Rz. 28
Die hohen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die mit der CSRD auf Europas Wirtschaft zurollen, betreffen Tausende Familienunternehmen. Insbes. den bilanzrechtlich großen Unternehmen unter ihnen, die schon für das Geschäftsjahr 2025 die neuen Pflichten erfüllen müssen, steht eine enorme Kraftanstrengung bevor. Dies stellt sie vor 3 spezifische Herausforderungen:
- Nachhaltigkeit gehört für Familienunternehmen, deren Wesenskern es ist, generationenübergreifend zu denken und zu wirtschaften, zwar zum Selbstverständnis. Damit befinden sie sich grds. in einer guten Ausgangsposition, verglichen mit anderen Unternehmen. Zugleich zeigt ein Blick auf die Praxis, dass es Familienunternehmen vielfach noch an einer systematischen Nachhaltigkeitsstrategie samt Maßnahmen fehlt. Es gibt Leuchttürme, doch mehrheitlich fehlt es an einer Konkretisierung, was Nachhaltigkeit für das Geschäftsmodell, für Produkte und Dienstleistungen, für Prozesse u. Ä. bedeutet. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass weiter ein großes Potenzial existiert, sich positiv von anderen abzuheben.
- Familienunternehmen weisen besondere Charakteristika auf, die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit positiv verstärken können (wie kurze, schnelle Entscheidungswege oder ein traditionell gutes, enges Verhältnis zur Belegschaft), sie aber auch negativ beeinflussen können (wie das Vermischen der 3 Sphären Familie, Unternehmen und Eigentum, Konflikte zwischen Generationen oder Familienstämmen sowie eine mangelhafte Governance).
- Familienunternehmen sind traditionell eher diskret und öffentlichkeitsscheu, entweder weil sie Veränderungen systematisch angehen wollen (nach dem Motto "wenn, dann richtig") oder auch nur, weil sie auf Harmonie bedacht sind und in Ruhe wirtschaften wollen. Die CSRD zwingt viele von ihnen nun spätestens ab 2025 zu mehr Reporting und mehr Kommunikation, und zwar in Formaten und einer Detailtiefe, die ihnen von außen vorgegeben wird. An den Grundlagen für eine derart umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung fehlt es vielerorts noch. Viele Familienunternehmen beginnen gerade erst mit den nötigen Vorbereitungen. Dies gilt sowohl für KPI, Messungen und Daten als auch für deren systematische Aufbereitung, das offizielle Reporting und die öffentliche Kommunikation. Ganz zu schweigen von der Frage, wie sich Nachhaltigkeit zu einem integralen Bestandteil der internen Unternehmenssteuerung machen ließe.
Rz. 29
Eine Sonderrolle bei dem Versuch, sowohl mehr Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen, Produkten, Leistungen und Prozessen als auch die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung zu gewährleisten, kommt der nächsten Generation zu. Sie ist offener für mehr Nachhaltigkeit, bringt das nötige Problembewusstsein mit und sollte mehr wagen, mehr organisieren und mehr kommunizieren. Der Prozess steht noch am Anfang, doch es ist wichtig, dass Familienunternehmen sich auf den Weg machen, denn gerade sie sollten – wenn sie es nicht schon sind – aktive Gestalter des Prozesses sein. Statt nur den Anforderungen des Staates, den Wünschen der Stakeholder und wagemutigeren Konkurrenten hinterher zu laufen, sollten Familienunternehmen "Chef im Ring bleiben". Sie sollten agieren statt reagieren, wenn auch weitere Generationen ein starkes, zukunftsfähiges Unternehmen übernehmen sollen.