Leitsatz (amtlich)
1. Ein Erwerbsvorgang ist im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Bayern nur dann rückgängig gemacht, wenn die Beteiligten durch die Aufhebung des Kaufvertrages über das Grundstück derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, daß die Verwertungsmöglichkeit nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Verkäufer des Grundstücks seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt.
2. Wird ein Grundstück zunächst von einer Kapitalgesellschaft gekauft, obwohl nach den internen Absprachen zwischen dieser und ihrer Mehrheitsgesellschafterin letztere das Grundstück kaufen sollte, und wollten die Vertreter der Kapitalgesellschaft auch für diese handeln, so liegt keine Rückgängigmachung vor, wenn der Kaufvertrag in unlösbarer Verbindung mit dem gleichzeitigen Abschluß eines neuen übereinstimmenden Kaufvertrages mit der Mehrheitsgesellschafterin aufgehoben wird und dadurch im alleinigen Interesse der Käuferseite der Erwerber des Grundstücks ausgetauscht wird.
Normenkette
GrEStG Bayern § 17 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin hatte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. Juli 1968 ein Grundstück zum Kaufpreis von ... DM gekauft. Sie wurde hierbei durch einen Geschäftsführer und einen Prokuristen vertreten. Das beklagte FA setzte für den Erwerb Grunderwerbsteuer fest, die von der Klägerin gezahlt wurde.
Am 18. November 1969 ist der Kaufvertrag privatschriftlich wieder aufgehoben worden. Gleichzeitig ist jedoch zwischen dem Verkäufer und der Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin ... X-GmbH, ein neuer Kaufvertrag geschlossen worden, der den Kaufpreis in gleicher Höhe auswies wie der zuvor mit der Klägerin geschlossene Kaufvertrag. Hinsichtlich der Besitzübergabe hieß es, daß diese als erfolgt gelte. Nutzungen und Lasten seien ab 30. Juni 1968 auf die Käuferin übergegangen.
Der Antrag der Klägerin auf Erstattung der gezahlten Grunderwerbsteuer gem. § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes i. d. F. der Bekanntmachung vom 16. Juli 1969 (Bayer. GVBl. S. 170) - GrEStG - wurde vom FA abgelehnt. Einspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben.
Das FG hat für erwiesen erachtet, ursprünglich sei ein Erwerb durch die X-GmbH vorgesehen gewesen. Bei der Beurkundung des von der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrages hätten jedoch die für diese handelnden Personen auch für sie handeln wollen. Mit der Aufhebung des Vertrages vom 11. Juli 1968 sei keine Lösung von den Vereinbarungen in dem Sinne erfolgt, daß der Verkäufer wieder frei über das Grundstück hätte verfügen können. Dies ergebe sich aus der Auskunft des Verkäufers und auch aus dem Schreiben der Klägerin an den Verkäufer vom 11. August 1969, in dem von einer "rein formellen Angelegenheit" bzw. "Namensänderung" die Rede sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG findet eine Erstattung der entrichteten Grunderwerbsteuer nur statt, wenn der Erwerbsvorgang u. a. durch Aufhebung der Vereinbarung rückgängig gemacht wird. Hierfür reicht jedoch die formale Aufhebung des Kaufvertrages nicht aus. Der Erwerbsvorgang muß auch tatsächlich rückgängig gemacht werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats liegt eine Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nur dann vor, wenn durch die Aufhebung des Kaufvertrages die Beteiligten derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, daß die Verwertungsmöglichkeit nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. die Urteile des BFH vom 6. Mai 1969 II 141/64, BFHE 96, 326, BStBl II 1969, 630; vom 10. Oktober 1973 II R 33/68, BFHE 111, 544, BStBl II 1974, 362, und vom 10. Juli 1974 II R 95/68, BFHE 113, 311, BStBl II 1974, 771). Entgegen früherer Auffassung des Senats bedarf es zu dieser Aussage nicht der Heranziehung des § 6 StAnpG. Die Aussage kann vielmehr unmittelbar dem § 17 GrEStG entnommen werden.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Oktober 1973 II R 33/68 ausgeführt hat, unterliegt der Grunderwerbsteuer nicht nur der Erwerb des Anspruchs auf Übereignung, sondern auch dessen Freigabe durch Abtretung an einen Dritten, ohne daß dadurch die Steuerpflicht des ursprünglichen Erwerbers dieses Anspruchs beseitigt würde. Daraus folgt, daß die Aufhebung eines Übereignungsanspruchs nur dann als Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG angesehen werden kann, wenn sie den Verkäufer schlechthin aus seiner Übereignungspflicht entläßt.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem vom Gesetzgeber angestrebten Zweck. Er ging bei Schaffung des § 1 GrEStG davon aus, "daß durch diese Rechtsvorgänge in der Regel als das von den Beteiligten beabsichtigte wirtschaftliche Ergebnis ein Grundstücksumsatz verwirklicht wird" (RStBl 1940, 410). Da durch die Besteuerung der Verpflichtungsgeschäfte letztlich der Grundstücksumsatz erfaßt werden sollte, war es erforderlich, durch § 17 GrEStG in bestimmtem Umfang die Besteuerung wegfallen zu lassen, wenn der Grundstücksumsatz nicht zustande kam oder wieder rückgängig gemacht wurde (vgl. hierzu die Ausführungen in dem Urteil des Senats vom 22. Mai 1974 II R 71/68, BFHE 113, 127, BStBl II 1974, 687).
Unter Berücksichtigung des dargestellten Zwecks des § 17 GrEStG reicht es zur Rückgängigmachung eines Erwerbvorganges nicht aus, daß lediglich das Verpflichtungsgeschäft formal aufgehoben wird, ohne daß sich damit die durch das aufgehobene Verpflichtungsgeschäft für den Verkäufer herbeigeführte rechtliche und wirtschaftliche Situation grundlegend ändert. Durch die formale Aufhebung des Verpflichtungsgeschäfts allein wird der "Grundstücksumsatz" nicht rückgängig gemacht. Erfolgt die Aufhebung des Kaufvertrages lediglich zum Zwecke der anschließenden Übertragung auf eine vom Käufer ausgewählte dritte Person, ohne daß der Verkäufer in irgendeiner Weise sein früheres Verfügungsrecht über das Grundstück zurückerlangt, ist der frühere Kaufvertrag über seine formale Aufhebung hinaus nicht rückgängig gemacht worden. § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG findet deshalb im vorliegenden Fall keine Anwendung.
Dies gilt auch dann, wenn nach den internen Absprachen zwischen der Klägerin und ihrer Mehrheitsgesellschafterin das Grundstück an sich für die Mehrheitsgesellschafterin erworben werden sollte. Denn es steht fest, daß die für die Klägerin handelnden Personen ihre Willenserklärungen für die Klägerin abgeben wollten und auch abgegeben haben. Wird in einem solchen Falle im Einvernehmen mit dem Verkäufer der Vertrag aufgehoben und ein neuer Vertrag mit der Mehrheitsgesellschafterin abgeschlossen, so liegt eine Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht vor. Da der Verkäufer die Verwertungsbefugnis über das Grundstück nicht zurückerlangt hat, obwohl er hieran durchaus interessiert gewesen wäre, sind die Abmachungen als Auswechslung des Käufers wie bei der Abtretung des Auflassungsanspruches zu beurteilen. Dabei ist es für die rechtliche Beurteilung gleich, welche Gründe die Käuferin und ihre Mehrheitsgesellschafterin veranlaßt haben, für die Auswechslung des Grundstückskäufers zu sorgen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 24. Juni 1969 II R 132/66 (BFHE 97, 92, BStBl II 1970, 22). Dort hat der Senat eine Rückgängigmachung für den Fall bejaht, daß die für die dortige Klägerin handelnden Personen für eine andere Gesellschaft handeln wollten, für die sie auch handeln durften, ihre Erklärungen aber nach den Umständen (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB) als für die dortige Klägerin abgegeben zu beurteilen waren. Wenn die Klägerin dort von der zivilrechtlich vielleicht problematischen, für sie aber jedenfalls zweischneidigen (vgl. § 142 Abs. 1 BGB) Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung (§ 119 Abs. 1 BGB) absah und den Vertragswillen ihrer Vertreter durch eine Vertragsänderung Rechnung tragen konnte, so liegt dieser Fall entscheidend anders als der vorliegende, wo Vertragswille und Auslegung des geäußerten Vertragswillens im Einklang miteinander stehen. In dem am 24. Juni 1969 entschiedenen Fall mochte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei sinnvoller Auslegung dieser Vorschrift bejaht werden. Im vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht möglich; denn die für die Klägerin handelnden Personen wollten auch für die Klägerin handeln. Sie waren als satzungsmäßige Vertreter der Klägerin hierzu berechtigt. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit etwa entgegen dem Willen oder den "Weisungen" der Gesellschafter handelten. Denn für eine etwaige Anfechtung des Vertrages ist hinsichtlich der Willensmängel, der Kenntnis oder des Kennenmüssens auf die Person der Vertreter abzustellen (§ 166 BGB). Eine etwaige Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnisse der Vertreter hätte im übrigen auch keine Außenwirkung (§ 37 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung).
Fundstellen
Haufe-Index 72143 |
BStBl II 1977, 87 |
BFHE 1977, 405 |