Leitsatz
1. Die Abkürzung der Ladungsfrist als solche stellt keinen Verfahrensmangel dar, auf den eine Nichtzulassungsbeschwerde mit Aussicht auf Erfolg gestützt werden könnte. Führt die Abkürzung der Ladungsfrist jedoch dazu, dass der Beteiligte an dem festgesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen kann, weil er erst nach Durchführung der mündlichen Verhandlung davon Kenntnis erhält, kann er mit der auf die Rüge der Verletzung seines Rechts auf Gehör gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Aufhebung des ergangenen Urteils und die Anberaumung einer neuen mündlichen Verhandlung erreichen.
2. Zu den Anforderungen an die Schlüssigkeit dieser Gehörsrüge (1.).
Normenkette
§ 284 AO , § 91 Abs. 1 FGO , § 96 FGO , § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO , § 116 Abs. 6 FGO , § 119 Nr. 3 FGO
Sachverhalt
Der Kläger hatte die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erhalten. Zu dieser war mit auf 5 Tage abgekürzter Frist geladen worden. Der Kläger war jedoch 12 Tage verreist und nahm von der Ladung deshalb erst nach dem Verhandlungstag Kenntnis. Seine Klage wurde abgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügte der Kläger die seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte Abkürzung der Ladungsfrist; hätte er zur mündlichen Verhandlung erscheinen und seinen Rechtsstandpunkt dort darlegen können, wäre das Urteil anders ausgefallen.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG durch Beschluss dreier Richter aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Für eine Abkürzung der Ladungsfrist habe kein ausreichender Grund bestanden. Die Abkürzung habe dazu geführt, dass der Kläger an der Verhandlung nicht habe teilnehmen können. Dadurch sei sein Gehörsanspruch verletzt worden. Dieser Verfahrensmangel sei auch ausreichend bezeichnet worden; der Kläger habe dafür nicht darlegen müssen, was er noch Neues habe vortragen wollen.
Hinweis
1. Seit 1.1.2001 (In-Kraft-Treten des 2. FGO-Änderungsgesetzes) kann der BFH im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision das FG-Urteil aufheben und die Sache an dieses zurückverweisen, wenn er auf entsprechende Rüge einen Verfahrensfehler des FG feststellt, auf dem dessen Urteil beruhen kann (§ 116 Abs. 6 FGO n.F.). Wann von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, sagt das Gesetz nicht; es stellt auch keine weiteren Voraussetzungen für die Aufhebung eines FG-Urteils durch Beschluss auf.
Die Aufhebung eines verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen FG-Urteils dient der Einfachheit und Schnelligkeit des Verfahrens; deshalb wird es sachgemäß sein, in der Regel durch Beschluss endgültig zu entscheiden statt ein Revisionsverfahren einzuleiten, an dessen Ende ebenfalls nur die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung der Sache stehen kann. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Beschluss durch drei Richter getroffen wird, im Revisionsverfahren hingegen fünf Richter entscheiden würden. Deshalb liegt auf der Hand, dass ein Aufhebungsbeschluss nur dann in Betracht kommen darf, wenn die Sache so klar ist, dass sie keine Befassung des ganzen Senats (fünf Richter) erfordert. Das ist nur dann der Fall, wenn die maßgeblichen Rechtsfragen durch die Senatsrechtsprechung bereits geklärt oder ohne weiteres eindeutig zu beantworten sind und der Verfahrensfehler des FG offensichtlich ist.
2. Im Bereich des Verfahrensrechts kann Einzelfallgerechtigkeit durch ein Revisions- bzw. Revisionsbeschwerdeverfahren (§ 116 FGO n.F.) gewährleistet werden; ein Interesse der Allgemeinheit an dem Verfahren ist also insoweit nicht Voraussetzung für die Zulassung einer Revision. Beachten Sie jedoch, dass auch die Rüge eines Verfahrensmangels sorgfältig begründet werden muss; aus Ihrem Vorbringen muss sich, seine Richtigkeit unterstellt, das Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem das FG-Urteil beruhen kann, schlüssig ergeben.
3. Die Terminbestimmung und ihre Modalitäten – wie eine Abkürzung der Ladungsfrist – gehören zu den unanfechtbaren Entscheidungen (§ 128 Abs. 2 FGO). Diese unterliegen nicht der Prüfung im Rahmen eines (zugelassenen) Revisionsverfahrens (§ 124 Abs. 2 FGO) und können folglich auch nicht Anlass für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sein. Auf sie kann eine Revisionsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 FGO nicht gestützt werden, sie wäre sonst unschlüssig und damit als unzulässig zu verwerfen.
4. Eine revisionsrechtliche Fundgrube für den findigen Steuerberater können Verletzungen des rechtlichen Gehörs des FG sein. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann unter anderem im Ausschluss von der mündlichen Verhandlung liegen. Beachten Sie aber Folgendes:
Wer an der mündlichen Verhandlung des FG nicht teilnehmen kann, weil er die (wirksam zugestellte) Ladung nicht erhalten hat, kann deshalb die Aufhebung des aufgrund der betreffenden Verhandlung ergangenen Urteils auch dann nicht verlangen, wenn ihm die unterlassene Kenntnisnahme von der Ladung nicht vorgeworfen werden kann. Denn die FGO nimmt hin, dass ein Beteiligter unter Umständen von einem Termin keine Kenntnis erlangt, und sieht...