Leitsatz
Eine nationale Maßnahme, nach der Darlehenszinsen, die eine gebietsansässige Kapitalgesellschaft an einen gebietsfremden Anteilseigner zahlt, der an ihrem Kapital wesentlich beteiligt ist, unter bestimmten Voraussetzungen als vGA behandelt werden, die bei der Darlehensnehmerin besteuert wird, berührt vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 43 ff. EG.
Diese Bestimmungen können nicht bei Sachverhalten geltend gemacht werden, an denen ein Unternehmen eines Drittlands beteiligt ist.
Normenkette
Art. 43 ff., Art. 56 ff. EG, § 8a KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH. Ihr Stammkapital belief sich auf 300.000 DM, von denen 100.000 DM von Herrn Papke und 200.000 DM von der Schweizer Lasertec AG gehalten wurde.
Aufgrund des Gesellschaftsvertrags waren die Stammeinlagen zu einem Viertel sofort und der Rest auf Anforderung der Geschäftsführung zur Zahlung fällig. Durch Darlehensvertrag vom 5.1.1995 gewährte die Lasertec der Klägerin ein Darlehen i.H.v. 700.000 DM. Der Vertrag hatte zunächst eine Laufzeit von 2 Jahren. Das Darlehen sollte mit vierteljährlichen Leistungsraten i.H.v. je 34.000 DM einschließlich der Zinsen zurückzuzahlen sein. Für das Jahr 1995 beliefen sich die Zinsaufwendungen für dieses Darlehen auf 48.132,64 DM. Das gezeichnete Kapital war erst am 10.1.1995 eingezahlt worden. Das FA war daher der Auffassung, dass von dem Betrag des gezeichneten Kapitals der Betrag der am 31.12.1994 ausstehenden Einlage (225.000 DM) abzuziehen sei. Somit habe der Anteil von Lasertec am Eigenkapital der Klägerin zu diesem Zeitpunkt 50.000 DM betragen. Da das Darlehen der Lasertec an die Klägerin als "Fremdkapital" zu berücksichtigen sei, zog das FA nach § 8a KStG vom Darlehensbetrag (700.000 DM) das Dreifache des Anteils von Lasertec am Eigenkapital der Klägerin (150.000 DM) ab. Der auf den Restbetrag von 550.000 DM entfallende Anteil der Zinsaufwendungen des Jahres 1995, nämlich 37.818 DM, sei als vGA zu behandeln.
Entscheidung
Der EuGH gelangte zu der Erkenntnis, wie sie sich aus dem Leitsatz ergibt: Es sei nur die Niederlassungs-, nicht jedoch die Kapitalverkehrsfreiheit angesprochen, sodass sich die Frage nach der "Reichweite" der sog. Stand-still-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG sowie die Frage nach der Drittstaatenwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit in casu nicht stelle.
Hinweis
1. Es ging um das in der Fachöffentlichkeit bekannte Vorabentscheidungsersuchen des FG Baden-Württemberg vom 14.10.2004 (EFG 2005, 309) an den EuGH. Das FG wollte wissen:
- Ist Art. 57 Abs. 1 EG dahin auszulegen, dass es sich bei den Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern, die am 31.12.1993 "bestehen", um solche handeln soll, für die an diesem Stichtag das Rechtsetzungsverfahren vom nationalen Gesetzgeber bereits abgeschlossen worden ist, oder um solche, die nach den nationalen Rechtsvorschriften bereits am Stichtag auf verwirklichte Sachverhalte anwendbar sind?
- Ist Art. 56 Abs. 1 EG i.V.m. Art. 58 EG dahin auszulegen, dass damit die – teilweise – Besteuerung von Zinszahlungen einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft an einen Darlehensgeber in einem dritten Land, der zugleich Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist, als Gewinnausschüttung verboten wird, weil es sich dabei um eine willkürliche Diskriminierung oder um eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zwischen einem Mitgliedstaat und einem dritten Land handelt?
2. Konkret drehte es sich um die spannende und immer noch nicht (ganz) abschließend vom EuGH beantwortete Rechtsfrage danach, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die jüngste und 5. Grundfreiheit des EG-Vertrags, die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG, für das Ertragsteuerrecht inter omnes wirkt, also EG-Mitgliedstaaten-übergreifend hinein in den Drittstaatenbereich.
Um es kurz zu machen: Der EuGH ist (abermals) eine Antwort schuldig geblieben. Er hat sich um diese Antwort für den Streitfall mit der Argumentation "gedrückt", dass es um Art. 43 EG gehe. Dazu heißt es in Tz. 19 des Urteils:
"... In diesem Zusammenhang ergibt sich aus einer festen Rechtsprechung, dass bei der Prüfung, unter welche Verkehrsfreiheit eine nationale Rechtsvorschrift fällt, der Gegenstand der fraglichen Rechtsvorschrift zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinn Urteile vom 12.9.2006, Rs. C-196/04, – Cadbury Schweppes –, BFH-PR 2006, 458, Slg. 2006, I-7995, Rn. 31 bis 33, ... ."
So gesehen scheint es in der Ausgangsfrage darauf anzukommen, ob die in Rede stehende Norm nach ihrem "Gegenstand" vorzugsweise Beherrschungssituationen im Blick hat oder ob sie allgemein wirkt. Es sieht so aus, also ob der EuGH bei dem im Beschlussfall zu beurteilenden § 8a KStG und der darin geregelte Umqualifizierung von Zinsen in vGA bei Gesellschafterdarlehen Ersteres angenommen hat. Dann geht es – und zwar allein – um die EG-vertraglich verbürgte Niederlassungsfreiheit.
Ist das der Fall, dann mag es zwar sein, dass – gleichsam in einer Art Regelungs-Mitnahmeeffekt – auch nichtbeherrsc...