Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines Mieters für den Umzug sind auch dann nicht als außergewöhnliche Belastung anzusehen, wenn das Mietverhältnis wegen des Baus einer Stadtbahn gekündigt wurde.
Normenkette
EStG 1971 § 33
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr 1973 seit 34 Jahren in einer Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus. Als im Mai 1972 drei zu einer anderen Wohnung gehörige Zimmer desselben Hauses frei geworden waren, hatte er diese Räume zusätzlich angemietet. Zuvor hatte ihm die Vermieterin auf seine Frage hin erklärt, ihr sei nichts davon bekannt, daß das Haus im Rahmen der Stadtsanierung oder des Stadtbahnbaus abgebrochen werden sollte. Im August 1973 kündigte die Stadt H, die das Mietgrundstück zwischenzeitlich erworben hatte, das Mietverhältnis zum 31. August 1974 mit der Begründung, das Haus müsse aus stadtplanerischen Gründen im Rahmen des Stadtbahnbaus abgebrochen werden. Hierauf räumte der Kläger die Wohnung im September 1973. In der Einkommensteuererklärung 1973 machte er seine Umzugskosten als außergewöhnliche Belastung (§ 33 des Einkommensteuergesetzes 1971 - EStG -) geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte es ab, die aus Anlaß des Umzugs geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Das FA vertrat die Auffassung, bei den geltend gemachten Kosten handle es sich nicht um außergewöhnliche Aufwendungen. Jeder Mieter müsse mit der Kündigung des Mietverhältnisses rechnen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 527 (EFG 1975, 527) veröffentlichten Urteil aus: Die Aufwendungen für die Beförderung des Umzugsguts seien als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn das Mietverhältnis gekündigt wird, weil der Abbruch des Miethauses infolge eines Stadtbahnbaus notwendig werde. Die Aufwendungen entständen in einem solchen Fall zwangsläufig, weil die Kündigung ihre Ursache in übergeordneten, öffentlich gebotenen Aufgaben der Allgemeinheit habe. Es werde von außen in das Mietverhältnis eingegriffen, ohne daß sich Vermieter und Mieter dieser Maßnahme mit Erfolg entziehen könnten. Dabei sei es unerheblich, ob der frühere Vermieter oder der Träger des Stadtbahnbaus, der das Grundstück zwischenzeitlich erworben habe, die Kündigung ausspreche. Denn die Ursache der Kündigung - der Stadtbahnbau - werde durch den Eigentümerwechsel nicht berührt. Entgegen der Auffassung des FA seien die Kosten für die Beförderung des Umzugsguts außergewöhnlich. Einer Wohnungskündigung aus Anlaß eines Stadtbahnbaus seien von der Gesamtzahl aller Mieter nur wenige ausgesetzt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung des § 33 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Umzugskosten sind, soweit sie nicht wegen ihres Zusammenhangs mit der beruflichen Sphäre des Steuerpflichtigen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu behandeln sind, gemäß § 12 EStG grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähige Kosten der Lebensführung. Sie sind unabhängig von der Art der Wohnungskündigung durch den Vermieter in aller Regel keine außergewöhnliche Belastung i. S. des § 33 EStG (Urteil des Senats vom 28. Februar 1975 VI R 120/73, BFHE 115, 259, BStBl II 1975, 482).
Nach § 33 Abs. 1 EStG liegt eine außergewöhnliche Belastung vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats fallen hierunter nicht die Kosten für Ernährung, Kleidung und Obdach, die in mehr oder minder hohem Maße jedermann treffen, sondern lediglich Aufwendungen, die den Steuerpflichtigen zusätzlich zu den üblichen Lebenshaltungskosten in außergewöhnlicher Weise finanziell belasten (Urteil VI R 120/73). Umzugskosten sind nach dieser Rechtsprechung in aller Regel keine außergewöhnliche Belastung, weil sie zu den üblichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung einer Wohnung zählen. Sie sind regelmäßig typische Lebenshaltungskosten, mit denen jedermann zu rechnen hat. Dies gilt, wie der Senat in dem Urteil VI R 120/73 ausgeführt hat, unabhängig von der Art der Wohnungskündigung durch Mieter oder Vermieter. Aus Gründen einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung vergleichbarer Sachverhalte erscheint es nicht gerechtfertigt, im Rahmen des § 33 EStG zwischen den verschiedenen Anlässen und Arten von Wohnraumkündigungen zu unterscheiden. Steuerpflichtige, deren Mietverhältnis durch eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aufgelöst wird, werden durch die Umzugskosten in gleicher Weise belastet wie Steuerpflichtige, deren Mietverhältnis wegen einer bevorstehenden Stadtsanierung oder wegen des Baus von Verkehrsanlagen gekündigt wird. In vergleichbarer Weise sind durch Umzugskosten auch solche Steuerpflichtige belastet, die sich einem Umzug wegen Familienzuwachses oder wegen gesundheitsgefährdenden Verkehrslärms nicht entziehen können. Aus diesen Erwägungen hat der Senat in dem Urteil VI R 120/73 die mit einem nicht beruflich bedingten Wohnungswechsel zusammenhängenden Kosten dem Bereich der üblichen Lebenshaltungskosten zugeordnet, die gemäß § 33 EStG unabhängig davon nicht berücksichtigt werden können, ob der Wohnungswechsel für den einzelnen Steuerpflichtigen mehr oder minder überraschend eintritt und ihn finanziell stark belastet.
Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Die Sache ist spruchreif. Da das FA es zu Recht abgelehnt hat, die geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72817 |
BStBl II 1978, 526 |
BFHE 1979, 263 |