Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Die Abtretungsanzeige muss vollständig sein, um wirksam zu werden. Allerdings machen Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, die Abtretung nicht von vornherein unwirksam.
Sie sind vielmehr als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung unter Beachtung des Empfängerhorizonts zugänglich, die sich an den Schutz- und Bearbeitungszwecken der Anzeige auszurichten hat, deren Erfüllung auch die formelle Wirksamkeit der Abtretungsanzeige bestimmt.
Bei der Ermittlung des in der Abtretungsanzeige verkörperten Willens können allerdings nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für das Finanzamt als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar gewesen sind. Umstände, die erst nach Zugang der Erklärung zutage treten, können daher keine Beachtung finden. Mit Urteil vom 28.9.2011 hat der BFH entschieden, dass die in einer Abtretungsanzeige notwendigen Angaben zum Abtretungsgrund eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts erfordern. Ansonsten ist die Abtretungsanzeige aufgrund Formmangels unwirksam. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn lediglich das auf dem alten Abtretungsvordruck vorgesehene Feld "Sicherungsabtretung" angekreuzt worden ist und keine weiteren Angaben erfolgen, weil der Vordruck dies nicht vorsieht.
Fehlen die vom Gesetzgeber mit § 46 Abs. 3 AO geforderten Angaben, ändert eine Nachholung nichts an der Unwirksamkeit der Abtretungsanzeige, denn die vollständige Abtretungsanzeige lässt nicht nur die Abtretung erst wirksam werden, sondern bestimmt auch deren Rang gegenüber anderen Zessionaren.
Bei mehrfacher Abtretung eines Steueranspruchs ist nur die zuerst angezeigte Abtretung wirksam. Eine nachträgliche Ergänzung der Abtretungsanzeige um die in § 46 Abs. 3 AO geforderten Angaben mit Wirkung ex tunc (rückwirkend) würde diese Rangfolge verletzen und die übrigen Zessionare, die eine formgerechte Anzeige eingereicht haben, unangemessen benachteiligen. Der BFH sieht hier im Einzelfall allenfalls die Möglichkeit, dass mit der nachträglichen Ergänzung der Angaben die Abtretung dem Finanzamt erneut angezeigt werden soll, mit der Folge, dass die Abtretung erst ab diesem Zeitpunkt Wirksamkeit erlangen kann.
Der BFH hat ferner entschieden, dass die Finanzbehörde auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, wenn sie die Formgültigkeit einer Abtretungsanzeige wegen fehlender Angabe des Abtretungsgrunds in einem Zeitpunkt beanstandet, in dem sie bereits Kenntnis von dem Abtretungsgrund hat.