Leitsatz
1. Verzehrvorrichtungen dürfen nur als Dienstleistungselement berücksichtigt werden, wenn sie vom Leistenden als Teil einer einheitlichen Leistung zur Verfügung gestellt werden (Änderung der Rechtsprechung).
2. Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten führt zu einem dem Regelsteuersatz unterliegenden Restaurationsumsatz.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 und 9, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Anhang H der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger verkaufte in einem vor seiner Fleischerei aufgebauten Imbissstand Bratwürste, Pommes frites und täglich wechselnde Gerichte. Das FA war der Auffassung, es sei auch die von den Kunden benutzte städtische Bank und – ab 2003 – aufgestellte Bierzeltgarnitur des Klägers zu berücksichtigen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 04.06.2009, 16 K 10040/07, Haufe-Index 2379513, EFG 2010, 1837).
Entscheidung
1. Die Revision hatte z.T. Erfolg. Bis zur Aufstellung der Bierzeltgarnitur können die Leistungen als Lieferungen beurteilt werden. Behelfsmäßige Verzehrtheken, die einen nur geringfügigen personellen Aufwand erfordern, dürfen nicht berücksichtigt werden. Wohl aber die Bierzeltgarnitur. Denn für eine Unterscheidung nach Bequemlichkeit und Schönheit des zur Essenseinnahme bereitgestellten Mobiliars gibt es keinen Anknüpfungspunkt.
2. Fehlen aussagekräftige Aufzeichnungen für die Aufteilung der Umsätze (Lauf- und Stehkundschaft/Einnahme im Sitzen), kann für die erforderliche Schätzung – so der BFH – das Verhältnis der (möglichen) Stehplätze am Imbissstand zu den (möglichen) Sitzplätzen berücksichtigt werden.
Hinweis
1. Mit zwei zeitgleich veröffentlichten Urteilen hat der BFH im Anschluss an das – auf Vorlagen des BFH beruhende – EuGH-Urteil vom 10.03.2011 (C-497/09 u.a., Manfred Bog u.a., BFH/NV 2011, 956, BFH/PR 2011, 184) zur Abgrenzung von Essenlieferungen (7 %) zu Restaurationsleistungen (19 %) entschieden. Die wesentlichen Grundsätze sowie die Hinweise für die ab dem 01.07.2011 geltende Rechtslage aufgrund des Art. 6 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen zu V R 35/08, BFH/PR 2011, 422).
2. Der BFH hatte im Urteil vom 26.10.2006, V R 58, 59/04, BFH/NV 2007, 374, BFH/PR 2007, 110) entschieden, Mobiliar neben dem Imbissstand des Unternehmers (A), das ein anderer Unternehmer (B) seinen Kunden zur Verfügung stelle und von beider Kunden benutzt werde, sei mit zu berücksichtigen. War Grundlage hierfür eine Vereinbarung zwischen dem B und A mit der Folge, dass A Mobiliar aus eigenem Recht überlassen hat, ist der Sachverhalt vergleichbar der eines Restaurants in gemieteten Räumen. Allein die Tatsache jedoch, dass Kunden von fremden Sitzgelegenheiten Gebrauch machen oder dass sie die ausgegebenen Speisen – wie z.B. Fingerfood in Kinos – unter Benutzung von Sitzgelegenheiten einnehmen, die nicht ausschließlich für die Verzehrkunden, sondern jedem Kinobesucher zur Verfügung stehen (vgl. Rev.: V R 3/07, BFH/NV 2010, 130, BFH/PR 2010, 62), kann nicht als eine Zusatzleistung des Unternehmers zur Abgabe der Speisen gewertet werden. Zur Klarstellung hat sich der BFH von der missverstandenen Aussage in V R 58,59/04 distanziert.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.06.2011 – V R 18/10