1.2.1 Wertansätze in der Handelsbilanz
Rz. 62
Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt (§ 253 Abs. 4 Satz 1 HGB).
Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 4 Satz 2 HGB).
In der Handelsbilanz gibt es also für die Umlaufgegenstände folgende Wertansätze:
Wertansätze der Umlaufgegenstände in der Handelsbilanz |
I |
|
Anschaffungs- oder Herstellungskosten |
Gebot |
II |
1 |
Niedrigerer Wert als I, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt |
Gebot |
2 |
Niedrigerer Wert als I, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, wenn der Wert zu II 1 nicht festzustellen ist |
Gebot |
Ausgangswert und Obergrenze der Bewertung sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Wert I) (Anschaffungskosten, Herstellungskosten).
Ist der Zeitwert am Abschlussstichtag niedriger, ist dieser anzusetzen. Der Zeitwert kann sich aus einem Börsen- oder Marktpreis ergeben (Wert II 1) oder er kann den Umlaufgegenständen aufgrund anderer Umstände beizulegen sein (Wert II 2).
1.2.2 Strenges Niederstwertprinzip
Rz. 63
Vom Wert I oder II der Tabelle in Rz. 62 ist am Abschlussstichtag der niedrigste Wert anzusetzen. Für den Ansatz des niedersten dieser beiden Werte besteht also ein Ansatzgebot.
Die Niederstbewertung ist immer anzuwenden, im Gegensatz zu der Bewertung der Anlagegegenstände, die nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung mit dem niedrigeren Wert angesetzt werden müssen (Rz. 46 ff.). Daher heißt diese Bewertung der Umlaufgegenstände mit dem niedrigsten der infrage kommenden Werte strenges Niederstwertprinzip.
Bei einem Verstoß gegen das Niederstwertprinzip droht Aktiengesellschaften die Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 256 Abs. 5 AktG). Nach der Rechtsprechung des BGH gilt das auch für GmbHs.
Das strenge Niederstwertprinzip ist Ausfluss des Imparitätsprinzips und beruht damit auf den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (Ordnungsmäßigkeit der Buchführung). Es gilt daher gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich auch für die Steuerbilanz. Dem niedrigeren Wert in der Handelsbilanz entspricht in der Steuerbilanz der niedrigere Teilwert. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens können steuerlich bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung mit dem niedrigeren Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 EStG). Aus dem zweiten Halbsatz von § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts der Ansatz anders als nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erfolgen kann, wird geschlossen, dass steuerlich abweichend vom handelsrechtlichen Abschreibungsgebot von der Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert abgesehen werden kann.
1.2.3 Börsen- oder Marktpreis
Rz. 64
Börsenpreis ist der an einer amtlich anerkannten Börse festgestellte Preis. Es sind nicht nur die Preise deutscher, sondern auch die ausländischer Börsen zu berücksichtigen. Dabei ist der Börsenkurs der Börse heranzuziehen, an der das Wertpapier oder die Ware mutmaßlich gekauft oder verkauft werden soll. Ein Kurswert einer Auslandsbörse ist ggf. mit dem Währungskurs des Abschlussstichtags umzurechnen.
Rz. 65
Marktpreis ist der Preis, der an einem Handelsplatz oder in einem Handelsbezirk für Vorräte einer bestimmten Gattung von durchschnittlicher Art und Güte zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitabschnitt im Durchschnitt gewährt wurde.
Rz. 66
Voraussetzung für einen Börsen- oder Marktpreis ist, dass tatsächlich Umsätze stattgefunden haben. Ein reiner Geld- oder Briefkurs genügt daher nicht, ebenso nicht sog. gesprochene oder im Verkehr "von Büro zu Büro" erzielte Kurse. Die Abschreibungen müssen sich aus einem Börsen- oder Marktpreis ergeben. Maßgebend ist nicht der Börsen- oder Marktpreis, sondern der hieraus abgeleitete Wert. Daher sind die auf diesen Preis bezogenen Anschaffungsnebenkosten hinzuzurechnen und Verkaufskosten abzuziehen.
Die Wertmaßstäbe sind in der genannten Reihenfolge anzuwenden, also zuerst Börsenpreis, wenn dieser fehlt, Marktpreis, wenn es auch ihn nicht gibt, beizulegender Wert.
1.2.4 Beizulegender Wert
Rz. 67
Der beizulegende Wert ist anzusetzen, wenn ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen ist. Je nachdem, ob die Umlaufgegenstände angeschafft oder verkauft werden, ist der beizulegende Wert nach den Verhältnissen des Beschaffungsmarkts oder des Absatzmarkts zu ermitteln.
Rz. 68
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und Waren werden angeschafft. Ihre Werte bestimmen sich daher nach den Verhältnissen des Beschaffungsmarkts.
Waren, Erzeugnisse,...