Leitsatz
1. Ob der Ankauf und Verkauf von Gold als Gewerbebetrieb anzusehen ist, muss anhand der Besonderheiten von Goldgeschäften beurteilt werden. Ein kurzfristiger und häufiger Umschlag des Goldbestands sowie der Einsatz von Fremdkapital können Indizien für eine gewerbliche Tätigkeit sein. Die Grundsätze des Wertpapierhandels sind auf den Handel mit physischem Gold nicht übertragbar.
2. Goldbarren sind keine Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen oder Rechte i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 4 Variante 3 EStG.
Normenkette
§ 4 Abs. 3 Sätze 1 und 4, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 15b, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, § 42, § 140, § 141, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 Nr. 1 AO, § 118 Abs. 1, Abs. 2 FGO, §§ 238ff., § 247 Abs. 2 HGB, § 293 ZPO
Sachverhalt
Zum Zweck, Handel mit Edelmetallen, Optionen etc. zu treiben, hatten in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige in Großbritannien eine Personengesellschaft (General Partnership, GP) mit Sitz in London gegründet.
Unter Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits erwarb die GP erstmals im Dezember 2007 bei einer Bank eingelagertes Gold und verkaufte dieses im folgenden Jahr wieder. In der Folgezeit wurde mehrfach Gold gekauft und verkauft. Außerdem kaufte und verkaufte die Gesellschaft Wertpapiere, erwarb "gebrauchte" Lebensversicherungen und legte Festgeld an. Die Einkünfte erklärten und versteuerten die Gesellschafter in Großbritannien.
In Deutschland gab die GP für 2007 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ab und erklärte dabei einen durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelten Verlust, der im Wesentlichen aus dem Abzug der Anschaffungskosten des Goldes als Betriebsausgabe beruhte.
Das FA war der Meinung, die GP sei in Großbritannien zur Aufstellung von Bilanzen verpflichtet gewesen und habe deshalb ihren Gewinn auch in Deutschland nicht durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln dürfen. Es erging ein Feststellungsbescheid, in dem nur geringfügige nach dem DBA steuerfreie und dem negativen Progressionsvorhalt unterliegende Verluste festgestellt wurden. Im anschließenden Einspruchsverfahren änderte das FA seine Meinung und ging nun davon aus, die GP habe keine gewerblichen Einkünfte erzielt, sondern private Vermögensverwaltung betrieben. Im Streitjahr 2007 seien keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt worden; ein Feststellungsverfahren sei nicht durchzuführen.
Die daraufhin erhobene Klage hatte Erfolg (FG Münster, Urteil vom 11.12.2013, 6 K 3045/11 F, Haufe-Index 6542416). Das FG verpflichtete das FA, den von der GP begehrten Feststellungsbescheid zu erlassen. Die GP habe Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, die durch Einnahmen-Überschussrechnung hätten ermittelt werden dürfen. Die Ausgaben für den Erwerb der Goldbarren seien sofort abziehbare Betriebsausgaben gewesen.
Entscheidung
Der BFH wies die dagegen vom FA erhobene Revision zurück. Die GP habe in Deutschland steuerfreie und dem negativen Progressionsvorbehalt unterliegende gewerbliche Einkünfte erzielt. Nach den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des FG habe die GP in Großbritannien keiner Bilanzierungspflicht unterlegen und deshalb ihren Gewinn zu Recht durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt.
Hinweis
1. Das hier besprochene Urteil betrifft – ebenso wie ein am gleichen Tag beschlossenes, aber nicht amtlich veröffentlichtes Urteil (BFH, Urteil vom 19.1.2017, IV R 50/13, BFH/NV 2017, 751) – die internationale Variante der als "Goldfinger" bekanntgewordenen Gestaltung.
Im Unterschied zur nationalen Variante (dazu BFH, Urteil vom 19.1.2017, IV R 10/14, BFH/NV 2017, 811, BFH/PR 2017, 209) ist Ziel derartiger Gestaltungen, nicht nur einen zeitlich begrenzten Steuerstundungsvorteil, sondern einen dauerhaften Progressionsvorteil zu erzielen.
2. Dies wird dadurch erreicht, dass im ersten Jahr durch den Ankauf von Gold ein dem negativen Progressionsvorbehalt unterliegender Verlust erzeugt wird, der zu einer erheblichen Minderung des progressiven ESt-Tarifs in Deutschland führt, während der Gewinn aus dem Verkauf des Goldes im Folgejahr zwar zu einem positiven Progressionsvorbehalt führt, aber nur eine geringfügige Steigerung des Durchschnittssteuersatzes bewirkt. Der Vorteil ist umso größer, je näher die durchschnittliche Tarifbelastung dem Spitzensteuersatz kommt.
3. Wie bei den nationalen Gestaltungen kann der Effekt nur eintreten, wenn die dem Progressionsvorbehalt unterworfenen Einkünfte bei der ESt-Festsetzung auf der Grundlage einer Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werden. Besteht weder im Betriebsstättenstaat noch in Deutschland Buchführungspflicht, liegen diese Voraussetzungen grundsätzlich vor.
Ob eine Buchführungspflicht im Betriebsstättenstaat der Einnahmen-Überschussrechnung in Deutschland entgegensteht, ist streitig. Das FG hatte diese Frage im hiesigen Fall verneint. Der BFH musste sie nicht beantworten, weil das FG zugleich die revisionsrechtlich bindende Feststellung getroffen hatte, dass keine a...