Gleichlautende Ländererlasse vom 9.1.2023,, BStBl I 2023, 204
Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2021 – Rs. C-394/20 –
Der EuGH hat mit Urteil vom 21. Dezember 2021 – Rs. C-394/20 – (BStBl 2023 II S. 156) entschieden, dass die Nichtabzugsfähigkeit von Pflichtteilsverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeiten in Fällen der beschränkten Steuerpflicht nach § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Es liegt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vor.
Nach § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG ist die Abzugsfähigkeit der Schulden und Lasten vom wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem erworbenen Inlandsvermögen abhängig. Bei Pflichtteilsverbindlichkeiten besteht kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen (BFH vom 22.7.2015 II R 12/14, BStBl 2016 II S. 230), sodass sie in Fällen der beschränkten Steuerpflicht nicht abzugsfähig sind. Bei unbeschränkter Steuerpflicht sind Pflichtteilsverbindlichkeiten unabhängig von einem wirtschaftlichen Zusammenhang vorbehaltlich einer eventuellen Abzugsbeschränkung nach § 10 Absatz 6 Satz 5 ff. ErbStG abzugsfähig. Dies führt dazu, dass Erbschaften zwischen Gebietsfremden, die Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG betreffen, einer höheren steuerlichen Belastung unterliegen als Erbschaften im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht.
Zur unionsrechtskonformen Auslegung des § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG gelten die nachfolgenden Ausführungen:
Pflichtteilsverbindlichkeiten sind anteilig als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, soweit die Vermögensgegenstände des Erwerbs der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG) unterliegen. Der abzugsfähige Anteil bemisst sich nach dem Verhältnis der Summe der Werte der Vermögensgegenstände, die der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, abzüglich der mit diesen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten, zum Gesamtwert aller Vermögensgegenstände des aktuellen Erwerbs abzüglich der mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten des aktuellen Erwerbs.
Neben Pflichtteilsverbindlichkeiten sind insbesondere Zugewinnausgleichsverbindlichkeiten und Verbindlichkeiten aufgrund auf Geldzahlung gerichteter Untervermächtnisse in entsprechender Anwendung anteilig abzugsfähig. Der BFH verneint einen wirtschaftlichen Zusammenhang auch in diesen Fällen (BFH vom 22.7.2015 II R 12/14, BStBl 2016 II S. 230 und vom 22.7.2015 II R 21/13, BStBl 2016 II S. 228). Dies führt entsprechend den Grundsätzen des EuGH-Urteils zu einer unionsrechtswidrigen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit. Deshalb sind die Grundsätze des EuGH-Urteils auch auf diese Fälle zu übertragen.
Beispiel:
Erblasser E, österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich, verstirbt im Jahr 01. Im Nachlass des E befinden sich zwei bebaute Grundstücke in Deutschland (Wert 4.970.000 EUR), ein bebautes Grundstück in Spanien (Wert 6.000.000 EUR) und Kapitalvermögen in Österreich (330.000 EUR). Zum Todestag bestanden Schulden aus der Anschaffung der Grundstücke in Deutschland in Höhe von 2.000.000 EUR und des Grundstücks in Spanien in Höhe von 3.000.000 EUR. E hat durch Testament seine Tochter T, ebenfalls österreichische Staatsbürgerin mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich, als Alleinerbin eingesetzt. Nach dem Tod des E machen seine Ehefrau F und sein Sohn S gegenüber der T Pflichtteilsansprüche in Höhe von 4.550.000 EUR geltend.
Lösung:
Pflichtteilsverbindlichkeiten sind anteilig als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, soweit die Vermögensgegenstände des Erwerbs der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen.
Berechnung:
Wert der der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensgegenstände abzüglich der mit diesen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden
Inlandsvermögen i.S.d. § 121 Nr. 2 BewG (Grundstücke) |
4.970.000 EUR |
abzüglich Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Grundstücken stehen |
./. 2.000.000 EUR |
Vermögensanfall |
2.970.000 EUR |
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Gesamtwert aller Vermögensgegenstände des aktuellen Erwerbs abzüglich der mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden
inländisches Vermögen Grundstücke |
4.970.000 EUR |
Grundstück in Spanien |
+ 6.000.000 EUR |
Kapitalvermögen in Österreich |
+ 330.000 EUR |
Gesamtwert aller Vermögensgegenstände |
11.300.000 EUR |
abzüglich Schulden |
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- |
in wirtschaftlichem Zusammenhang |
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mit Inlandsvermögen |
2.000.000 EUR |
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- |
in wirtschaftlichem Zusammenhang |
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mit Auslandsvermögen |
+ 3.000.000 EUR |
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5.000.000 EUR |
./. 5.000.000 EUR |
Gesamtwert aller Vermögensgegenstände abzüglich in wirtschaftlichem Zusammenhang stehender Schulden |
6.300.000 EUR |
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Berechnung des abzugsfähigen Betrags der Schulden, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen und die anteilig auf die der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegenden Vermögensgegenstände entfallen