Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung der Berufsausbildung vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berufsausbildung eines Kindes endet spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses.
2. Vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses ist die Berufsausbildung jedoch bereits dann beendet, wenn das Kind nach Erbringung aller Prüfungsleistungen eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Berufsausbildung eines Kindes erst mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses endet oder bereits dann, wenn das Kind in unmittelbarem Anschluss an die Erbringung der letzten Prüfungsleistung, aber noch vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses eine seiner Ausbildung entsprechende Vollzeit"erwerbs"tätigkeit aufnimmt.
Der im Juli 1970 geborene Sohn (S) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) absolvierte im Anschluss an seinen 12-monatigen Grundwehrdienst ein Studium der Betriebswirtschaft. Am 30. April 1998 reichte S seine Diplomarbeit beim Prüfungsamt ein und erbrachte damit die letzte Prüfungsleistung. Am 9. Juli 1998 teilte ihm der gemeinsame Prüfungsausschuss der Universität mittels einer vorläufigen Bescheinigung das Prüfungsergebnis mit. Das Diplom erhielt S im Dezember 1998 unter dem Datum "30. April 1998" verliehen. S war ab Februar 1998 zunächst im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung mit 33 Stunden im Monat bei einer Sparkasse mit monatlichen Einnahmen von 673 DM tätig und wurde dort ab dem 1. Mai 1998 als vollzeitbeschäftigter Angestellter mit einer monatlichen Bruttovergütung von 3 415 DM weiterbeschäftigt. Die Behörde -Familienkasse- (Beklagter und Revisionsbeklagter ―Beklagter―) ging von einem Ausbildungszeitraum im Jahre 1998 von Januar bis einschließlich Juli aus und prognostizierte hierauf entfallende Einkünfte und Bezüge des S in Höhe von 14 288 DM. Wegen des Überschreitens des anteiligen Jahresgrenzbetrags gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7 210 DM (7 x 1 030 DM) hob der Beklagte mit Bescheid vom 18. März 1998 die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab 1. Januar 1998 auf und forderte das Kindergeld für die Monate Januar bis März 1998 in Höhe von 660 DM zurück. Auf den dagegen vom Kläger eingelegten Einspruch ermittelte der Beklagte die Einkünfte und Bezüge des S für den Zeitraum von Januar bis Juli 1998 mit 12 378 DM und wies den Einspruch zurück. Dagegen erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide Kindergeld für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis einschließlich 30. April 1998 zu gewähren. Der Kläger machte geltend, die Berufsausbildung des S habe bereits am 30. April 1998 geendet, da dieser ab dem 1. Mai 1998 eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufgenommen habe. Nach Abzug von Werbungskosten in Höhe von 772 DM sei von Einkünften und Bezügen für den maßgebenden Zeitraum Januar bis April 1998 in Höhe von 3 874 DM auszugehen, die den anzusetzenden anteiligen Jahresgrenzbetrag in Höhe von 4 120 DM (4 x 1 030 DM) unterschritten.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Kindergeld zu, da die in den Monaten Januar bis Juli 1998 erzielten Einkünfte und Bezüge des S in Höhe von über 12 000 DM den anteiligen Jahresgrenzbetrag von 7 210 DM erheblich überschritten. Die Berufsausbildung des S habe erst am Tag der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses am 9. Juli 1998 geendet.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision, mit der er geltend macht, das FG habe § 63 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG unzutreffend ausgelegt. Die Berufsausbildung des S habe bereits mit der Abgabe der Diplomarbeit ihr Ende gefunden, da S bereits am 1. Mai eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufgenommen habe.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. März 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 1998 mit der Maßgabe aufzuheben, dass für S für die Monate Januar bis April 1998 Kindergeld gewährt wird.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, wenn zur Berufsausbildung eines Akademikers der angemessene Zeitraum von der Ablegung des letzten Prüfungsteils bis zur amtlichen Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses gehöre, müsse dieses auch im Streitfall gelten.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu Unrecht hat das FG entschieden, die Berufsausbildung des S habe bis zum 9. Juli 1998 mit der Folge angedauert, dass die Einkünfte und Bezüge für den Zeitraum Januar bis Juli 1998 den anteiligen Jahresgrenzbetrag überstiegen.
2. Nach § 66 Abs. 2 EStG wird das Kindergeld vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Ein Kind, das Grundwehrdienst geleistet hat, wird über das 27. Lebensjahr hinaus höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG).
3. Ein Kind befindet sich in Berufsausbildung, solange es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber noch ernstlich darauf vorbereitet (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. Juni 1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706; vom 23. April 1997 VI R 135/95, BFH/NV 1997, 655). Zur Hochschulausbildung gehört auch die Ablegung des Examens (vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes ―DA-FamEStG― 63.3.2.6 Abs. 10 Satz 1, BStBl I 1998, 386, 415). Ein Universitätsstudium ist regelmäßig erst in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem eine nach dem einschlägigen Prüfungsrecht zur Feststellung des Studienerfolges vorgesehene Prüfungsentscheidung ergangen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Januar 1999 VII B 214/98, BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141). Dies gilt ―in typisierender Betrachtungsweise― auch für den Begriff der Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG (so auch DA-FamEStG 63.3.2.6 Abs. 10 Satz 2). Der Eintritt in einen der akademischen Ausbildung entsprechenden Beruf ist im Regelfall erst dann möglich, wenn die zur Feststellung des Studienerfolgs vorgesehene Prüfungsentscheidung vorliegt.
4. Nimmt das Kind nach Ablegung der letzten Prüfungsleistung, aber noch vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, eine Vollzeiterwerbstätigkeit auf, endet jedoch bereits in diesem Zeitpunkt die Berufsausbildung. Das Kind bereitet sich nicht mehr ernstlich auf sein Berufsziel vor. Tritt das Kind ―wie im Streitfall― bereits in den aufgrund der Ausbildung angestrebten Beruf ein, hat es zudem sein Berufsziel bereits erreicht. Diese Auslegung der "Ausbildung für einen Beruf" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG folgt aus der Zielsetzung des Kindergeldrechts, nämlich die kindbedingte Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Eltern während der Ausbildung des Kindes zu berücksichtigen. Die Belastung der Eltern durch den Unterhaltsbedarf des Kindes endet regelmäßig in dem Zeitpunkt, in dem das Kind im Anschluss an die Ausbildung eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt, unabhängig davon, ob die Aufnahme der Tätigkeit vor oder nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erfolgt. Deshalb endet die Berufsausbildung eines Kindes spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses; sie ist jedoch bereits dann beendet, wenn das Kind nach Erbringung aller Prüfungsleistungen eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt (so auch FG Niedersachsen, Urteil vom 8. Februar 2000 1 K 310/99 Ki, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2000, 444; Urteil des FG Düsseldorf vom 22. Juli 1999 10 K 2136/98 Kg, EFG 1999, 1037).
5. Wäre der Zeitraum zwischen der Ablegung der letzten Prüfungsleistung und der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses in jedem Fall, d.h. auch bei Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit in dem angestrebten oder in einem anderen Beruf, noch als Zeitraum anzusehen, in dem das Kind "für einen Beruf ausgebildet wird", würden die während dieses Zeitraums erzielten Einkünfte regelmäßig zum Überschreiten des anteiligen Jahresgrenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 6 und 7 EStG führen. Dies hätte zur Folge, dass der Kindergeldanspruch nicht nur für den Zeitraum nach der Aufnahme einer vollen Erwerbstätigkeit wegfällt, in dem das Kind sich selbst unterhalten kann, sondern auch für den vorangegangenen Zeitraum, in dem die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern durch die Ausbildung des Kindes gemindert gewesen ist (vgl. Berlebach, Steuerlicher Familienleistungsausgleich, Kommentar, § 32 EStG Tz. 72).
6. Aus dem BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 655 ergibt sich nichts anderes. Danach wird ein Kind auch dann i.S. des § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG für einen Beruf ausgebildet, wenn es Rechtswissenschaften studiert und neben dem Studium halbtags im Finanzamt als Steuerinspektor tätig ist. Anders als in dem dortigen Streitfall hat hier der S bereits seine letzte Prüfungsleistung erbracht und danach eine Vollzeiterwerbstätigkeit in dem von ihm angestrebten Beruf aufgenommen.
7. Da das FG ―von seinem Standpunkt aus zu Recht― keine Feststellungen zu den Einkünften und Bezügen des S für den Zeitraum von Januar bis einschließlich April 1998 getroffen hat, ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 426190 |
BFH/NV 2000, 1290 |
BStBl II 2000, 473 |
BFHE 191, 557 |
BFHE 2001, 557 |
BB 2000, 1974 |
DB 2000, 1690 |
DStR 2000, 1343 |
HFR 2000, 723 |