1.2.5.1 Bestimmung nach den Verhältnissen am Beschaffungsmarkt
Rz. 70
Ist der Beschaffungsmarkt maßgebend, so sind die Wiederbeschaffungskosten relevant. Sind diese gesunken, so richtet sich hiernach die Wertbestimmung, auch wenn die Vorräte bereits zu einem den Wertverlust deckenden Preis fest verkauft, jedoch noch nicht geliefert sind.
Am 10.12.01 wird ein Warenposten eingekauft
15.000 kg zu 33,40 EUR/kg |
501.000 EUR |
Der Marktpreis beträgt am 31.12.01 31,50 EUR/kg |
472.500 EUR |
Differenz |
28.500 EUR |
Am 20.12.01 wird der Warenposten insgesamt
verkauft zu 45,30 EUR/kg |
679.500 EUR |
Die verkauften Waren werden am 5.1.02 ausgeliefert.
Werden die Waren im vorstehenden Beispiel noch im Jahr 01 angeliefert und befinden sie sich daher am 31.12.01 im Betriebsvermögen, sind sie zu diesem Stichtag mit ihren Wiederbeschaffungskosten zu bewerten. Sie sind also um 28.500 EUR abzuschreiben. Das ergibt sich zwingend aus dem Niederstwertprinzip.
Eine Kompensation i. H. d. Gewinns aus dem bereits abgeschlossenen Verkaufsgeschäft verbietet sich, da der Gewinn hieraus noch nicht realisiert ist (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz HGB). An der Realisation fehlt es, da noch nicht geliefert ist.
Die Lieferung ist zudem ein weiteres Rechtsgeschäft, aus dem als selbstständiger Vermögensgegenstand die Forderung aus Lieferung hervorgeht. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung ist diese Forderung gesondert zu bewerten. Sie darf nicht bei der Bewertung des ebenfalls gesondert zu bewertenden Warenpostens berücksichtigt werden.
1.2.5.2 Bestimmung nach den Verhältnissen am Absatzmarkt
Rz. 71
Die Einflüsse des Absatzmarktes wirken sich insbesondere auf den Wert der Handelswaren, unfertigen und fertigen Erzeugnisse aus. Ist am Bilanzstichtag bereits ein negativer Einfluss des Absatzmarkts auf den Wert dieser Vorräte festzustellen, ist ein entsprechender Abschlag vorzunehmen. Hierbei ist von den voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlösen auszugehen. Sie werden anhand der Aufzeichnungen über Schlussverkäufe und Sonderverkäufe bestimmt.
Der einem Warenposten oder einem Posten von Fertigerzeugnissen beizulegende Wert ist aufgrund der Verhältnisse des Absatzmarkts zu ermitteln. Hierbei sind den Waren und Fertigerzeugnissen, die im Wert gemindert sind, die Verkaufspreise zuzuordnen, die in dem nach dem Abschlussstichtag durchgeführten Schlussverkauf, Saisonausverkauf oder sonstigen Verkauf, evtl. auch aus einem Notverkauf, erzielt worden sind. Die Werte ergeben sich aus den Preisaufzeichnungen über diese Verkäufe. Hiervon sind die noch zu erwartenden Aufwendungen und Erlösschmälerungen abzusetzen.
1.2.5.3 Verlustfreie Bewertung
Rz. 72
Bei der Bewertung nach den Verhältnissen vom Absatzmarkt wird der mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der fertigen und unfertigen Erzeugnisse und der Waren zu vergleichende Wert retrograd ermittelt. Hierbei wird also vom späteren Erlös ausgegangen. Deshalb wird diese Bewertungsmethode als retrograde Bewertung bezeichnet. Sie ist nicht zu verwechseln mit der retrograden Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Es wird von folgendem Schema ausgegangen:
Retrograde Bewertung |
|
voraussichtlicher Verkaufserlös |
./. |
Erlösschmälerungen |
./. |
Verpackungskosten und Ausgangsfrachten |
./. |
allgemeine Vertriebskosten |
./. |
Verwaltungskosten |
./. |
Kapitaldienstkosten (für Lagerung bis zum Verkauf) |
= |
am Abschlussstichtag beizulegender Wert |
Hierbei werden die für den Verkauf bestimmten Vorräte so bewertet, dass nach dem Abschlussstichtag kein Verlust mehr entsteht. Ein beim Verkauf voraussichtlich entstehender Verlust wird durch die Bewertung zum Abschlussstichtag in die Periode vorgezogen.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Wert anzusetzen, der von dem voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös nach Abzug des nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden betrieblichen Aufwands und des durchschnittlichen Unternehmergewinns verbleibt. Hiernach ist also vom voraussichtlichen Verkaufserlös zusätzlich zu den im vorstehenden Schema genannten Aufwendungen der durchschnittliche Unternehmergewinn zu kürzen. Hierbei werden die Vorräte mit dem Teilwert bewertet. Diese steuerliche Bewertung unterscheidet sich wesentlich von der handelsrechtlichen. Es ist daher bei der handelsrechtlichen Bewertung der Vorräte nicht zulässig, den durchschnittlichen Unternehmergewinn abzuziehen.