Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuermessbetrag, Zahlung von Darlehenszinsen an ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges verbundenes Unternehmen, Hinzurechnung zum Gewinn
Leitsatz (amtlich)
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts nicht entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt.
Normenkette
EGRL 49/2003 Art. 1 Abs. 1
Beteiligte
Scheuten Solar Technology |
Scheuten Solar Technology GmbH |
Finanzamt Gelsenkirchen-Süd |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Steuerwesen ‐ Richtlinie 2003/49/EG ‐ Gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten ‐ Gewerbesteuer ‐ Festsetzung der Bemessungsgrundlage“
In der Rechtssache C-397/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Mai 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Oktober 2009, in dem Verfahren
Scheuten Solar Technology GmbH
gegen
Finanzamt Gelsenkirchen-Süd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Scheuten Solar Technology GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt K. von Brocke und Steuerberaterin A. Küntscher,
‐ des Finanzamts Gelsenkirchen-Süd, vertreten durch R. Rasche als Bevollmächtigten,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen und C. Vang als Bevollmächtigte,
‐ der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und J. Langer als Bevollmächtigte,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und S. Johannesson als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Mai 2011
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 157, S. 49).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Scheuten Solar Technology GmbH (im Folgenden: SST) und dem Finanzamt Gelsenkirchen-Süd (im Folgenden: Finanzamt) über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 der Richtlinie 2003/49 bestimmt:
„(1) In einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren werden von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern ‐ unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden ‐ befreit, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte eines Unternehmens eines Mitgliedstaats ist.
(2) Eine Zahlung, die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaats oder einer in einem Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats getätigt wurde, gilt als in dem betreffenden Mitgliedstaat (im Folgenden ‚Quellenstaat‘ genannt) angefallen.
…
(4) Ein Unternehmen eines Mitgliedstaats wird nur als Nutzungsberechtigter der Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt, wenn es die Zahlungen zu eigenen Gunsten und nicht nur als Zwischenträger, etwa als Vertreter, Treuhänder oder Bevollmächtigter für eine andere Person erhält.
…
(7) Dieser Artikel findet nur Anwendung, wenn das Unternehmen, das Zahler der Zinsen oder Lizenzgebühren ist, oder das Unternehmen, dessen Betriebsstätte als Zahler der Zinsen oder Lizenzge...