Leitsatz
Sind die Tatsachen bekannt, die zu der Beurteilung führen, dass für ein über 18 Jahre altes Kind die Voraussetzungen für Kindergeld nicht vorliegen, dann kann die nach § 70 Abs. 1 EStG ergangene Kindergeldfestsetzung nur nach § 70 Abs. 3 EStG mit Wirkung für die Zukunft geändert werden; eine rückwirkende Änderung ist nicht möglich.
Sachverhalt
Der Kläger ist Vater einer im Jahr 1986 geborenen Tochter, welche sich voraussichtlich bis zum Jahr 2007 in Schulausbildung befand. Da die Tochter sich zum 1.2.2005 von der Schule abgemeldet hatte, hat die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Februar 2005 mit Bescheid vom 7.9.2005 aufgehoben obwohl der Kläger vorgetragen hat, dass sich die Tochter am 1.3.2005 für ein freiwilliges soziales Jahr beworben habe. Obwohl er der Familienkasse am 30.6.2005 mitgeteilt hatte, dass die Tochter keine entsprechende Stelle bekommen hat, hat die Familienkasse das Kindergeld bis September 2005 weiter gezahlt. Im Klageverfahren begehrt der Kläger die Gewährung von Kindergeld zumindest für vier Monate wegen Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten.
Entscheidung
Für die Monate Februar bis Juli 2005 konnte die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ändern, nachdem sie durch das am 4.7.2005 bei ihr eingegangene Schreiben des Klägers vom 30.6.2005 darüber Gewissheit erlangt hat, dass die Tochter im Juni 2005 nicht das freiwillige soziale Jahr angetreten hat und damit weder für die Zeit von Februar bis Mai 2005 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2b EStG, noch für die Monate Juni und Juli 2005 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2d EStG vorlagen. Der BFH hat in seinem Urteil vom 15.7.2005 (VIII R 92/01) offen gelassen, ob die Änderung betreffend die Überschreitung des Vier-Monats-Zeitraums auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO allein oder i. V. mit § 175 Abs. 2 AO oder auf § 70 Abs. 2 EStG zu stützen ist. Hinsichtlich des Nichtantritts des freiwilligen sozialen Jahres ist § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO Rechtsgrundlage für die Aufhebung. Für den Monat August 2005 fehlt es dagegen an einer Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung. Zwar bestand für diesen Monat materiell-rechtlich kein Anspruch auf Kindergeld. Es fehlt aber an einer verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeit. Nach § 70 Abs. 3 EStG kann eine fehlerhafte Festsetzung nur mit Wirkung für die Zukunft korrigiert werden. Diese Korrektur wurde mit dem Bescheid vom 7.9.2005 vorgenommen. Nach § 70 Abs. 3 EStG war zu diesem Zeitpunkt also eine rückwirkende Korrektur für den Monat August 2005 nicht mehr möglich. Lediglich die Änderung des laufenden Monats September 2005 konnte auf diese Vorschrift gestützt werden.
Hinweis
In dem anhängigen Revisionsverfahren III R 11/08 hat der BFH die Fragen zu klären, ob eine ohne schriftlichen Bescheid erfolgte Kindergeldfestsetzung Bindungswirkung für die Zukunft hat, die nur unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2-4 EStG wieder beseitigt werden kann, und ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG bei Überschreiten der viermonatigen Übergangszeit bis zum Beginn des Freiwilligen sozialen Jahres analog angewandt werden kann.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.05.2006, 6 K 2809/05