Dipl.-Finanzwirt Bernhard Paus
Leitsatz
Das Finanzgericht Köln hält den im Gesetz vorgeschriebenen Zinssatz von 6 % für die
Ermittlung der Pensionsrückstellungen (Abzinsung der künftigen Pensionszahlungen) für nicht mehr realitätsgerecht und deshalb verfassungswidrig. Es hat diese Frage für das Jahr 2015 dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.
Sachverhalt
Ein mittelständisches Unternehmen in der Rechtform einer GmbH hatte im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ihren Arbeitnehmern Pensionszahlungen zugesagt. Für ihre Handelsbilanz errechnete sie eine Pensionsrückstellung von 10.988.000 EUR. In der Steuerbilanz war dieser Wertansatz wegen der höheren Abzinsung auf 7.466.195 EUR zu kürzen. Sie hielt den damit geforderten Gewinnausweis und die resultierenden Steuerforderungen für nicht gerechtfertigt.
Entscheidung
Das Finanzgericht schloss sich dieser Auffassung an. Der Zinssatz von 6 % sei seit mehreren Jahren nicht mehr realitätsgerecht, etwa im Vergleich zu dem Kapitalmarktzins und der Rendite für Unternehmensanleihen. Auch ein typisierend festgelegter Zinssatz müsse sich an der wirtschaftlichen Realität orientieren. Der Gesichtspunkt, die überhöhte Abzinsung bei Ausweis einer Rückstellung führe lediglich zu einer zeitlich begrenzten Mehrbelastung, könne die realitätsferne Abzinsung ebenfalls nicht rechtfertigen. Die Rechtsprechung zu Aussetzungszinsen lasse sich nicht auf die Frage der Pensionsrückstellungen übertragen, weil Aussetzungszinsen auch zugunsten der Steuerpflichtigen festzusetzen sind und es bei Pensionen um weit längere Zeiträume gehe.
Hinweis
Ob das Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung annehmen und wie es ggf. die Frage beantworten wird, lässt sich trotz des eindeutigen Verstoßes gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht sicher voraussehen. Allein das anhängige Verfahren (Az. 2 BvL 22/17) ist ein zwingender Grund, gegen alle einschlägigen Bescheide Einspruch einzulegen und Ruhen des Verfahrens zu beantragen (§ 363 AO). Ob sich darüber hinaus ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung empfiehlt, lässt sich dagegen nur im Einzelfall entscheiden. Dabei ist zu bedenken, dass bei einer günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Betrieb von - im Zweifel überhöhten - Aussetzungszinsen profitiert. Ggf. stellt sich die weitere Frage, ob allein die Kürzung der laufenden Zuführungen zu der Pensionsrückstellung angegriffen werden oder eine Neuberechnung des Rückstellungsbetrags verlangt werden soll. Ob und in welcher Form die - oft über viele Jahre angesammelte - Minderbewertung der Pensionsrückstellungen zu korrigieren ist (Wahlrecht für die Betriebe hinsichtlich einer Verteilung?), dürfte auch das Bundesverfassungsgericht bewegen, falls es den überhöhten Zinssatz für verfassungswidrig erklärt und für zurück liegende Jahre eine Neubewertung der Rückstellungen verlangt. Vermutlich würde eine Entscheidung in diesem Sinne nicht nur Pensionsrückstellungen erfassen, sondern darüber hinaus die Abzinsung anderer Rückstellungen, weil auch der hier vorgeschriebene Zinssatz von 5.5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 3e EStG) als überhöht anzusehen ist.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Beschluss vom 12.10.2017, 10 K 977/17