Leitsatz
Wird ein zusammenhängendes Grundstück an die Kanalisation angeschlossen und werden dadurch bisher als Weideland genutzte Flächen bebaubar, handelt es sich bei den darauf entfallenden Abwasserbaubeiträgen auch dann um nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden, wenn ein im Übrigen aufstehendes Wohngebäude bereits über eine Sickergrube verfügte.
Normenkette
§ 4 Abs. 4 EStG , § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG , § 13 EStG
Sachverhalt
Für ein zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörendes Grundstück musste der Landwirt Beiträge für den Anschluss an eine Abwasserleitung entrichten. Zu dem Grundstück gehörte die mit dem Wohngebäude und zwei Wirtschaftsgebäuden bebaute Hofstelle; im Übrigen handelte es sich um Grün- und Ackerland. Die Abwässer des Wohnhauses wurden bisher durch eine Sickergrube entsorgt.
Die Gemeinde stundete den anteiligen Erschließungsbeitrag für die mit Wirtschaftsgebäuden bebaute Fläche. Den Restbetrag zahlte der Landwirt und behandelte ihn als Betriebsausgabe.
Das FA ließ nur den auf das Wohngebäude entfallenden Betrag zum Abzug zu. Dagegen erhob der Landwirt Klage und hatte vor dem FG auch Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hielt demgegenüber die Ansicht des FA für zutreffend, dass die Kosten für eine Ersterschließung angefallen seien. Er hob deshalb das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Kosten der Ersterschließung eines Grundstücks sind grundsätzlich nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Denn sie machen das Grundstück als Bauland nutzbar. Eine Gewinnminderung ist demzufolge weder auf dem Weg über sofort abziehbare Betriebsausgaben noch über die Abschreibung des später errichteten Gebäudes möglich.
2. Kosten einer Zweiterschließung betrachtet die Rechtsprechung demgegenüber als sofort abziehbare Betriebsausgabe. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Erschließungsanlage einer moderneren Technik folgt, wenn sie nur denselben Zweck wie die alte Anlage erfüllt.
Darauf berief sich im Besprechungsfall der Kläger und hatte schon im Einspruchsverfahren insoweit Erfolg, als anteilig auf das Wohngebäude entfallende Erschließungskosten als Betriebsausgabe anerkannt wurden. Denn die Abwässer des Wohnhauses wurden vor dem Anschluss an die Kanalisation durch eine Sickergrube entsorgt. Beachten Sie, dass der Streitfall noch einen Veranlagungszeitraum betraf, in dem das Wohngebäude des Landwirts zum Betriebsvermögen gehörte. Seit 1999 ist das in der Regel nicht mehr der Fall (Ausnahme: Baudenkmäler).
Da die Erschließung im Streitfall aber ausdrücklich die gesamte Grundstücksfläche betraf und der Beitrag danach bemessen wurde, konnte anschließend auch der bislang landwirtschaftlich genutzte Grundstücksteil an die Kanalisation angeschlossen werden. Dazu kommt es natürlich erst, wenn die betreffende Fläche auch bebaut wird. Aber die Voraussetzungen für eine Bebauung sind durch den Abwasseranschluss insoweit nun geschaffen worden. Es handelt sich demzufolge um eine Ersterschließung, so dass die Erschließungskosten aktiviert werden mussten.
Offen blieb im Besprechungsfall, wie die Erschließungskosten zu behandeln sind, die auf mit Wirtschaftsgebäuden bebaute Flächen entfallen. Den betreffenden Anteil der Kanalbaukosten hatte die Gemeinde nämlich gestundet, so lange das Grundstück "zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs" genutzt werde. Hätten die Beiträge gezahlt werden müssen, wären diese m.E. ebenfalls als Anschaffungskosten zu beurteilen. Es handelt sich auch insoweit um eine Ersterschließung, weil die Bebauung mit Wohngebäuden ermöglicht wird. Das Grundstück erhält dadurch einen höheren Wert. Deshalb spielt es keine Rolle, ob für das vorhandene Wirtschaftsgebäude kein Erschließungsbedarf besteht, etwa weil kein Abwasser anfällt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.12.2003, IV R 40/02