Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG auf Kapitalerträge, die aus der Stundung einer Kaufpreisforderung erzielt werden, ist nicht nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge zwar Angehörige i.S.d. § 15 AO sind, für eine missbräuchliche Gestaltung jedoch keine Anhaltspunkte vorliegen.
Normenkette
§ 32d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, , § 15 AO, Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG, , § 1 Abs. 2 AStG, § 138 InsO, § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG
Sachverhalt
Die Klägerin war Gesellschafterin einer KG und einer GbR. Sie veräußerte die Beteiligungen an ihren Bruder. Im Gesellschaftsvertrag der von dem Vater der Klägerin gegründeten KG und GbR war hinsichtlich der Modalitäten der Kaufpreiszahlung geregelt, dass der Kaufpreis in drei gleichen Raten zu zahlen war. Das Auseinandersetzungsguthaben war ab dem Tag des Ausscheidens mit dem Zinssatz für Kontokorrentkredite der Hausbank zu verzinsen und zu besichern. Die Stundungsvereinbarung wurde wie gesellschaftsvertraglich vereinbart vollzogen. Der Bruder zahlte der Klägerin im Jahr nach der Veräußerung zuzüglich zu der ersten und zweiten Rate des Kaufpreises Stundungszinsen in Höhe von insgesamt 39.704 EUR.
Das FA berücksichtigte diese Zinserträge als Kapitaleinkünfte, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, da es sich bei dem Schuldner der Kapitalerträge um eine nahestehende Person handle, sodass die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen sei.
Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab (FG Baden-Württemberg vom 16.4.2013, 8 K 3100/11, Haufe-Index 5190505, EFG 2013, 2020).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Der BFH führte aus, der Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG sei nicht erfüllt. Es gebe weder Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Klägerin und ihrem Bruder ein Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe, noch dass die Geschwister auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausgeübt oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen gehabt hätten. Die ratenweise Auszahlung und Stundung des Auseinandersetzungsguthabens im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters sei bereits bei der Gründung der KG im Gesellschaftsvertrag geregelt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien weder die Klägerin noch deren Bruder an der KG beteiligt gewesen, sodass nicht ersichtlich sei, dass sie auf die Ausgestaltung der Stundungsvereinbarung Einfluss nehmen konnten. Eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes sei danach nicht gegeben.
Hinweis
Hier kann auf die Praxis-Hinweise zu dem oben besprochenen Urteil vom 29.4.2014, VIII R 9/13 verwiesen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.4.2014 – VIII R 35/13