß zu § 34c Abs.3 EStG nie begünstigt worden. § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977 sei nicht anwendbar, da es nicht Sinn dieser Vorschrift sei, eine nach dem AStG gewollte Besteuerung wieder rückgängig zu machen. Das AStG sei auch anzuwenden, wenn steuerliche Entwicklungshilfe für Vergünstigungen des Gastlandes in Anspruch genommen werde.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Beschwerde ein. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde durch Beschwerdeentscheidung vom 2.Juni 1981 zurück.
Die OFD führte aus, daß § 34c Abs.3 EStG nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 19.April 1978 einen Auffangtatbestand für diejenigen Fälle darstelle, in denen die zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung vorgesehenen Maßnahmen nicht zu sachgerechten, volkswirtschaftlich erwünschten Ergebnissen führe. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben. Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG sei ein Steuertatbestand, durch den niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb ergänzend besteuert werden sollten. Bei dieser, vom Gesetzgeber gewollten Besteuerung werde hingenommen, daß Förderungsmaßnahmen eines Entwicklungslandes wieder aufgehoben werden könnten. Eine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 163 Abs.1 AO 1977 liege nicht vor, da die Hinzurechnungsbesteuerung im Streitfall dem Willen des Gesetzgebers entspreche.
Soweit eine Unbilligkeit möglicherweise darin liege, daß dem Veräußerungspreis der wegen einer Abwertung des Cruzeiros weit unter den DM-Anschaffungskosten liegende Buchwert gegenüberzustellen sei, sei dem bereits dadurch Rechnung getragen worden, daß dem Veräußerungspreis die DM-Anschaffungskosten gegenübergestellt worden seien. Persönliche Billigkeitsgründe seien nicht ersichtlich.
3. Mit der daraufhin erhobenen Klage beantragte die Klägerin sinngemäß, das FA zu verpflichten, vom Ansatz eines Hinzurechnungsbetrags im Jahre 1974 aus Billigkeitsgründen abzusehen, die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob den angefochtenen Verwaltungsakt wegen mangelnder Begründung und wegen Ermessensfehlern auf.
Im einzelnen führte das FG aus:
Die ablehnende Entscheidung des FA enthalte nicht die von der Rechtsprechung geforderte Darstellung der Ermessenserwägungen. Sie beschränke sich vielmehr auf die Wiedergabe des Tatbestands des AStG. Auch im Schreiben des Landesministeriums seien keine Ermessenserwägungen unter Berücksichtigung des Maßstabs der Billigkeit enthalten.
Außerdem habe das FA im angefochtenen Verwaltungsakt die Bedeutung des § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977 verkannt. Das AStG habe der sog. Steuerflucht entgegenwirken wollen. Diese gesetzgeberische Absicht sei im Streitfall nicht berührt, da Brasilien kein Niedrigsteuerland sei. Außerdem sei die Holding nicht aus steuerlichen, sondern aus kreditpolitischen Gesichtspunkten gegründet worden. Schließlich sei auch das Grundstück bereits 1961 als Betriebsgrundlage für die aktiv tätige C erworben worden. Außerdem sei die Steuerbefreiung in Brasilien nur bei Verwendung des Veräußerungsgewinns für eine Kapitalerhöhung wegen hoher Inflationsraten gewährt worden. Kapitalerhöhungen unterlägen auch nach deutschem Steuerrecht einer besonderen Beurteilung. Es müsse auch geprüft werden, ob es verfassungsrechtlich zulässig sei, eine Hinzurechnung vorzuschreiben, wenn der Verdacht einer künstlichen Verlagerung von Einkunftsquellen gar nicht bestehe. Zu erwägen sei ferner, ob es gerechtfertigt sei, stille Reserven zu besteuern, die vor Inkrafttreten des AStG und zu einer Zeit entstanden seien, in der keine niedrige Besteuerung vorgelegen habe. Bei einem wenige Monate späteren Verkauf sei im übrigen Art.10 Abs.5 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Brasilien (DBA-Brasilien) zu beachten gewesen.
Das FA rügt mit der gegen das Urteil eingelegten Revision die Verletzung des § 34c Abs.3 EStG und der §§ 163 Abs.1 und 121 AO 1977.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Abweisung der Klage.
A.1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß dem angefochtenen Verwaltungsakt die nach § 121 Abs.1 AO 1977 erforderliche Begründung fehle. Zwar ist das FG ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß Ermessensentscheidungen begründet werden müssen; die bei Ausübung des Ermessens angestellten Erwägungen, die Abwägung des Für und Wider der sich gegenüberstehenden Belange aus der Entscheidung müssen erkennbar sein (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 14.Oktober 1965 II C 3.63, BVerwGE 22, 215, 217; Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3.Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493; vom 14.Juni 1983 VII R 4/83, BFHE 138, 508, BStBl II 1983, 695).
Die Entscheidung des FA erfüllte jedoch diese Voraussetzungen. Bei der Prüfung des Verwaltungsakts hat das FG zu Recht das Schreiben des Landesministeriums vom 10.Januar 1980 und die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 2.Juni 1981 als Teil der Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts angesehen. Auf das Schreiben des Landesministeriums hat sich das FA in der Entscheidung vom 17.Juli 1980 ausdrücklich bezogen. Die Beschwerdeentscheidung ist nach § 44 Abs.2 FGO kraft Gesetzes Gegenstand der Anfechtungsklage.
2. In allen Entscheidungen der Steuerbehörden ist zum Ausdruck gebracht, daß die Billigkeitsregelung des § 34c Abs.3 EStG a.F. (jetzt § 34c Abs.5 EStG) auf den Streitfall nicht anwendbar ist. In der Begründung heißt es, daß § 34c Abs.3 EStG a.F. nach der Entscheidung des BVerfG vom 19.April 1978 2 BvL 2/75 (BVerfGE 48, 210, BStBl II 1978, 548) nur anwendbar sei, wenn sonstige Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht zu sachgerechten Ergebnissen führten. Da durch die Steuerbefreiung in Brasilien keine Doppelbesteuerung eingetreten sei, sei § 34c Abs.3 EStG nicht anwendbar. Damit wurde für den Adressaten des Verwaltungsakts deutlich, aus welchen Gründen die Anwendbarkeit des § 34c Abs.3 EStG a.F. abgelehnt wurde. Einer Darlegung von Ermessenserwägungen bedurfte es nicht, da das FA zum Ausdruck brachte, daß nach seiner Auffassung die Ermessensvorschrift des § 34c Abs.3 EStG a.F. im Streitfall überhaupt nicht anwendbar sei.
3. Die Begründung des FA bzw. der OFD zur Ablehnung des Antrags nach § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977 erfüllt die Voraussetzungen des § 121 AO 1977.
Der angefochtene Verwaltungsakt vom 17.Juli 1980 und die Beschwerdeentscheidung vom 2.Juni 1981 führen aus, daß eine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977 dann nicht vorliege, wenn der Gesetzgeber die nach dem Wortlaut des Gesetzes eintretende Besteuerung beabsichtigt habe. Der Gesetzgeber habe zumindest hingenommen, daß steuerliche Förderungsmaßnahmen eines Entwicklungslandes durch die Hinzurechnungsbesteuerung im Inland wieder aufgehoben würden. Für passive Einkünfte sehe im übrigen auch der sog. Pauschalierungserlaß zu § 34c Abs.3 EStG keine Vergünstigungen vor.
Mit dieser Begründung hat das FA zum Ausdruck gebracht, daß es eine sachliche Unbilligkeit nicht als gegeben ansah, weil der Gesetzgeber die Hinzurechnungsbesteuerung für passive Einkünfte (§ 8 AStG) auch dann in Kauf genommen habe, wenn dadurch steuerliche Förderungsmaßnahmen in Entwicklungsländern durch Besteuerung im Inland rückgängig gemacht würden.
Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob diese Auffassung zutrifft. Entscheidend für eine evtl. Verletzung des § 121 Abs.1 AO 1977 ist ausschließlich, ob die entscheidende Behörde dem Betroffenen hinreichend deutlich gemacht hat, aus welchen Gründen sie die beantragte Billigkeitsentscheidung abgelehnt hat. Das ist der Fall.
B. Entgegen der Auffassung des FG verletzt der angefochtene Verwaltungsakt nicht § 34c Abs.3 EStG a.F. (§ 34c Abs.5 EStG n.F.).
1. Nach § 34c Abs.3 EStG a.F. (§ 34c Abs.5 EStG n.F.) können die obersten Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen (BMF) die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder wenn die Anwendung des Absatzes 1 (Anrechnung) besonders schwierig ist. Die Vorschrift, die vom BVerfG als verfassungsgemäß anerkannt wurde (vgl. BVerfGE 48, 210, BStBl II 1978, 548), gilt auch im Bereich der Körperschaftsteuer (vgl. § 19a Abs.1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- 1968, § 26 Abs.6 KStG 1977).
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Urteil des FG bereits deshalb aufzuheben war, weil es das FA zu einem Verwaltungsakt verpflichtete, für den das FA nicht zuständig war.
Der BFH hat für die gleichlautende Vorschrift des § 9 Abs.4 des Vermögensteuergesetzes (VStG) entschieden, daß für Erlaß- oder Pauschalierungsanträge nach dieser Vorschrift nicht die FÄ, sondern nur die obersten Finanzbehörden der Länder entscheidungsbefugt seien (BFH-Urteil vom 9.Dezember 1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309).
3. Unabhängig von der Frage der Zuständigkeit des FA war die Vorentscheidung schon wegen rechtsirrtümlicher Auslegung des § 34c Abs.3 EStG a.F. aufzuheben.
Die Erlaß- oder Pauschalierungsmöglichkeit nach § 34c Abs.3 EStG a.F. sollte die mit der Einführung der Anrechnung nach § 34c Abs.1 EStG verbundenen Nachteile gegenüber früheren Verwaltungsregelungen ausgleichen oder mildern (vgl. BVerfGE 48, 210, BStBl II 1978, 548; Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 34c EStG Anm.232; Krabbe in Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 34c Rdnr.102; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 34c EStG Anm.30; Gänger in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34c Rdnr.66). In allen seinen Regelungen setzt § 34c EStG jedoch voraus, daß der Steuerpflichtige mit seinen ausländischen Einkünften als Steuerschuldner einer ausländischen Besteuerung unterworfen wurde und mit denselben Einkünften auch der Besteuerung im Inland unterliegt. Hieran fehlt es im Falle der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG. Bei der Hinzurechnungsbesteuerung werden die von einem anderen Steuerpflichtigen (Zwischengesellschaft) im Ausland erzielten Einkünfte zu steuerpflichtigen Einkünften des inländischen Gesellschafters. Um auch in diesen Fällen keine wirtschaftliche Doppelbesteuerung eintreten zu lassen, sieht das AStG in § 12 eine Anrechnung der im Ausland entrichteten Steuern vor. Die von der ausländischen Zwischengesellschaft auf die im Inland hinzugerechneten Einkünfte gezahlte ausländische Steuer kann gemäß § 12 AStG auf die inländische Steuer angerechnet werden, die auf den Hinzurechnungsbetrag entfällt. Zur Anrechnung verweist § 12 AStG auf § 34c EStG und auf § 26 KStG 1977. § 12 Abs.2 AStG beschränkt die Verweisung jedoch auf § 34c Abs.1 EStG und auf § 26 Abs.1 und 6 KStG 1977. Für die Sonderform der Anrechnung einer von einem anderen Steuerpflichtigen geschuldeten und gezahlten ausländischen Steuer nach § 12 AStG ist somit § 34c Abs.3 EStG a.F. (§ 34c Abs.5 EStG n.F.) nicht anwendbar.
Das entspricht auch den Wertungen des Gesetzgebers, wie sie unten in Abschn.C dargelegt sind.
C. Soweit das FA eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977 abgelehnt hat, ist ein Gesetzesverstoß nicht festzustellen.
1. Eine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977 liegt nach der älteren Rechtsprechung des BFH vor, wenn der Gesetzgeber --hätte er den zu entscheidenden Fall gekannt-- im Sinne der angestrebten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (vgl. Urteil vom 26.Oktober 1972 I R 125/70, BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271, m.w.N.). Nach neuerer Rechtsprechung sieht der BFH eine sachliche Unbilligkeit dann als gegeben an, wenn die rechtliche Aussage des Steuergesetzes über den mit ihm verfolgten Zweck und seine Wertungen hinausgeht (vgl. Urteil vom 7.Mai 1981 VII R 64/79, BFHE 133, 262, BStBl II 1981, 608).
2. Eine sachliche Unbilligkeit in diesem Sinne liegt nicht vor. Die Hinzurechnungsbesteuerung im Streitfall entspricht den Wertungen des Gesetzgebers des AStG.
Nach der Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf des AStG (BTDrucks VI/2883 Nrn.28 ff.) sollte das Gesetz zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Abschirmung gegen die deutsche Steuerpflicht beseitigen, die sich durch Einschaltung sog. Basisgesellschaften ergab. Der Begriff "Basisgesellschaft" bedurfte hierzu der gesetzlichen Abgrenzung. Dazu knüpft das Gesetz an die Art der Einkünfte und ihre konkrete Steuerbelastung im Ausland an. Als Zwischengesellschaft sieht das Gesetz alle von Inländern beherrschten ausländischen Kapitalgesellschaften an, die niedrig besteuerte sog. "passive" Einkünfte beziehen (§§ 7, 8 AStG). Das Gesetz knüpft damit nicht an das allgemeine Steuerniveau des ausländischen Staates, sondern an die tatsächliche Belastung einzelner, nicht im Aktivitätskatalog des § 8 AStG enthaltener Einkünfte an. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber einerseits nur passive Einkünfte der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen, wenn sie niedrig besteuert wurden. Er hat aber andererseits bewußt in Kauf genommen, daß ausländische Kapitalgesellschaften auch dann als "Zwischengesellschaft" i.S. des § 7 AStG anzusehen sind, wenn sie in einem hoch besteuernden Land für derartige Einkünfte gezielte Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen. Der Wille des Gesetzgebers ist damit durch Tatbestände objektiviert worden, die gezielte Steuervergünstigungen auch hoch besteuernder Staaten durch die Hinzurechnungsbesteuerung wirtschaftlich aufheben können. Die Regelung verliert durch diese Anwendungsbreite nicht ihren gesetzgeberischen Sinn. Auch Hochsteuerländer setzen gezielt Steuervergünstigungen ein, um einen Anreiz zur Verlagerung bestimmter Einkunftsquellen zu schaffen. Bei der nach den Gesetzesmaterialien durch das Gesetz angestrebten gleichmäßigen Besteuerung (vgl. Regierungsbegründung in BTDrucks VI/2883 Rndr.30) konnte das Gesetz diese Fälle nicht von der Hinzurechnungsbesteuerung ausnehmen.
Bei dieser Sachlage liegt im Streitfall keine über die Wertungen des Gesetzgebers hinausgehende rechtliche Aussage vor, die einen Erlaß wegen sachlicher Unbilligkeit nach § 163 Abs.1 Satz 1 AO 1977 rechtfertigen würde (vgl. BFH-Urteil vom 23.Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489). Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den Ansatz eines Hinzurechnungsbetrags im Streitfall zumindest in Kauf genommen, wenn nicht sogar angestrebt hat.
3. Auch die übrigen Erwägungen des angefochtenen Urteils rechtfertigen keinen Billigkeitserlaß.
a) Es kommt für die Hinzurechnungsbesteuerung nicht auf die Beweggründe an, die für die Gründung der Zwischengesellschaft maßgebend waren. Der gesetzliche Tatbestand knüpft bewußt ausschließlich an objektive Merkmale an, da nur sie überprüfbar erscheinen.
b) Ebensowenig kann es auf die Motive der brasilianischen Steuerbefreiung ankommen. Vielmehr wäre eine nach den Beweggründen der ausländischen Steuervergünstigungen differenzierte Hinzurechnungsbesteuerung kaum mit dem erklärten Ziel gleichmäßiger Besteuerung in Einklang zu bringen.
c) Auf die von der Klägerin geltend gemachten Bedenken gegen die Besteuerung stiller Reserven, die bereits vor Inkrafttreten des AStG gebildet wurden, kommt es im Streitfall nicht an. Die von der Klägerin angenommene Verfassungswidrigkeit ist keine Frage der Billigkeit. Diese Frage hätte nur im Verfahren über den Feststellungsbescheid nach § 18 AStG geltend gemacht werden können (vgl. BVerfG vom 5.April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, BStBl II 1978, 441, 446).
Fundstellen
Haufe-Index 62333 |
BFH/NV 1988, 2 |
BStBl II 1988, 983 |
BFHE 154, 46 |
BFHE 1989, 46 |
BB 1988, 2236-2236 (L1-2) |
DB 1988, 2613 (K) |
HFR 1989, 64 (LT) |