Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Für die Frage der Abnutzbarkeit immaterieller Wirtschaftsgüter kommt es maßgeblich darauf an, ob sich deren Wert in einer bestimmten oder bestimmbaren Zeit erschöpft.
2. Da der Inhaber eine ihm unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung, solange er sie innehat, gleichbleibend in Anspruch nehmen und den aus ihr resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 SGB V durch eine Übertragung bzw. Überleitung der Zulassung auf einen Nachfolger verwerten kann, erschöpft sich der Wert des immateriellen Wirtschaftsgutes des wirtschaftlichen Vorteils aus der Vertragsarztzulassung – unabhängig von einer Altersgrenze für Vertragsärzte – nicht in einer bestimmten bzw. bestimmbaren Zeit.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 EStG, § 103, § 95 SGB V, § 255 Abs. 1 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GbR, betrieb eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in A. Ihr Gesellschafter X erwarb von Q die in C geführte Arztpraxis ohne Forderungen und Verbindlichkeiten und führte diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung fort. Die Übertragung erfolgte unter der Bedingung, dass X den Vertragsarztsitz des Q erhält. Um dies sicherzustellen, übernahm Q weitreichende Mitwirkungspflichten im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens. Gemäß dem Übernahmevertrag kaufte X den Patientenstamm und damit den ideellen Wert der Praxis, allerdings ohne die Patientenkartei, die beim Verkäufer verbleiben sollte. Erst mit Zustimmung der Patienten sollte Q dem X patientenbezogene Karteien und Krankenunterlagen überlassen.
X erwarb keine Praxiseinrichtung (weder Wirtschaftsgüter des Anlage‐ noch des Umlaufvermögens) und übernahm auch keine Verträge (z.B. Praxismietvertrag, Arbeitsverträge, Versicherungsverträge, Lieferverträge und sonstige praxisbezogene Dauerschuldverhältnisse, s. § 1 Abs. 3 des Vertrages).
Die Übertragung der Praxis erfolgte unter der Bedingung, dass Q seine Tätigkeit in C einstellt und die Vertragsarztpraxis nach A verlegt, um mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Q war jedoch zu keinem Zeitpunkt in der Gemeinschaftspraxis tätig.
Die GbR machte in der Feststellungserklärung AfA auf den erworbenen Praxiswert als Sonderausgaben des X geltend. Das FA lehnte dies ab, da es sich bei der Vertragsarztzulassung nach seiner Auffassung um ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut handelte. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Das FG (FG Nürnberg, Urteil vom 23.9.2014, 1 K 1894/12, Haufe-Index 7571752, EFG 2015, 361) gab der Klage teilweise statt.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
1. Dem Besprechungsurteil liegt ein Sonderfall zugrunde. Bei dem Praxiserwerb wurde nur der mit der Vertragsarztzulassung verbundene wirtschaftliche Vorteil und nicht die gesamte Praxis erworben. In diesem Fall handelt es sich bei dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung um ein selbstständiges immaterielles Wirtschaftsgut.
2. Ob der Käufer die Vertragsarztpraxis oder nur den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung erwirbt, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung der vertraglichen Vereinbarungen zu bestimmen. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Kaufpreisbemessung zu (s. hierzu BFH, Urteil vom 21.2.2017, VIII R 7/14, BFH/NV 2017, 956, BFH/PR 2017, 253).
Maßgeblich war im vorliegenden Fall, dass der Erwerber weder Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens noch bestehende Praxisverträge (Arbeitsverträge, Mietverträge etc.) noch den Patientenstamm übernehmen sollte. Danach wurde allein der wirtschaftliche Vorteil einer Vertragsarztzulassung erworben.
3. Erwerber dieses immateriellen Wirtschaftsguts ist derjenige, der die Anschaffungskosten hierfür trägt oder dem sie steuerrechtlich zuzuordnen sind. Trägt der Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis selbst die Anschaffungskosten für den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung, ist das Wirtschaftsgut von ihm angeschafft und seinem Sonderbetriebsvermögen zuzuordnen. Dass die Vertragsarztzulassung als öffentlich-rechtliche Berechtigung nicht übertragbar ist, sondern nur im Rahmen eines vom Veräußerer zu beantragenden Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 SGB V durch den Zulassungsausschuss erteilt werden kann, steht dem nicht entgegen.
4. Jedoch handelt es sich bei dem Vorteil aus der Vertragsarztzulassung um ein nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut, da es sich nicht innerhalb einer bestimmten Zeit verbraucht. Der Erwerber kann den Vorteil aus der unbefristet erteilten Vertragsarztzulassung gleichbleibend und ohne Werteverzehr in Anspruch nehmen.
Dies gilt auch bei einer Altersbegrenzung für Vertragsärzte. Denn auch in diesem Fall kann der wirtschaftliche Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs gemacht werden. Ein entsprechendes Recht steht auch den Erben zu, sodass auch der Tod des Inhabers der Vertragsarztzulassung nicht zu einer zeitlichen Befristung führt. Eine Abnutzbarkeit folgt auch nicht aus der abstrakten Möglichkeit e...