Leitsatz (amtlich)
Erhält der aus einer zweigliedrigen OHG ausscheidende Gesellschafter für seinen aufgegebenen Gesellschaftsanteil von dem verbleibenden Gesellschafter lediglich eine als betriebliche Versorgungsrente zu qualifizierende Rente, darf der Rentenverpflichtete die einzelnen Rentenzahlungen - ohne Verrechnung mit dem übernommenen Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters - sofort als Betriebsausgaben absetzen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und der damalige Bauunternehmer L gründeten im August 1959 eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), in die L sein Baugeschäft einbrachte. Mit schriftlichem Vertrag vom 23. April 1960 wandelten sie die GdbR in eine OHG um. Sie vereinbarten, daß die OHG bis zum 31. Dezember 1964 befristet sei und L, der 1964 65 Jahre alt wurde, am Jahresende 1964 aus der Gesellschaft ausscheiden solle. Ab 1. Januar 1965 sollte der Kläger das Unternehmen als Einzelunternehmen weiterführen und dem ausscheidenden L und seiner Ehefrau ab 1. Januar 1965 auf Lebenszeit eine monatliche Rente zahlen, die 60 v. H. des Monatsgehalts eines Bauingenieurs der Tarifklasse T 3 beträgt. Im Falle des Vorversterbens des L sollte die an die Witwe weiterzuzahlende Rente sich auf 50 v. H. des genannten Gehalts ermäßigen. Es war weiterhin vereinbart, daß im Zeitpunkt des Beginns der Rentenzahlungen das Gesellschaftsvermögen mit Aktiven und Passiven auf den Kläger übergeht und der Kläger außer der Rente keine weiteren Entschädigungen zu zahlen hat.
L schied vereinbarungsgemäß Ende 1964 aus der Gesellschaft aus. Der Kapitalwert der ihm zugesicherten Rente machte zu diesem Zeitpunkt nur etwa die Hälfte seines Kapitalkontos aus.
Bei der erstmaligen Veranlagung für die Streitjahre 1965 bis 1967 ließ der Beklagte und Revisionskläger (FA) den Abzug der Rentenzahlungen als Betriebsausgaben zu. Auf Grund einer späteren Betriebsprüfung war das FA der Auffassung, daß die an L gezahlte Rente zwar eine betriebliche Versorgungsrente sei, daß die einzelnen Rentenleistungen zunächst aber mit dem Kapitalkonto des L zu verrechnen und erst die darüber hinausgehenden Zahlungen als Betriebsausgaben zu behandeln seien. In den Berichtigungsveranlagungen wurden demgemäß die Rentenzahlungen nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen. Der Einspruch des Klägers hatte in diesem Punkt keinen Erfolg. Nach Klageerhebung erließ das FA auf Grund einer erneuten steueraufsichtlichen Prüfung berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1966 und 1967, in denen es an der bisherigen steuerlichen Beurteilung der Rentenzahlungen festhielt. Diese Bescheide sind auf Antrag des Klägers Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden (§ 68 FGO).
Das FG gab der Klage statt. Es würdigte die Rente als betriebliche Versorgungsrente. Die ganzen Umstände sprächen dagegen, daß- wie es bei Veräußerungsrenten der Fall sei - Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden seien. Die Versorgung des L und seiner Ehefrau habe im Vordergrund gestanden.
In der Literatur sei zwar streitig, ob in Fällen, in denen für den übertragenen Gesellschaftsanteil nichts gezahlt werde, die einzelnen Zahlungen der betrieblichen Versorgungsrente sofort oder erst dann abzugsfähig seien, wenn die Summe bisher geleisteter Rentenzahlungen das übernommene Kapitalkonto übersteige. Nach ständiger Rechtsprechung dürfe jedoch die Last, die durch die Zusage einer betrieblichen Versorgungsrente begründet werde, nicht passiviert werden. Es sei daher der Auffassung der Vorzug zu geben, daß jede einzelne Rentenleistung sofort im Jahre der Zahlung als Betriebsausgabe abzugsfähig sei. Eine Verrechnung der Rentenzahlungen zunächst mit dem Kapitalkonto bedeute eine unzulässige Aufspaltung der Rente in der Weise, daß bis zur Höhe des Kapitalkontos eine betriebliche Veräußerungsrente und erst darüber hinaus eine betriebliche Versorgungsrente vorliege. Im vorliegenden Fall überwögen die Versorgungselemente der Rente in so starkem Maße, daß schon deshalb eine solche Aufspaltung nicht in Frage komme.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der Revision, zu deren Begründung es vorträgt, beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft kämen Vereinbarungen über betriebliche Versorgungsrenten selten vor. Solche Vereinbarungen hätten zur Folge, daß der ausscheidende Gesellschafter seinen Anteil dem verbleibenden Gesellschafter unentgeltlich überlasse. In den meisten Fällen werde eine Veräußerungsrente vereinbart. Es seien daher die tatsächlichen Umstände besonders eingehend zu prüfen. Im vorliegenden Fall fehle es an einer Vereinbarung, wie das Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters L behandelt werden solle. Der Wille der Vertragschließenden könne jedoch aus anderen Umständen ermittelt werden. Der enge Zusammenhang zwischen Rente und Übergang des Anteils beim Ausscheiden des L aus der Gesellschaft ergebe sich aus einer Bestimmung des Vertrags vom 23. April 1960, wonach der Übergang der Vermögenswerte mit dem Beginn der Rentenzahlungen zusammenfalle. Dort sei bestimmt, daß außer der Rente keine weiteren Entschädigungen zu zahlen seien. Die Rente sei daher nach dem geäußerten Willen der Beteiligten eine Entschädigung. Dementsprechend habe L die Rentenzahlungen nicht versteuert, weil nach seiner Auffassung die bisherigen Rentenleistungen sein früheres Kapitalkonto noch nicht überstiegen. Eine betriebliche Versorgungsrente müsse der Berechtigte aber als nachträgliche betriebliche Einnahmen versteuern. Nur unter diesem Gesichtspunkt werde in der Literatur die Auffassung vertreten, daß der Verpflichtete die einzelne Rentenzahlung ohne Verrechnung mit dem übernommenen Kapitalkonto sofort als Betriebsausgaben absetzen könne. Umgekehrt sei zu folgern, daß eine Verrechnung mit dem Kapitalkonto zu bejahen sei, wenn der Berechtigte die Rentenleistungen nicht versteuere.
Die Entscheidung des FG sei auch aus anderen Gründen nicht zu halten. Habe L seinen Gesellschaftsanteil dem Kläger aus betrieblichen Gründen unentgeltlich überlassen, entstehe nach den Grundsätzen des Urteils des BFH vom 11. Juli 1973 I R 126/71 (BFHE 110, 402, BStBl II 1974, 50) beim Erwerber - hier dem Kläger - ein steuerpflichtiger Gewinn.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die wiederkehrenden Zahlungen des Klägers an den ausgeschiedenen Gesellschafter L als betriebliche Versorgungsrente zu beurteilen sind.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß Rentenzusagen an ausscheidende Gesellschafter von Personengesellschaften entweder als Veräußerungsrente oder als betriebliche oder private (außerbetriebliche) Versorgungsrente zu qualifizieren sind (vgl. die grundlegende BFH-Entscheidung vom 3. Juli 1964 VI 346/62 U, BFHE 80, 202, BStBl III 1964, 548). Ist die Rente nach dem Willen der Vertragschließenden die Gegenleistung für die Übertragung des Gesellschaftsanteils, d. h., wenn sie nach dem Wert des überlassenen Anteils bemessen wird, ist sie in der Regel eine betriebliche Veräußerungsrente. Wird hingegen die Rente nicht als Entgelt für die vom ausscheidenden Gesellschafter überlassenen Wirtschaftsgüter gezahlt, sondern ist sie mehr als Vergütung für die früher dem Betrieb geleisteten Dienste des Ausscheidenden gedacht, liegt eine betriebliche Versorgungsrente vor. Das gleiche gilt, wenn andere betriebliche Erwägungen für die Zusage der Rente maßgebend waren. Scheiden betriebliche Erwägungen aus und stehen insbesondere familiäre Gründe im Vordergrund, z. B. bei Rentenzusagen anläßlich der Übertragung eines Betriebs oder eines Gesellschaftsanteils von Eltern auf ihre Kinder, liegt eine private (außerbetriebliche) Versorgungsrente vor. Je nach ihrer Einordnung ist die steuerliche Behandlung der Rentenzahlungen verschieden.
Das FG hat seine Auffassung, im vorliegenden Fall habe der Versorgungsgedanke im Vordergrund gestanden, rechtsfehlerfrei darauf gegründet, daß die Rentenvereinbarung schon 1960 - bei Gründung der auf vier Jahre befristeten OHG - getroffen worden ist und die geschäftliche Entwicklung damals nicht vorausgesehen werden konnte. Hinzu kommt außerdem, daß im August 1959, als sich L und der Kläger zu einer GdbR zusammengeschlossen hatten, nach den Feststellungen des FG das Betriebsvermögen der eingebrachten Firma L - selbst nach Auflösung der stillen Reserven - negativ war. Es läßt sich nichts Durchschlagendes dafür anführen, daß die Vertragschließenden nach kaufmännischen Gesichtspunkten die beiderseitigen Leistungen abgewogen und die Rente als angemessene Gegenleistung für die Überlassung des Anteils des Gesellschafters L angesehen haben. Etwas Derartiges ist - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht einer Bestimmung des Vertrags vom 23. April 1960 zu entnehmen, in der im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang gesagt wird, daß der Kläger außer der Rente "keine weiteren Entschädigungen" an L zu zahlen habe. Der Versorgungsgedanke kommt auch darin zum Ausdruck, daß die an L und später an die ihn überlebende Witwe zu zahlende Rente nach einem Vomhundertsatz des tariflichen Gehalts eines angestellten Bauingenieurs bestimmt worden ist.
Das FG hat die betriebliche Veranlassung für die Gewährung der Versorgungsrente darin gesehen, daß L seine Bauunternehmung in die Personengesellschaft eingebracht, in den Jahren 1959 bis 1964 für die Gesellschaft gearbeitet und ihr seine Erfahrungen als Bauunternehmer zur Verfügung gestellt hat. Die Vorinstanz hat hieraus auf die "Entlohnung" für eine früher geleistete unternehmerische Tätigkeit geschlossen. Dies stellt eine mögliche tatsächliche Würdigung des Sachverhalts dar, an die der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist.
2. Liegt demnach eine betriebliche Versorgungsrente vor, kann der Kläger als der Verpflichtete die einzelnen Rentenzahlungen sofort als Betriebsausgabe absetzen. Der erkennende Senat vermag der Auffassung der Revision nicht zu folgen, daß der Abzug als Betriebsausgabe erst nach vollständiger Verrechnung der einzelnen Rentenzahlungen mit dem übernommenen Kapitalkonto des L möglich sei. Eine Versorgungsrente ist nicht das Entgelt für die Übertragung von Wirtschaftsgütern, eines Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils. Der Barwert der Rentenverpflichtung stellt keine Anschaffungskosten übernommener Wirtschaftsgüter dar. Der Kläger hat somit steuerrechtlich den Anteil des ausscheidenden Gesellschafters L unentgeltlich erworben. Demgemäß hat der Kläger nach § 7 Abs. 1 EStDV die bisherigen Buchwerte fortzuführen (vgl. insoweit die vom FA angeführte Entscheidung des erkennenden Senats I R 126/71 unter 2 c). Es ist daher auch nicht möglich, die im Zusammenhang mit einer Betriebsübergabe oder der Übernahme eines Mitunternehmeranteils vereinbarte Rente aufzuteilen in eine Veräußerungsrente und in eine Versorgungsrente. Die Rente ist, wenn der Gedanke der Versorgung des Berechtigten bestimmend war, einheitlich als Versorgungsrente zu beurteilen. Andererseits darf nach der Rechtsprechung (vgl. die Zusammenstellung bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., § 5 EStG Anm. 61, Stichwort "Renten" [15]) der Verpflichtete den Barwert der Rentenverpflichtung nicht passivieren. Die Ablehnung der Passivierung wird von der Rechtsprechung, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, damit begründet, daß für die Bemessung der betrieblichen Versorgungsrente die Ertragsaussichten des Unternehmens von entscheidender Bedeutung seien, so daß die einzelnen Rentenzahlungen wirtschaftlich die laufenden Erträge belasteten. Ob L die Rentenbezüge als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb in seiner Einkommensteuererklärung angegeben und wie das für ihn zuständige FA diese Bezüge bei der Veranlagung behandelt hat, spielt entgegen der Auffassung des FA für die Entscheidung der steuerlichen Behandlung der Rentenzahlungen auf seiten des Klägers als des Verpflichteten keine Rolle.
3. Die Revision wendet sich ferner dagegen, daß das FG nicht darauf eingegangen sei, ob in dem unentgeltlichen Übergang des Mitunternehmeranteils des L auf den Kläger steuerlich ein Gewinn verwirklicht worden sei.
Der erkennende Senat hat zwar in dem Urteil I R 126/71 ausgesprochen, daß bei unentgeltlichem Erwerb eines Mitunternehmeranteils und dem damit verbundenen Zwang zur Fortführung der Buchwerte (§ 7 Abs. 1 EStDV) ein Buchgewinn bei dem verbleibenden Gesellschafter entsteht, der grundsätzlich auch steuerrechtlich Gewinn ist. Über die Gewinnverwirklichung brauchte aber das FG im vorliegenden Fall deswegen nicht zu entscheiden, weil L nicht erst im Streitjahr 1965, sondern schon im vorhergehenden Jahr 1964, das nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens ist, seine Gesellschafterstellung aufgegeben hat. Nach den Feststellungen des FG ist L "vereinbarungsgemäß am 31. Dezember 1964" aus der Gesellschaft ausgeschieden. Gegen diese Feststellung ist eine zulässige und begründete Revisionsrüge nicht erhoben worden. Mit dem Ausscheiden des L ist das Gesellschaftsvermögen Alleinvermögen des übernehmenden Klägers geworden (Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 22. Aufl., § 142 Anm. 3). Der Zeitpunkt der möglichen Verwirklichung eines steuerpflichtigen Gewinns fällt somit noch in das nicht streitbefangene Jahr 1964.
Fundstellen
Haufe-Index 72365 |
BStBl II 1977, 603 |
BFHE 1978, 275 |