Leitsatz
1. Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit stehen bei Überschreiten der sog. Bagatellgrenze der Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit einer GbR nicht entgegen (Aufgabe der im BFH-Urteil vom 12.04.2018 ‐ IV R 5/15, BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz. 34 f. zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. vertretenen Rechtsauffassung).
2. Die seitwärts abfärbende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG i.d.F. des WElektroMobFördG (EStG n.F.) ist für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften nicht stärker einzuschränken, als dies bisher für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften geschehen ist.
3. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 und § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. sind verfassungsgemäß.
Normenkette
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1, Satz 2 Alternative 1, § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG i.d.F. des WElektroMobFördG, Art. 3 Abs. 1 GG, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO
Sachverhalt
Gesellschaftszweck der 2009 gegründeten Klägerin, einer GbR, ist die Verwaltung und Vermietung von Grundstücken. Seit 2010 betreibt sie zudem eine Photovoltaikanlage (PVA) auf einem Objekt. Für das Streitjahr 2012 erklärte sie einen gewerblichen Verlust aus dem Betrieb der PVA sowie Einkünfte aus VuV. Die Gesamtnettoumsätze beliefen sich im Streitjahr auf 113.484 EUR, auf den Betrieb der PVA entfielen Nettoumsätze i.H.v. 8.472 EUR. Das beklagte FA stellte mit Gewinnfeststellungsbescheid ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest, da es von einer Abfärbung der negativen gewerblichen Einkünfte aus dem Betrieb der PVA ausging. Das FG (FG München, Urteil vom 26.6.2018, 2 K 2245/16, Haufe-Index 13407238) wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Der BFH entschied, der Hauptantrag der Klägerin, nur Einkünfte aus VuV festzustellen, habe keinen Erfolg, da die Einkünfte aus dem Betrieb der PVA von der Klägerin selbst und nicht von einer zweiten (ggf. beteiligungsidentischen Schwester-)Personengesellschaft erzielt worden seien. Auch ihr Hilfsantrag, Einkünfte aus VuV sowie (negative) gewerbliche Einkünfte (aus dem Betrieb der PVA) festzustellen, bleibe erfolglos. Nach der im Streitfall anzuwendenden Neufassung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sei die vermögensverwaltende Tätigkeit der Klägerin trotz des im gewerblichen Bereich erzielten Verlustes im Wege der Abfärbung insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Da die Klägerin mit ihrer gewerblichen Tätigkeit die weiterhin anwendbare Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe, bleibe es bei der seitwärts abfärbenden Wirkung.
Hinweis
1. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 EStG a.F. gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer OHG, KG oder anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt (sog. Abfärbewirkung). Bei besonders geringfügiger gewerblicher Betätigung kommt es nach der Rechtsprechung des BFH aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedoch nicht zu einer Abfärbung auf die übrigen Einkünfte (grundlegend BFH, Urteil vom 11.8.1999, XI R 12/98, BFH/NV 2000, 130, BStBl II 2000, 229). Fortentwickelt wurde diese Rechtsprechung durch Urteile des VIII. Senats des BFH, wonach freiberufliche Einkünfte einer GbR nicht insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert werden, wenn die daneben erzielten Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im VZ nicht übersteigen (BFH, Urteil vom 27.8.2014, VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597, BStBl II 2015, 1002, und BFH, Urteil vom 27.8.2014, VIII R 41/11, BFH/NV 2015, 595, BStBl II 2015, 999).
Daran anschließend entschied der IV. Senat (BFH, Urteil vom 12.4.2018, IV R 5/15, BFH/NV 2018, 881, BStBl II 2020, 118), dass danach allenfalls positive gewerbliche Einkünfte zu einer Abfärbung auf ansonsten vermögensverwaltende Einkünfte einer GbR führen, nicht aber auch negative Einkünfte.
2. Dieses Urteil nahm der Gesetzgeber zum Anlass, § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStGim Jahr 2019 um einen Satz 2 zu ergänzen. Danach gilt die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG enthaltene Abfärbung u.a. unabhängig davon, ob aus der Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ein Gewinn oder ein Verlust erzielt wird. Zudem ordnete der Gesetzgeber in § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG die rückwirkende Anwendung der Neuregelung auch für Veranlagungsjahre vor 2019 an.
3. Nach Ansicht des IV. Senats ist sowohl die Ergänzung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG – unter Beibehaltung der von der Rechtsprechung entwickelten Geringfügigkeitsgrenze mit ihrer relativen und absoluten Umsatzgrenze – als auch die in § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG vorgesehene rückwirkende Anwendung dieser Norm verfassungsgemäß.
a) § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 Alternative 1 EStG n.F. sind insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Insofern gelten zu...