Rz. 38
Über § 91 Abs. 2, 3 AktG und das LkSG hinaus stellt sich ebenfalls die Frage, inwiefern eine regulative Ausdehnung des betrieblichen Risikomanagementsystems (RMS) um Nachhaltigkeitsaspekte notwendig erscheint. Dies impliziert, dass das unternehmerische RMS auf eine Steuerung nicht nur von finanziellen Risiken, sondern zusätzlich von Umwelt- und Sozialrisiken abzielen müsste. Hommelhoff hatte berechtigterweise darauf hingewiesen, dass eine CSR-Berichtspflicht nach dem CSR-RUG streng genommen auch eine Berücksichtigung dieser Nachhaltigkeitsaspekte im betrieblichen Risikomanagement voraussetzen würde. Walden führt explizit an, dass bestandsgefährdende Entwicklungen auch aus Nachhaltigkeitsaspekten resultieren können, so dass eine Einbeziehung in das Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG angezeigt ist. In diesem Sinne hat auch die BaFin eine Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement von Banken in einem bekannten Merkblatt nachdrücklich empfohlen.
Rz. 39
Aus aktuellem Anlass müssten primär Klimarisiken und andere ESG-Risiken in das RMS integriert und überwacht werden. Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen der TCFD für eine Klimaberichterstattung (§ 8 Rz 159 ff.). In diesem Zusammenhang liegen ebenfalls konkrete Vorschläge im internationalen Schrifttum für ein nachhaltigkeitsorientiertes Risikomanagement vor. Der SFB schlägt in seinem Abschlussbericht ebenso eine Klarstellung der Sorgfaltspflichten des Vorstands zur Einrichtung von Kontroll- und Risikomanagementsystemen im Hinblick auf ökologische und soziale Nachhaltigkeitsrisiken vor. Folgerichtig empfiehlt der DCGK eine Integration von Umwelt- und Sozialaspekten in das betriebliche IKS und RMS (inkl. des Compliance-Management-Systems).
Rz. 40
Zumindest für börsennotierte Aktiengesellschaften stellt die Erweiterung der Vorstandspflichten um den § 91 Abs. 3 AktG und die Implementierung eines angemessenen und wirksamen Internen Kontroll- und Risikomanagementsystems (nicht nur auf Rechnungslegungszwecke bezogen) nach dem FISG einen wichtigen Impuls dar, wenngleich viele Rechtsunsicherheiten bestehen. In diesem Zusammenhang stellt sich u. a. die Frage, inwiefern börsennotierte Aktiengesellschaften ein Compliance-Management-System nach § 91 Abs. 3 AktG implementieren müssen und wie die Abgrenzung zwischen § 91 Abs. 3 AktG und dem bisherigen § 91 Abs. 2 AktG für sämtliche Aktiengesellschaften ist.
Diese Unsicherheit wird nunmehr durch den Kodex-Grundsatz 5 beseitigt, wonach das IKS bzw. das RMS auch ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance-Management-System umfassen muss. Überdies wird in der DCGK-Empfehlung A.3 dargelegt, dass das IKS und RMS auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abdecken sollen, sofern dies nicht bereits gesetzlich geboten ist. In diesem Zusammenhang ist primär auf die Sorgfaltspflichten bezogen auf die Lieferkette nach dem LkSG und der CSDDD hinzuweisen. Zumindest die im LkSG und in der CSDDD genannten Menschenrechts- und Sozialstandards müssten dann von den betreffenden Unternehmen, die Gegenstand des LkSG und der CSDDD sind, zwingend im IKS und RMS berücksichtigt werden. Andere Abkommen, z. B. das Pariser Klimaschutzabkommen, werden nicht vom LkSG und von der CSDDD eingeschlossen.