Leitsatz
1. Die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO setzt einen Antrag des von der Steuerfestsetzung betroffenen Steuerpflichtigen voraus.
2. Im Falle der Änderung eines Grundlagenbescheids wird der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO) für die Anpassung des Folgebescheids nach § 171 Abs. 3 AO nur gehemmt, wenn der von dem Folgebescheid betroffene Steuerpflichtige selbst die Änderung des Folgebescheids vor Ablauf der Frist beantragt.
Normenkette
§ 169 Abs. 1 Satz 1, § 171 Abs. 3, § 171 Abs. 10 Satz 1 AO, § 5 AntBewV (aufgehoben)
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war zu 45,5 % an der A‐AG beteiligt, die ihrerseits eine Beteiligung von 50 % an der R‐AG hielt. Das FA setzte gegen die Klägerin Vermögensteuer auf den 1.1.1990 fest und berücksichtigte dabei gem. der im Jahr 1991 eingereichten Erklärung auch den Wert der Anteile der Klägerin an der A‐AG. Der zuletzt ergangene Vermögensteuerbescheid vom 15.12.1998 wurde bestandskräftig.
Aufgrund einer Klage der R‐AG stellte das FG mit Urteil vom 7.12.1999 den gemeinen Wert ihrer Anteile auf den 31.12.1989 auf 509 DM je 100 DM des Grundkapitals fest. Im Hinblick darauf erließ das FA am 15.5.2000 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der A‐AG auf den 31.12.1989 und minderte den Wert dieser Anteile entsprechend. Der Feststellungsbescheid wurde an die A‐AG als Empfangsbevollmächtigte u.a. für die Klägerin bekannt gegeben. Die Folgeanpassung des Vermögensteuerbescheids auf den 1.1.1990 für die Klägerin unterblieb jedoch.
Mit Bescheid vom 27.3.2006 änderte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens für die R‐AG auf den 1.1.1990. Den Antrag der R‐AG, auch die Anteilsbewertung zum 31.12.1989 zu ändern, lehnte das FA ab. Die gegen die Ablehnung zunächst erhobene Klage nahm die R‐AG zurück. Das FG stellte das Verfahren mit Beschluss vom 24.9.2010 ein.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11.1.2008 beim FA, im Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1990 die Änderungen aus dem gegenüber der R‐AG ergangenen FG-Urteil vom 7.12.1999 umzusetzen. Das FA lehnte den Antrag wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2010, 14 K 3386/08 V, Haufe-Index 2973730).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision aus den erläuterten Gründen mangels eines von der Klägerin rechtzeitig gestellten Antrags auf Änderung der Vermögensteuerfestsetzung als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Das Zusammenspiel von Grundlagen- und Folgebescheid kann im Rahmen der Ablaufhemmung (§ 171 AO) zu delikaten Rechtsproblemen führen. Den Hintergrund des vom BFH entschiedenen Streitfalls bildete zwar insofern ausgelaufenes Recht, als um die Festsetzungsverjährung eines Vermögensteuerbescheids gestritten wurde. Die verfahrensrechtliche Problematik – sie ergibt sich im Streitfall daraus, dass das FA die Anpassung des Vermögensteuerbescheids eines Gesellschafters an die geänderte gesonderte Feststellung über den gemeinen Wert von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unterlassen hatte – ist jedoch von bleibender allgemeiner Bedeutung.
1. § 171 Abs. 10 AO verknüpft die Festsetzungsfrist für einen Folgebescheid mit der für den Grundlagenbescheid maßgeblichen Feststellungsfrist. Ist für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid bindend (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Die Vorschrift bewirkt eine Ablaufhemmung für die Folgesteuer, soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO gewährt immer nur eine maximale Auswertungsfrist von zwei Jahren; diese beginnt mit der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids (§ 122 AO) an den Adressaten. Dabei gilt § 171 Abs. 10 AO nicht nur für das FA, sondern auch zugunsten des Steuerpflichtigen. Unterlässt das FA die Umsetzung eines dem Steuerpflichtigen günstigen Grundlagenbescheids, droht insoweit ein endgültiger Rechtsverlust.
2. Erfolgt die Umsetzung des Grundlagenbescheids nicht binnen der zweijährigen Umsetzungsfrist, so kommt als "Rettungsanker" für den Steuerpflichtigen ein die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid hemmender Antrag auf Aufhebung oder Änderung bzw. Berichtigung einer Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO ins Spiel. Ein solcher Antrag ist grundsätzlich geeignet, den Ablauf der Zweijahresfrist des § 171 Abs. 10 AO zu hemmen.
Den Anforderungen eines Antrags i.S.d. § 171 Abs. 3 AO ist allerdings nur genügt, wenn der vom Folgebescheid betroffene Steuerpflichtige selbst die Änderung des Folgebescheids vor Ablauf der Frist beantragt. Außerdem muss dem Antrag auch entnommen werden können, inwieweit die Änderung des Folgebescheids begehrt wird. Diesen Anforderungen genügt ein im Verfahren über einen Grundlagenbescheid gestellter Antrag a...