Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Soweit der Unternehmer die in dem BMF-Schreiben ausgeführten Vereinfachungsregelungen anwendet, bedarf es keiner weitergehenden Genehmigung durch die zuständige Finanzverwaltung.
Im Zentrum aller Überlegungen steht, wann die Leistung des Unternehmers tatsächlich ausgeführt worden ist. Bei Lieferungen ist dies im Regelfall der Zeitpunkt, an den dem Kunden die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft worden ist. Bei sonstigen Leistungen ist die Leistung ausgeführt, wenn die Leistung vollendet ist – bei Dauerleistungen, wenn der Leistungszeitraum endet.
Nebenleistungen teilen immer das Schicksal der Hauptleistung. Dies gilt insbesondere bei der Abrechnung von Nebenkosten bei Vermietungsleistungen, die Umsatzsteuer für die Nebenleistungen entsteht damit nach dem Steuersatz, der bei Ausführung der Hauptleistung (oder der jeweiligen Teilleistung) maßgebend war.
Die Absenkung der Umsatzsteuer erfordert sowohl die umfangreiche technische Anpassung von Registrierkassen, neue Kalkulationen für Angebotspreise, die Neuauszeichnung von Waren, die Umstellung der Warenwirtschaftssysteme wie auch systematische Abgrenzungen und die Lösung der Übergangsprobleme. Insbesondere für die elektronischen Kassensysteme ergeben sich Probleme, wenn eine Umstellung zum 1.7.2020 nicht rechtzeitig vorgenommen werden konnte und dann ab dem 1.7.2020 noch die alten Steuersätze von 7 % oder 19 % in Kassenbons ausgedruckt werden. Die Umsatzsteuer wird dann nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet. Eine notwendige Nichtbeanstandungsregelung hat die Finanzverwaltung nicht getroffen.
Nichtbeanstandungsregelung im B2B-Bereich
Eine Nichtbeanstandungsregelung hat die Finanzverwaltung für die B2B-Umsätze bezüglich des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers getroffen: Soweit die Leistung im Juli 2020 ausgeführt wird (unabhängig davon, wann die Rechnung ausgestellt wurde), wird es für den Vorsteuerabzug nicht beanstandet, wenn die Umsatzsteuer noch mit den alten Steuersätzen von 19 % oder 7 % ausgewiesen wird. Voraussetzung ist aber, dass der leistende Unternehmer dann diese ausgewiesene Umsatzsteuer auch tatsächlich abführt.
Ob diese auf diesen kurzen Zeitraum bezogene Regelung für die Wirtschaft tatsächlich ausreichend ist, kann bezweifelt werden. Insbesondere bei längerfristigen Verträgen (z.B. Wartungsverträge, Abonnementverträge oder "Jahreskarten"), die oftmals für einen Jahreszeitraum abgeschlossen werden und häufig am Kalenderjahresende abgelaufen sind, entsteht die Umsatzsteuer unabhängig vom Zahlungszeitpunkt insgesamt am Ende des Leistungszeitraums. Da dieser Leistungszeitpunkt dann nicht in dem Zeitraum der Nichtbeanstandungsregelung liegt, müssen die entsprechenden Abrechnungen berichtigt werden, damit es nicht zu einem unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG kommt, der dem Leistungsempfänger nur einen verringerten Vorsteuerabzug ermöglicht. Bei voller Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers wird hier ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand verursacht, ohne dass dies tatsächlich für die Beteiligten zu Vorteilen gereicht.