Leitsatz
1. Ist ein Antrag auf (befristetes) Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung ursächlich für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns, entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO nur, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt (Anschluss an BFH-Urteil vom 17.3.2010, IV R 54/07, BFH/NV 2010, 1510, BFH/PR 2010, 343, BStBl II 2011, 7).
2. Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben enthält. Ist die Finanzbehörde faktisch daran gehindert, den Prüfungsfall bereits im Zeitpunkt der Antragstellung neu in die Prüfungspläne aufzunehmen, endet die Festsetzungsfrist erst zwei Jahre nach Wegfall des Hinderungsgrunds.
Normenkette
§ 171 Abs. 4 Satz 1, Abs. 8 Satz 2, Abs. 10, § 181 Abs. 1 Satz 1, § 197 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, reichte ihre Steuererklärungen für die Streitjahre 1991 bis 1994 im jeweiligen Folgejahr beim FA ein.
In den Jahren 1990 bis 1996 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung betreffend 1984 bis 1990 statt. Gegen die nach der Außenprüfung ergangenen Änderungsbescheide legte die Klägerin im Jahr 1997 Einsprüche ein. Gegenstand des Einspruchsverfahrens war die Frage, ob ein Teil des Geschäftsführergehalts als vGA zu werten ist. Die Klägerin und das FA trafen in diesem anhängigen Einspruchsverfahren 2000 eine tatsächliche Verständigung zur Höhe der angemessenen Gesamtausstattung des Geschäftsführers sowie zu der daraus resultierenden vGA. Die tatsächliche Verständigung wurde auf die Streitjahre erstreckt.
Gegen den Geschäftsführer der Klägerin wurde zwischen 1990 und 1997 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung (betreffend die Jahre 1985 bis 1989) geführt. Im Jahr 1997 erging ein Urteil, das seit Juli 1997 rechtskräftig ist.
Am 11.11.1996 erließ das FA gegenüber der Klägerin eine Prüfungsanordnung. Als voraussichtlichen Prüfungsbeginn gab das FA den 11.12.1996 an. Die Klägerin beantragte, den Prüfungsbeginn zu verschieben. Gründe für die Verschiebung wurden ebenso wenig genannt wie ein Zeitpunkt, bis wann die Prüfung aufgeschoben werden sollte. Die Prüfung für die Streitjahre begann am 24.2.2000 und dauerte bis zum 7.2.2001.
Das FA erließ am 26.5.2004 geänderte Bescheide für die Streitjahre. Die GmbH berief sich nunmehr auf den Eintritt der Festsetzungsfristen, war ihr zwischenzeitlich doch das BFH-Urteil vom 17.3.2010, IV R 54/07 zu Ohren gekommen.
Das FG gab der anschließenden Klage statt (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 17.2.2011, 3 K 3289/08, Haufe-Index 2652387, EFG 2011, 1037).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Zwar habe sich das FG zutreffend auf das BFH-Urteil vom 17.3.2010, IV R 54/07 gestützt. Dass das FA mit seiner Prüfung nicht in der danach geforderten Frist von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Verschiebung des Prüfungsbeginns mit der Prüfung begonnen habe, sei indessen unbeachtlich. Vom Zeitpunkt des Aufschubantrags an gerechnet, gelte die Zwei-Jahres-Frist nur im Falle eines befristeten, nicht aber eines unbefristeten Verschiebungsantrags. Bei letzterem beginne der Lauf jener Frist erst bei Wegfall des Aufschubgrundes und der behördlichen Kenntnis davon.
Hinweis
1. Durch Urteil vom 17.3.2010, IV R 54/07 (BFH/NV 2010, 1510, BFH/PR 2010, 343; BStBl II 2011, 7) hat der IV. Senat des BFH entschieden, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch einen Antrag auf ein befristetes Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung nicht ad infinitum gehemmt wird.
Bei einem derartigen Verschiebungsantrag entfalle die Ablaufhemmung vielmehr, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginne. Solches wird im Gesetz zwar nicht angeordnet. Doch lässt sich eine entsprechende Aussage aus Sicht des IV. Senats einem in § 171 Abs. 8 Satz 2 (für den Wegfall der Ungewissheit als Voraussetzung eines Vorläufigkeitsvermerks) und Abs. 10 AO (bei Ergehen eines Grundlagenbescheids) enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken entlehnen.
Bei Licht betrachtet hat auch der umgekehrte Schluss durchaus einiges für sich: Gerade weil die Zwei-Jahres-Begrenzung nur in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO bestimmt wird, spricht nicht wenig dafür, dass der Gesetzgeber für die hinausgeschobene Außenprüfung auf eine Entsprechung gerade verzichten wollte.
2. Wie dem auch sei: Der I. Senat des BFH wollte an dieser Stelle ersichtlich keine neue Divergenz begründen (zumal die Finanzverwaltung ihre Praxis entsprechend umgestellt hat). Er hat sich dem IV. Senat vielmehr mit vorsichtiger Distanz "gefügt", das aber nur im Grundsatz:
Zwar mag das Gesetz auch für die Ablaufhemmung durch einen Aufschubantrag von dem Gedanken getragen sein, dass die Finanzbehörde den konkreten Streitfall in einer angemessenen Zeit abschließend beurteilen soll. Und das rechtfertigt dann die besagte Zwei-Jahres-Frist zum behördlichen Tä...