Leitsatz
Daniela Griesbaum
Kommt der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht nach, kann das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden (§ 74 Abs. 1 EStG). Die Vermutung, eine Unterhaltsverletzung sei nicht gegeben, solange das Kind im Haushalt des Kindergeldberechtigten lebt, kann durch den Nachweis eigener Kostentragung des Kindes für Unterkunft und Verpflegung entkräftet werden.
Sachverhalt
Die Klägerin macht die Auszahlung des Kindergelds an sie als Kind nach § 74 Abs. 1 EStG geltend, weil die kindergeldberechtigte Mutter ihr keinen Unterhalt gewähre. Die im Jahr 1982 geborene Klägerin, die ein Hochschulstudium absolviert, bewohnte im Streitzeitraum mit ihrer Mutter eine Mietwohnung, deren Mieterin ihre Mutter ist. Die Mutter war nicht in der Lage, ihre Tochter finanziell zu unterstützen. Trotzdem lehnte die Familienkasse die Auszahlung des Kindergeldes an die Klägerin ab, weil der Klägerin durch die Aufnahme in den Haushalt der Mutter Unterhalt gewährt werde. Das Kindergeld wurde daher weiter an die Mutter der Klägerin gezahlt, was nach Auffassung der Klägerin ihrem Abzweigungsanspruch nicht entgegenstehe.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Familienkasse (FK) zur Abzweigung des Kindergeldes verpflichtet, da die Mutter mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt leisten kann und auch nicht geleistet hat. Die Klägerin hat durch Vorlage der Kontoauszüge nachgewiesen, dass sie ihren Mietanteil selbst überwiesen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter ihr hierfür die notwendigen Mittel zuvor zur Verfügung gestellt hat, bestehen nicht. Die von der FK angeführte Verwaltungsregelung (BZSt Newsletter 1/2005 vom 7. April 2005, Ziffer 3), wonach eine Unterhaltsverletzung nicht gegeben sei, solange das Kind im Haushalt des Berechtigten lebe, steht der Erfüllung der Voraussetzungen des § 74 (1) EStG nicht entgegen. Maßgeblich ist nämlich nicht das Leben im Haushalt eines Berechtigten, sondern allein die tatsächliche Gewährung von Unterhalt. Sind -wie im Streitfall- die Voraussetzungen der Abzweigung zum Zeitpunkt der Zahlung objektiv erfüllt und der maßgebliche Sachverhalt der Familienkasse bekannt, über die beantragte Abzweigung aber noch nicht bestandskräftig entschieden, tritt mit der Zahlung des Kindergeldes an den Berechtigten keine Erfüllungswirkung ein, mit der Folge, dass die Auszahlung an die Klägerin vorzunehmen ist.
Hinweis
Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird bei dem BFH unter dem Az. III R 16/09 geführt. In vergleichbaren Fällen sollte daher gegen die Ablehnung der Abzweigung des Kindergeldes Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragt werden.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 21.01.2009, 14 K 2708/05