Leitsatz
1. Tätigt eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt verlustträchtige Geschäfte, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen, so kann dies zu einer vGA führen.
2. Ob eine Kapitalgesellschaft ein Verlustgeschäft im eigenen Gewinninteresse oder im Interesse der Gesellschafter durchgeführt hat, ist nach denjenigen Kriterien zu prüfen, die zur Abgrenzung zwischen Einkunftserzielung und "Liebhaberei" entwickelt worden sind.
3. Verpflichten sich die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, unentgeltlich oder zu einem unangemessen niedrigen Entgelt für die Gesellschaft tätig zu sein, so dürfen im Rahmen der Totalgewinnprognose für die Tätigkeit der Gesellschafter keine fiktiven Entgelte angesetzt werden.
4. Der Grundsatz, dass die Anlaufphase bis zum Eintritt in die Gewinnzone regelmäßig einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreitet, gilt nicht für den Fall der Neugründung eines Unternehmens (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 17.2.1993, I R 3/92, BStBl II 1993, 457).
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Klägerin war eine GmbH, die im Mai 1994 errichtet wurde. Zu ihren Gesellschaftern zählten in den Streitjahren (1994 und 1995) der RA und Notar T, die Studenten JH und KH sowie der Gastronom W. Geschäftsführer waren in den Streitjahren JH und die Tochter des T. Beide sollten nach den Anstellungsverträgen Monatsgehälter von 1000 DM erhalten, wobei Einigkeit darüber bestand, dass ein großer Teil der Tätigkeit unentgeltlich von T übernommen werden sollte.
Im Mai 1994 erwarb die Klägerin eine Segelyacht (Boot 1) zum Preis von rd. 250 000 DM, die der Gesellschafter T zusammen in der Zeit von Mai bis Oktober 1994 von Hamburg nach C (Spanien) überführte.
Mitte 1995 erwarb die Klägerin für 60 000 DM eine zweite, gebrauchte Yacht (Boot 2), die sie anschließend mit einem Gesamtaufwand von ca. 180 000 DM instand setzen ließ. Ferner wurden der Klägerin im März 1995 zwei weitere Boote zwecks Vercharterung überlassen, und zwar ein Motorboot (Boot 3) durch den Dipl.-Ing. N und eine Segelyacht (Boot 4) durch die spanische D-S.A.
N wurde im Januar 1996 Gesellschafter der Klägerin; Geschäftsführerin der D-S.A. war die Mutter der Gesellschafter JH und KH. In den Überlassungsverträgen mit N und der D-S.A. ist jeweils vereinbart, dass die Klägerin die Kosten für den Liegeplatz und die Pflege sowie für kleinere Reparaturen, Inspektionen und Treibstoffe tragen sollte. Die diese Kosten übersteigenden Chartereinnahmen sollten zu 20 % an den Überlassenden abgeführt werden, der seinerseits die Aufwendungen für Versicherungen und Großreparaturen übernahm.
Die Klägerin bot die Boote, die sämtlich im Hafen lagen, in der Folge zur Vercharterung an (Prospektmaterial, Anzeigen in Fachzeitschriften, Messeteilnahme, Regattateilnahme u.a.). Die Klägerin stellte zeitweilig einen fachkundigen Berater ein.
Die Vercharterung erfolgte sowohl als Bareboat-Charter als auch als Vercharterung mit Skipper in Gestalt fremder Personen, aber auch der Gesellschafter und der Geschäftsführer der Klägerin, diese unentgeltlich gegen Auslagenersatz. Die erheblichen Verluste von ca. 110 000 DM bis ca. 155 000 DM pro Jahr finanzierte die Klägerin durch verzinsliche Gesellschafterdarlehen, wobei der sich daraus ergebende Zinsaufwand ebenso wie die vereinbarten Geschäftsführergehälter bei der Ermittlung der Bilanzergebnisse nicht bzw. nur z.T. angesetzt wurde.
Dem FA kam das alles verdächtig vor, weshalb es – zunächst – in den Kosten für die Boote nichtabzugsfähige BA und in den Zinszahlungen an die Gesellschafter und an die D-SA vGA sah. Im Einspruchsverfahren wurde dann aber verbösert und wurden die Verluste insgesamt als vGA qualifiziert.
Entscheidung
Der BFH folgte dem nicht. Er grenzt, wie in den Praxis-Hinweisen geschildert, zwischen denkbaren Privatgeschäften der Gesellschafter und eigenen Verlustgeschäften der Gesellschaft ab und bedient sich dafür der Liebhabereikriterien. Auch diese finden Sie in den Praxis-Hinweisen.
Er sieht sodann erheblichen weiteren Aufklärungsbedarf, weswegen er die Sache an das FG zurückverwiesen hat. Dem FG wird einiges an Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben:
Es seien die Aufwendungen, die die Klägerin gemacht habe, auf ihren wirtschaftlichen Gehalt hin zu untersuchen, ferner der Umstand zu prüfen, dass die Boote im Sommer nicht verchartert worden seien. Ggf. liege eine vGA auch darin, dass die Boote den Gesellschaftern zeitweilig offenbar kostenfrei überlassen worden seien. Auch seien die Geschäftsbeziehungen mit den Gesellschaftern auf ihren wirtschaftlichen Gehalt und ihre Angemessenheit hin zu überprüfen.
Hinweis
Das Urteil ist insofern praxisrelevant, als es die Grenzlinien zwischen vGA und "normaler" Geschäftstätigkeit in Verlustfällen mit deutlicher "Nähe" zu Hobby-, Freizeit- und sonstigen "Liebhaberei"-Aktivitäten verdeutlicht. Dazu ist zum einen auf das Urteil vom 8.8.2001, I R 106/99 zu verweisen, das Ihnen in BFH-PR 2002, 14 vorgestellt wurde; dieses war zu Devisentermingeschäften ergangen. Zum anderen gi...