Die Entscheidung betrifft Augenärzte, die sich zu einer Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR zusammengeschlossen hatten und im Rahmen einer weiteren GbR Kontaktlinsen verkauften. Die beiden Gesellschaften waren organisatorisch und finanziell voneinander unabhängig. Für beide Gesellschaften wurden jeweils eigene Erklärungen zur einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen abgegeben: Den Erklärungen waren getrennte Einnahme-Überschußrechnungen für die Augenarztpraxis und die Kontaktlinsengesellschaft beigefügt ( Freiberuflersozietät/Partnerschaft ).
Dennoch ging das Finanzamt davon aus, daß hier nicht zwei eigenständige Gesellschaften vorgelegen haben; denn die Kontaktlinsengesellschaft sei mangels eigener Rechnungsvordrucke, eines eigenen Firmenschilds usw. nach außen nicht in Erscheinung getreten. Deshalb sei nur eine „BGB-Gesellschaft” vorhanden gewesen. Deren sämtliche Einkünfte – also auch die aus der freiberuflichen Augenarzttätigkeit – behandelte das Finanzamt bei der einheitlichen Gewinnfeststellung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ( Gewerbliche Einkünfte ).
Das Finanzamt stützte sich dabei auf die sog. „Abfärbe-Regelung” ( § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ), nach der die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb „gilt” , wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Diese Regelung hat zur Folge, daß selbst bei ganz geringer gewerblicher Betätigung die anderen – nichtgewerblichen (z. B. freiberuflichen) – Einkünfte kraft Gesetzes wie gewerbliche Einkünfte behandelt und damit auch von der Gewerbesteuer erfaßt werden ( § 7 GewStG ).
Den Folgen aus der Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG versucht man in der Praxis u.a. dadurch zu entgehen, daß die freiberufliche und die gewerbliche Tätigkeit von jeweils eigenen Rechtsträgern wahrgenommen werden. Hierzu werden zwei zivilrechtlich selbständige personengleiche Personengesellschaften mit unterschiedlicher Zweckbestimmung gegründet (vgl. BFH, Urteile v. 10. 8. 1994, I R 133/93 , BStBl 1995 II S. 171; v. 8. 12. 1994, IV R 7/92, BStBl 1996 II S. 264 und v. 13. 11. 1997, IV R 67/96, BStBl 1998 II S. 254). Dabei muß sich allerdings die Tätigkeit der gewerblich tätigen Gesellschaft eindeutig von der Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis abgrenzen lassen. Der Gesellschaftsvertrag muß so gestaltet sein, daß die Gesellschaft wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell von der Gemeinschaftspraxis unabhängig ist. Außerdem sind getrennte Aufzeichnungen und Bücher zu führen. Die hierbei zu beachtenden Einzelheiten sind in einem Erlaß des Bundesfinanzministeriums geregelt (BMF, Schreiben v. 14. 5. 1997, BStBl 1997 I S. 566).
Auch im Streitfall wollten die Augenärzte durch Anwendung eines solchen „Ausgliederungsmodells” ihre freiberuflichen Einkünfte vor der Umqualifizierung in gewerbliche Einkünfte bewahren. Die von ihnen gegründeten Gesellschaften hielten auch – entgegen der übertrieben strengen Einschätzung durch das Finanzamt – der Beurteilung durch den BFH stand. Damit hat der BFH seine ständige Rechtsprechung fortgesetzt, nach der die Gründung zweier voneinander unabhängiger Gesellschaften mit unterschiedlichen Funktionen einen Ausweg aus der – zu gleichheitswidrigen Konsequenzen führenden – Anwendung der „Abfärbe-Regelung” bieten soll.
An der Verfassungsmäßigkeit der Abfärbe-Regelung bestehen im übrigen erhebliche Zweifel (vgl. Schulze-Osterloh in Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk S. 531; Schwendy, INF 1995 S. 75; Korn, DStR 1995 S. 1249; Habscheid, BB 1998 S. 1184). Das Niedersächsische FG hat deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 dem BVerfG – nach einem zunächst erfolglosen Versuch (vgl. BVerfG, Beschluß vom 5. 5. 1998, 1 BvL 23/97) erneut die Frage vorgelegt, ob § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verfassungswidrig ist (Niedersächsisches FG, Beschluß v. 24. 6. 1998, IV 317/91).