6.1 Anwendung der degressiven Abschreibung in der Handelsbilanz
Die wahlweise Anwendung der degressiven Abschreibung in der Steuerbilanz nach § 7 Absatz 2 EStG ist ein steuerliches Wahlrecht, das nicht selbstverständlich auf die Handelsbilanz angewendet werden kann. Denn eine handelsrechtliche Öffnungsklausel – wie sie bis zum Inkrafttreten des BILMoG bestanden hat und die eine Übernahme rein steuerlich motivierter Bewertungsmethoden in das Handelsrecht ermöglichte – besteht aktuell nicht. Eine Anwendung der degressiven Abschreibung ist handelsrechtlich daher nur dann möglich, wenn diese den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht.
Nach § 253 Absatz 3 HGB sind bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, die Anschaffungs- oder die Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen zu vermindern.
Das Handelsrecht schreibt keine Abschreibungsmethode konkret vor. Die Wahl der Methode steht im Ermessen des Kaufmanns. Durch die gewählte Abschreibungsmethode ist der tatsächliche Werteverzehr abzubilden. Mindestens darf die Methode nicht im Gegensatz zum tatsächlichen Wertminderungsverlauf stehen. Dementsprechend ist die degressive Abschreibung in der Handelsbilanz anwendbar, wenn durch sie der Werteverzehr eines Vermögensgegenstands des Anlagevermögens sachgerecht abgebildet wird.
Folglich kommt es in Bezug auf die Entscheidung der Anwendbarkeit der linearen oder der degressiven Abschreibung darauf an, ob der Werteverzehr tatsächlich linear oder degressiv ist:
- Weist der tatsächliche Werteverzehr einen degressiven Verlauf auf, dann ist die Anwendung der degressiven Abschreibungsmethode angemessen.
- Weist der tatsächliche Werteverzehr einen linearen Verlauf auf, dann muss linear abgeschrieben werden und eine Anwendung der degressiven Abschreibung ist nicht möglich.
Zu beachten ist zusätzlich der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit. Abschreibungsmethoden sind nach § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB stetig anzuwenden. Danach sind die im vorjährigen Abschluss angewandten Abschreibungsmethoden auch im aktuellen Abschluss für art- und funktionsgleiche Vermögensgegenstände anzuwenden:
- Wurden im Vorjahr art- und funktionsgleiche Vermögensgegenstände handelsrechtlich linear abgeschrieben, weil dies dem tatsächlichen Werteverzehr entspricht, so sind auch Neuzugänge linear abzuschreiben.
- Wurden im Vorjahr art- und funktionsgleiche Vermögensgegenstände handelsrechtlich degressiv abgeschrieben, so sind auch Neuzugänge degressiv abzuschreiben.
Ein Wechsel der Abschreibungsmethode für art- und funktionsgleiche Neuzugänge ist ein Wechsel der Bewertungsmethode i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB. Dieser Wechsel ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Fraglich ist, ob ein Wechsel zur degressiven Abschreibung allein mit der Ausübung des steuerlichen Wahlrechts zur Anwendung der degressiven Abschreibung in der Steuerbilanz begründet werden kann. Nach verbreiteter Auffassung ist ein Wechsel der Bewertungsmethode u. a. möglich, wenn die Beibehaltung der bisherigen Bewertungsmethode dem Einblick in die Vermögens,- Finanz- und Ertragslage entgegensteht bzw. dieser Einblick verschlechtert würde.
IDW RS HFA 38, Rz. 15 listet die möglichen Gründe für eine Stetigkeitsdurchbrechung auf. Diese umfassen neben dem – bereits erwähnten – besseren Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, die Änderung der rechtlichen Gegebenheiten (insb. Änderung von Gesetz und Satzung, Änderung der Rechtsprechung), die Anpassung an konzerneinheitliche Bilanzierungsrichtlinien auch die Inanspruchnahme von Bewertungsvereinfachungsverfahren und "die Verfolgung steuerlicher Ziele".
6.2 Auswirkung auf die in der Handelsbilanz auszuweisenden latenten Steuern
Gem. § 274 HGB werden latente Steuern aus der Differenz der unterschiedlichen Wertansätze in der Handels- und in der Steuerbilanz ermittelt (bilanzorientierter Ausweis).
Sofern der Wertansatz in der Handelsbilanz den Wert in der Steuerbilanz übersteigt, ist in Zukunft mit steuerlichen Mehrbelastungen zu rechnen. In diesem Fall sind passivische latente Steuern (in der Handelsbilanz) auszuweisen. Bei Anwendung der degressiven Abschreibung in der Steuerbilanz kommt es daher zur Bildung passivisch latenter Steuern, wenn durch die degressive Abschreibung die Wertansätze in der Steuerbilanz die Wertansätze in der Handelsbilanz unterschreiten. Bei der Berechnung sind die individuellen Steuersätze zu berücksichtigen, die am Bilanzstichtag gelten.
Nach Auffassung des IDW und wohl mehrheitlicher Meinung in der Literatur ist eine Rückstellung für passive latente Steuern auch von Kaufleuten zu bilden, die nicht unter § 274 HGB fallen, wenn die Voraussetzungen des § 249 HGB erfüllt sind. Davon ist auszugehen, wenn die am Bilanzstichtag bestehenden Differenzen zwischen handelsbilanziellem Wert und steuerlichem Wert sich im Zeitablauf (automatisch) abbauen und insgesamt zu einer Steuerbelastung führen. Konsequenz ist, dass auch kleine Ka...