Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietverhältnis mit volljährigen, verheirateten und unterhaltsberechtigten Kindern: Gestaltungsmißbrauch, Prüfung nach den Grundsätzen für Verträge zwischen nahen Angehörigen, Überweisung der Nebenkostenpauschale in Abweichung vom Mietvertrag auf Konto des Hausverwalters
Leitsatz (amtlich)
Vermietet der Steuerpflichtige eine Wohnung an seine volljährige Tochter und an deren Ehemann, so ist das Mietverhältnis nicht deshalb als rechtsmißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 zu beurteilen, weil die Tochter unterhaltsberechtigt ist.
Orientierungssatz
1. Eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung liegt schon dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige einen Mietvertrag nicht nur mit seiner unterhaltsberechtigten Tochter, sondern auch mit deren Partner, seinem späteren Schwiegersohn abschließt, ohne diesem eigens Geldbeträge zuzuwenden. Damit ist das Mietverhältnis insgesamt nicht rechtsmißbräuchlich, weil das Vertragsverhältnis des Steuerpflichtigen zu seiner Tochter nicht von dem zu seinem künftigen Schwiegersohn trennbar ist.
2. Vermietet der Steuerpflichtige eine Wohnung an seine volljährige Tochter und an deren Ehemann, so ist das Mietverhältnis auch deshalb nicht rechtsmißbräuchlich, weil der Vater im Streitjahr verpflichtet war, seiner Tochter den Unterhalt in Form einer Geldrente zu zahlen. Der Umstand, daß die Tochter noch unverheiratet war, als der Mietvertrag abgeschlossen wurde, kann sich auf das Streitjahr nicht mehr auswirken. Für die Frage des Gestaltungsmißbrauchs ist es in diesem Fall unbeachtlich, ob die Tochter im Streitjahr in der Lage war, die Miete aus eigenen Mitteln zu zahlen.
3. Auch wenn ein Mietvertrag zwischen dem Vater und seiner Tochter bzw. deren Ehemann nicht rechtsmißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 ist, muß geprüft werden, ob der Vertrag --als Vertrag unter nahen Angehörigen-- ernsthaft gewollt war und durchgeführt wurde und ob die Leistungen nicht der Lebensführung (§ 12 EStG) dienten. Dem Mietverhältnis ist die steuerrechtliche Anerkennung jedoch nicht allein deshalb zu versagen, weil die Tochter und ihr Ehemann die Nebenkostenpauschale abweichend vom Mietvertrag nicht an den Kläger, sondern direkt an den Hausverwalter der Wohnanlage überwiesen haben. Vielmehr ist dieser Umstand im Rahmen der Gesamtwürdigung aller sonstigen Umstände dieses Falles zu werten (vgl. auch BVerfG-Beschluß vom 7. November 1995 2 BvR 802/90).
Normenkette
AO 1977 § 42; BGB § 1612; EStG § 12 Nrn. 1-2, § 21 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die 1966 geborene Tochter des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit Mai 1989 verheiratet und hat zwei 1988 geborene Kinder. Im Streitjahr studierte sie noch und wurde von ihren Eltern mit monatlich mindestens 700 DM unterstützt. Darüber hinaus erhielt sie Landeserziehungsgeld und Sozialhilfe. Der Ehemann der Tochter erhielt im Streitjahr Unterstützungszahlungen von seinen Eltern und Beträge nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Darüber hinaus erhielt er Wohngeld und Kindergeld. Insgesamt verfügte die Familie der Tochter des Klägers im Streitjahr über 34 729 DM.
1988 erwarb der Kläger in X, dem Studienort seiner Tochter, eine Wohnung. Diese vermietete er am 15. Mai 1988 an seine Tochter und den späteren Schwiegersohn zum Preis von 750 DM monatlich. Ferner war eine Umlage von 205 DM für Nebenkosten zu zahlen. Die Miete wurde im Streitjahr regelmäßig zum Monatsanfang vom jetzigen Schwiegersohn des Klägers überwiesen. Ebenfalls zum Monatsanfang überwies der Kläger an seine Tochter den monatlichen Betrag von 700 DM.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger aus der Vermietung seiner Wohnung in X einen Werbungskostenüberschuß von 5 703 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte das Mietverhältnis nicht an (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) und berücksichtigte den geltend gemachten Werbungskostenüberschuß nicht.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückwies (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 229).
Das Mietverhältnis sei rechtsmißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977. Die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604) gälten auch für Mietverhältnisse mit verheirateten unterhaltsberechtigten Kindern. Die Tochter des Klägers sei wegen ihres Studiums grundsätzlich noch unterhaltsberechtigt; denn ihr Ehemann habe im Streitjahr seiner Unterhaltspflicht nicht vollständig nachkommen können.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 42 AO 1977 und des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Grundsätze des BFH zur Beurteilung von Mietverhältnissen zwischen Eltern und unverheirateten Kindern könnten nicht auf das Verhältnis zu verheirateten Kindern übertragen werden. Die rein wirtschaftliche Betrachtungsweise des FG werde den Vorgaben des Grundgesetzes --GG-- (Art. 6 Abs. 1 GG) nicht gerecht.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 19. Februar 1992 die Einkommensteuer 1990 unter Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5 703 DM niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat zu Unrecht den Ansatz eines Werbungskostenüberschusses in Höhe von 5 703 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 EStG) deshalb abgelehnt, weil der Mietvertrag des Klägers mit seiner Tochter und deren Ehemann im Streitjahr 1990 wegen Rechtsmißbrauchs (§ 42 AO 1977) steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei. Der erkennende Senat hat zwar eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung angenommen in dem Fall, in dem ein Elternteil eine ihm gehörende Wohnung seinem volljährigen, studierenden Kind --das nicht über eigene Einkünfte verfügte-- vermietete (Urteil in BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604; Beschluß vom 14. Juni 1988 IX B 157/87, BFH/NV 1990, 97). Auf die Kritik an diesem Urteil (vgl. Nachweise im BFH-Urteil vom 28. März 1995 IX R 47/93, BFHE 177, 416, BStBl II 1996, 59) braucht der Senat im Streitfall nicht einzugehen, weil er bereits dann eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung verneint hat, wenn der Unterhaltsverpflichtete und Vermieter den Unterhalt in Form einer Geldrente zu gewähren hatte (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--), also nicht bestimmen konnte, den Unterhaltsanspruch auf andere Art --z.B. durch Sachleistungen-- zu erfüllen (§ 1612 Abs. 2 BGB; Urteil vom 19. Dezember 1995 IX R 85/93, BFHE 180, 265, BStBl II 1997, 52). Rechtsmißbrauch hat der BFH auch dann verneint, wenn der Mietvertrag mit einem Kind abgeschlossen wurde, das die Miete aus eigenen Mitteln zahlen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 23. Februar 1994 X R 131/93, BFHE 173, 551, BStBl II 1994, 694, und vom 28. März 1995 IX R 47/93, BFHE 177, 416, BStBl II 1996, 59, dazu Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Januar 1996 IV B 3 -S 2253- 130/95, BStBl I 1996, 37).
Im Streitfall ist eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung entsprechend dem BFH-Urteil in BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604 bereits deshalb nicht gegeben, weil der Kläger den Mietvertrag nicht nur mit seiner unterhaltsberechtigten Tochter, sondern auch mit deren Partner, seinem späteren Schwiegersohn, abgeschlossen hat. Diesem gegenüber ist der Kläger nicht zum Unterhalt verpflichtet, und nach den unangefochtenen Feststellungen des FG wandte der Kläger ihm auch keine Geldbeträge zu. Damit ist das Mietverhältnis insgesamt nicht rechtsmißbräuchlich, weil insoweit das Vertragsverhältnis des Klägers zu seiner Tochter nicht von dem zu seinem Schwiegersohn trennbar ist.
Im übrigen ist eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung (§ 42 AO 1977) hier auch deshalb zu verneinen, weil der Vater 1990 verpflichtet war, seiner Tochter den Unterhalt in Form einer Geldrente zu zahlen (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da seine Tochter in diesem Jahr verheiratet war, konnte der Kläger nicht bestimmen, in welcher Art der Unterhalt zu gewähren war (§ 1612 Abs. 2 BGB), insbesondere konnte er seine Tochter nicht auf eine teilweise Erfüllung des Unterhaltsanspruchs in Sachleistungen verweisen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 180, 265, BStBl II 1997, 52, zu 1.b). Insofern ist die Tochter in einer vergleichbaren Situation wie die unterhaltsberechtigte Mutter im BFH-Urteil in BFHE 180, 265, BStBl II 1997, 52. Aus den dort angeführten Gründen ist auch der Abschluß des Mietvertrags hier nicht rechtsmißbräuchlich. Der Umstand, daß die Tochter noch unverheiratet war, als der Mietvertrag 1988 abgeschlossen wurde, kann sich auf das Streitjahr nicht mehr auswirken.
In Anbetracht dessen kann dahinstehen, ob die Tochter des Klägers im Streitjahr in der Lage war, die Miete aus eigenen Mitteln zu zahlen.
2. Das FG hat --entsprechend seiner Rechtsauffassung folgerichtig-- keine Feststellungen dazu getroffen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gegeben sind. Die Sache war daher zur Nachholung dieser Feststellungen an das FG zurückzuverweisen, weil der BFH als Revisionsgericht sie nicht selbst treffen kann (§ 118 Abs. 2 FGO).
In diesem Zusammenhang wird das FG auch prüfen müssen, ob der Mietvertrag ernsthaft gewollt war und durchgeführt wurde und ob die Leistungen nicht der Lebensführung (§ 12 EStG) dienten; denn es handelt sich um einen Vertrag unter nahen Angehörigen (zu den Anforderungen an Verträge in diesen Fällen vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, m.w.N.). Dem Mietverhältnis ist die steuerrechtliche Anerkennung jedoch nicht allein deshalb zu versagen, weil die Tochter und ihr Ehemann die Nebenkostenpauschale abweichend vom Mietvertrag nicht an den Kläger, sondern direkt an den Hausverwalter der Wohnanlage überwiesen haben. Vielmehr ist dieser Umstand im Rahmen der Gesamtwürdigung aller sonstigen Umstände dieses Falles zu werten (vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34).
Fundstellen
Haufe-Index 66182 |
BFH/NV 1997, 329 |
BStBl II 1997, 599 |
BFHE 182, 291 |
BFHE 1997, 291 |
BB 1997, 1881 |
DB 1997, 1545 |
DStR 1997, 1282 |
DStRE 1997, 635 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 722 |
HFR 1997, 756 |
StE 1997, 430 |