Rz. 14
Seitdem die Europäische Investitionsbank als erster Emittent in 2007 einen Climate Awareness Bond am Kapitalmarkt platziert hat, hat sich der Markt auf derzeit ca. 500 Mrd. USD weiterentwickelt.
In 2022 gab es eine Schwächung des Green Bond Markts aufgrund der gestiegenen Zinsen, was sich jedoch mit einer erwarteten Zinswende in 2024 wieder ändern könnte.
Gleichwohl deckt der Green Bond Markt derzeit nur ca. 5 % des gesamten Kapitalmarktemissionsvolumens ab. Zwar können die Wachstumsraten im Marktsegment Green Bonds am Kapitalmarkt durchaus als hoch angesehen werden, dennoch decken diese bei Weitem nicht die innerhalb des EU Green Deals veranschlagten Kapitalbeträge für eine klimaneutrale Realwirtschaft innerhalb der EU bis 2050.
Es sei angemerkt, dass es näherer Analysen bedarf, wer in Green Bonds investiert und aus welchen Gründen die Investition erfolgt.
In welchem Volumen jedoch auch die Geldpolitik in diesem Markt aktiv ist und folglich keine langfristigen ESG- oder Investorenziele verfolgt, wäre bei der Analyse des Green Bond Markts zu berücksichtigen.
Rz. 15
Politische und regulatorische Maßnahmen
Das derzeitige Marktvolumen und die Marktdynamik im Green Bond Markt reichen bei Weitem nicht aus, um die notwendigen Mittel am Markt zu generieren. Aus diesem Grund bedarf es verschiedener Maßnahmen, die die Bedürfnisse von Investoren und Emittenten stärker berücksichtigen:
- Anlagen in Green Bonds werden in Deutschland derzeit nicht steuerlich begünstigt. Investoren zahlen auf die laufenden Erträge denselben Steuersatz inkl. Solidaritätszuschlag wie für entsprechende Erträge aus nicht grünen Investments. Andere Länder haben diese Lenkungswirkung von Investitionen durch entsprechende Steuersenkungen erkannt. Insbes. Rentenfonds müssten sich wohl fragen, warum sie in Green Bonds investieren, wenn die laufenden Kosten im Vergleich zu anderen Anleihen höher sind, bei aktuell weitgehend gleicher Rendite.
- Die Bankenaufsicht (EBA) argumentiert derzeit, dass es aktuell keine belastbaren Modelle/Metriken gibt, die ESG-Risiken bei der Unterlegung von Eigenkapital (CRR) zu berücksichtigen. Zudem ist man der Ansicht, dass in den Daten der Säule 1 Umweltrisiken idealerweise eingepreist sind. Die Einbeziehung und Bepreisung von tatsächlichen und potenziellen physischen und transitorischen ESG-Risiken scheint jedoch genauso wenig realistisch für die meisten Institute zu sein wie die Berücksichtigung oder Steuerung über ESG-Kennzahlen oder Konzentrationsrisikokennziffern. Der aktuelle Umsetzungsstand der 7. MaRisk Novelle weist noch diverse Lücken auf, die eine belastbare Datenerhebung und -bewertung sowie ESG-Steuerung als eher unwahrscheinlich erscheinen lassen. Gleichwohl ist man sich bewusst, dass ESG-Risiken ein systemisches Risiko für das Finanzsystem darstellen. Aus diesem Grund wird empfohlen, bei den Kapitalanforderungen für Institute sog. "Green Differentiated Capital Requirements" (GDPR) flankierend zu politischen Maßnahmen einzusetzen. Hilfreich wäre daher die Einführung sog. strenger makro-/systemaufsichtsrechtlicher Faktoren; d. h. von Green Supporting Factors (GSF) und Green Penalty Factors (GPF), welche das gewichtete Risiko für Finanzierungen bei der Ermittlung aufsichtsrechtlicher Eigenkapitalanforderungen verringern oder erhöhen.
- Von Seiten der Politik sollten Maßnahmen konkretisiert und ergriffen werden, wenn die versprochenen Investitionsobjekte und/oder die avisierten Umweltauswirkungen nicht vorgenommen bzw. nicht erreicht werden. Hieraus können Strafzahlungen der emittierenden Gesellschaft oder für deren handelnde Personen genauso wie Korrekturen der Verzinsung der jeweiligen Green Bonds resultieren; z. B. Green Bond Penalty (GBP) oder Green Bond Premium (GBP) Zinsanpassungsmechanismen für die Erreichung bzw. Nichterreichung von Zielen.
Rz. 16
Nachfolgend sollen daher die im unregulierten Markt der Green Bonds privatrechtlich sich entwickelten Green Bond Standards vorgestellt werden. Anschließend erfolgt eine Betrachtung der von der EU in Erarbeitung befindlichen EU-Green Bond Standards, die als neuer "Goldstandard" von vielen Akteuren bezeichnet werden. Ziel der EU ist es, mit diesem "Goldstandard" die bisherigen Ineffizienzen im Green Bond Markt zu beheben und international neue Maßstäbe zu setzen.