Im Bereich der Werbefotografie kommt es nicht darauf an, ob der Fotograf im Einzelfall einen eigenschöpferischen Gestaltungsspielraum hat, denn: Werbung sei per se Kunst (BSG Urteil vom 12.11.2003, Az. B 3 KR 10/03 R):
Zitat
Die Werbefotografie ist eine künstlerische Tätigkeit i. S. der §§ 2 und 25 KSVG. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Werbefotografen im Einzelfall ein kunsttypischer eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht (...).
Damit liegt ein klarer Widerspruch zum vom BSG über Jahre entwickelten Begriff der Kunst i. S. d. KSVG vor. Denn Definitionsmerkmal war bislang stets die "eigenschöpferische Leistung". Dieses Merkmal soll nach diesem Urteil nun dann nicht heranzuziehen sein, wenn die Fotografie vom Auftraggeber später für seine Werbung verwendet wird. Als Grund führt das BSG an, dass für die bildliche Gestaltung von Werbung und Marketing "vielfach selbstständige Grafiker, Werbefotografen und Designer" herangezogen werden (BSG a. a. O.):
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Die Einbeziehung der Werbung betreibenden Unternehmen in den Kreis der Kunstverwerter lässt darauf schließen, dass gerade die von diesen typischerweise herangezogenen ‘kreativen’ Selbstständigen zu dem Personenkreis zählen, der in § 2 KSVG mit ‘bildende Kunst Schaffenden’ bezeichnet worden ist.
Das BSG zitiert damit aus seiner Entscheidung vom 31.1.2001 und orientiert sich an der sog. "Typologie der Ausübungsformen": Was einem bestimmten Kunsttypus entspricht (Fotografie, Malerei, Tanz), soll generell Kunst i. S. d. KSVG sein, ohne dass es auf den Gestaltungsspielraum im Einzelfall ankomme.
Beispiel
Ein freier Fotograf übernimmt zwei Aufträge für Werbekataloge: ein Modeshooting und den Auftrag eines Möbelherstellers. Bei dem Modeshooting hat er freie Hand, arbeitet mit der Stylistin zusammen und führt das Model. Bei den Aufnahmen für den Möbelhersteller dagegen wird das Set vollständig vom Designer eingerichtet. Der Designer bestimmt auch Standort der Kamera und Beleuchtung. Einen Spielraum für "freie schöpferische Gestaltung" verbleibt dem Fotografen damit nur bei dem Modeshooting, nicht dagegen bei den Möbelfotografien. Da es sich in beiden Fällen aber um Werbefotografie handelt, sind die gezahlten Entgelte abgabepflichtig.
Das BSG hat diese Rechtsprechung auch auf Visagisten angewendet (Urteil vom 12.5.2005, Az. B 3 KR 39/04 R):
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Allein der bei der Erstellung einer Fotografie bestimmte Zweck, der Werbung zu dienen, bewirkt, dass der Fotograf sich nicht auf eine bloße naturgetreue Ablichtung eines Bildobjekts beschränken darf, sondern bemüht sein muss, dieses Objekt nach den Vorstellungen seines Auftraggebers möglichst vorteilhaft ins Bild zu setzen (...). Dieser Kreis der ‘Kreativen’ beschränkt sich aber nicht nur auf den Werbefotografen, sondern umfasst auch alle anderen Personen, die zum Gelingen eines Werbeauftrags eigenverantwortlich und nicht unerheblich beitragen. Hierzu zählt auch die Klägerin.