Leitsatz

Verbindlichkeiten, die auf die Leistung eines Geldbetrags gerichtet und erst nach geraumer Zeit zu tilgen sind, sind – auch ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Zinsvereinbarung – regelmäßig abzuzinsen. Dies gilt indessen nicht, soweit Verbindlichkeiten tatsächlich keinen Zinsanteil enthalten.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 EStG, § 250 Abs. 3 Satz 1, § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin war Rechtsnachfolgerin einer GmbH, der K-GmbH, die in den Streitjahren 1992 bis 1994 Organgesellschaft i.S.d. §§ 14 ff. KStG der K-AG war. Die K-AG bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die X-AG, war am Klageverfahren – dort als weitere Klägerin zu 1. – beteiligt.

In ihren Bilanzen zum 31.12.1992 bis 31.12.1994 bildete die K-GmbH aufgrund eines bestehenden Sozialplans "Sozialplanrückstellungen". Diese Rückstellungen betrafen die Kosten der vorzeitigen Pensionierung von Mitarbeitern.

Entgegen der Bewertung durch die K-GmbH ?zinste das FA diese Rückstellung mit einem Zinssatz von 5,5 % ab, soweit die Verpflichtungen eine Laufzeit von 12 Monaten und länger aufwiesen, und erließ gegenüber der K-GmbH geänderte Bescheide u.a. zur gesonderten Feststellung des vEK jeweils zum 31.12. der Streitjahre gem. § 47 Abs. 1 KStG a.F., in denen es gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG a.F. den Teilbetrag des vEK i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG a.F. (EK 04) der Klägerin um die entsprechenden Vermögensmehrungen erhöhte.

Die hiergegen von der Organträgerin als seinerzeitige Klägerin zu 1. erhobene Klage wies das FG wegen fehlender Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) als unzulässig ab. Der Klage der im Revisionsverfahren allein verbliebenen Organgesellschaft = Klägerin (zu 2.) gab das FG hingegen statt (EFG 2005, 399).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil.

Das FG sei von einer tatsächlichen Unverzinslichkeit der Zahlungsverpflichtung der K-GmbH ausgegangen. Damit habe es ein "verdecktes Kreditgeschäft" verneint. Es sei nicht zu erkennen, dass die Klägerin zu 2. und die einzelnen Arbeitnehmer eine Vereinbarung zur sofortigen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Sozialplan (unter Verringerung der zu zahlenden Beträge um einen Zinsanteil) hätten treffen können.

Bei dieser Verpflichtung lasse sich im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch keine "übliche Geschäftspraxis" feststellen, Zahlungsansprüche zu verzinsen. Kaufmännische Gepflogenheiten, die eine Verzinsung nahe legten, könnten nicht auf jedwedes Schuldverhältnis bezogen und übertragen werden. Auch "kalkulatorisch" ergebe sich aus der Natur der Verbindlichkeit kein verdecktes Darlehensverhältnis.

Schließlich fehle es an einer (Vor-)Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers (als Gläubiger der Sozialplanverpflichtung), da die Zahlungen dessen erst zukünftig eintretende Nachteile infolge der Freistellung ausgleichen sollten.

 

Hinweis

1. Es ging um die Frage der Abzinsung einer Verbindlichkeitsrückstellung. Der BFH stellt dazu klar:

Im Grundsatz sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die auf die Leistung ?eines Geldbetrags gerichtet und erst nach geraumer Zeit zu tilgen sind, auch ohne dahingehende ausdrückliche Zinsvereinbarung grundsätzlich abzuzinsen; dies gilt selbst dann, wenn die jeweilige Verbindlichkeit als unverzinslich deklariert wurde. Es ist aufgrund allgemeiner Erfahrung davon auszugehen, dass solche Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten, der seinen Grund in einem "verdeckten Kreditgeschäft" zwischen den Vertragsparteien findet. Der Zeitpunkt der Leistung eines Geldbetrags bindet unmittelbar Finanzmittel oder gibt solche (zu anderweitiger Verwendung) frei. Das Kreditgeschäft ist entsprechend dem Grundsatz der Einzelbewertung von der zugrunde liegenden Verbindlichkeit getrennt und als (ratierlich zu erfüllendes) schwebendes Geschäft zu behandeln.

Ein Abzinsungserfordernis gilt grundsätzlich auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, wenn davon auszugehen ist, dass "der Arbeitgeber bei alsbaldiger Auszahlung einen geringeren Betrag entrichtet hätte, die erst später zu zahlende Summe bei wirtschaftlicher Betrachtung also einen Zinsanteil enthält". So verhielt es sich im Urteilsfall für eine Sozialplanverbindlichkeit.

2. Jedoch:

Das alles gilt nicht, wenn eine Verbindlichkeit tatsächlich keinen Zinsanteil enthält, also unverzinslich ist (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB). Dies ist der Fall, wenn sich der Auszahlungs-(Verfügungs-)Betrag mit dem Rückzahlungsbetrag im Einzelfall deckt. Diese Voraussetzungen können vorliegen, wenn aufgrund der ?Besonderheiten des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses nicht von der Möglichkeit einer sofortigen Erfüllung der Verbindlichkeit zum Barwert auszugehen ist. Dafür spricht insbesondere, wenn eine "kaufmännische Gepflogenheit" oder "übliche Geschäftspraxis", Zahlungsansprüche zu verzinsen, nicht festzustellen ist.

3. Und überdies: Für die steuerliche "Neuzeit" gilt auch diese Einschränkung nicht; § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG n.F. bestimmt die generelle Abzinsung von Verpflichtungsrückstellungen mit einem Zinssatz von 5,5 ...

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