Tanja Castor, Stefan Schnell
Rz. 3
Seit dem Jahr 2007 wendet BASF als Vorreiter das Konzept der integrierten Berichterstattung an. Was zunächst mit einer kombinierten Darstellung der bisher getrennten Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht begann, entwickelte sich im Zeitverlauf zu einer vollintegrierten Berichterstattung der wesentlichen finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Themen. Besonderer Fokus liegt bei dem verfolgten Konzept der integrierten Berichterstattung auf der Darstellung relevanter Interdependenzen, d. h. Wirkzusammenhängen zwischen nachhaltigkeitsbezogener und finanzieller Performance.
Mit einer konsequenten Anwendung des integrierten Berichtskonzepts können Unternehmen sowohl interne Ziele als auch Ziele in Bezug auf die externe Wahrnehmung und die sich ändernden Bedürfnisse relevanter Nutzer von Berichtsinformationen, wie z. B. Finanzmarktakteure, Ratingagenturen oder Experten aus der Zivilgesellschaft, optimal verfolgen.
Rz. 4
Relevante interne Beweggründe für die Umstellung auf integrierte Berichterstattung waren:
- Das Bestreben, die Unternehmensstrategie adäquat zu reflektieren, in der Nachhaltigkeit vollumfänglich integriert betrachtet wird.
- Der Anspruch, die nationale und internationale Vorreiterrolle in der Berichterstattung auszubauen.
- Prozesseffizienzen generieren durch Zusammenlegung paralleler Abstimmungsprozesse und teils redundanter Berichtsinhalte wie z. B. wesentliche Finanzinformationen, die sowohl Teil des damaligen Unternehmensberichts als auch des Finanzberichts waren.
Als Ziele für die externe Wahrnehmung galten:
- Durch frühe Veröffentlichung der nachhaltigkeitsbezogenen Informationen im integrierten Lagebericht zur Bilanzpressekonferenz Ende Februar sollte das Aufmerksamkeitslevel der Finanzmarktakteure für diese bislang nachgelagert zur Verfügung gestellten ESG-Informationen gesteigert werden (awareness raising).
- Gleichrangige Darstellung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Performance soll Finanzmarktakteuren eine holistische Bewertung der Unternehmensleistung ermöglichen.
- Erwartungshaltung, alle wesentlichen finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Kapitalströme abgeleitet aus einer (doppelten) Wesentlichkeitsanalyse/Materialitätsanalyse im Lagebericht darzustellen.
Rz. 5
Aufgrund der sich enorm dynamisch entwickelnden Reportinglandschaft kann die integrierte Berichterstattung als ein kontinuierlicher Lern- und Weiterentwicklungsprozess gesehen werden, der sich erfahrungsgemäß durch folgende Meilensteine auszeichnet:
- die Erfassung verschiedener Kapitalströme und die Darstellung der jeweiligen Inputs, Outputs, Outcomes und Impacts,
- die Berichterstattung zu wesentlichen nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen,
- Einführung nachhaltigkeitsbezogener bedeutsamster steuerungsrelevanter Leistungsindikatoren (§ 4) sowie
- die erstmalige Prüfung der bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance; bei BASF seit dem Geschäftsjahr 2020; § 9 Rz 43).
"Integrated Reporting" – von der reinen Berichterstattung bis zum Einfluss auf die Unternehmenssteuerung
Die Veröffentlichung materieller, finanzieller und nachhaltigkeitsbezogener (extra-finanzieller) Themen im Lagebericht ist spätestens seit der Gründung des International Integrated Reporting Council (IIRC) im Jahr 2010 als integriertes Berichtskonzept bekannt. Es soll v. a. langfristig orientierte Investoren befähigen, Werttreiber in Ergänzung zum klassischen Finanzabschluss zu erfassen. Um künftige Risiken und Chancen des Unternehmens ganzheitlich zu bewerten, benötigen Investoren und Stakeholder ein vollständiges Bild der finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Informationen – sowohl zu den Auswirkungen des Klimawandels, zu menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht oder Biodiversitätsaspekten als auch zu den klassischen KPIs der Finanzberichterstattung.
Allein die kombinierte Darstellung finanzieller und nachhaltigkeitsbezogener Informationen im Lagebericht ist nicht ausreichend. Bestehende Interdependenzen sollten nachvollziehbar aufgezeigt werden. Neben den nach außen gerichteten Zielen des Integrated Reporting bringt dieses Berichtskonzept aus Anwendersicht ein nicht unwesentliches Transformationspotenzial hin zu dem vom IIRC postulierten "Integrated Thinking" und gar zu einem "Integrated Steering" mit sich.
Dieser integrierte Steuerungsansatz soll zu nachhaltigeren, resilienteren unternehmerischen Entscheidungen führen und ist die Voraussetzung für die Attraktivität des Unternehmens am Kapitalmarkt sowie für eine gesicherte Unternehmensfinanzierung. Für immer mehr Anleger, insbes. für institutionelle Investoren, sind ESG-Aspekte entscheidungsrelevante Kriterien (§ 14A).