Leitsatz
Bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften hat die übertragende Kapitalgesellschaft das Wahlrecht, in der Steuerbilanz das Vermögen zu Buchwerten, Zwischenwerten oder Teilwerten anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Sätze 1 und 3 UmwStG). § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG dagegen normiert für den Ansatz in der handelsrechtlichen Schlussbilanz der Überträgerin den Ansatz zu Buchwerten. Die Finanzverwaltung vertritt im Umwandlungssteuererlass die Auffassung, dass nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 EStG) der Wertansatz der handelsrechtlichen Schlussbilanz in die steuerliche Schlussbilanz übernommen werden muss, so dass das Bewertungswahlrecht des § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ins Leere läuft, da nur der Buchwertansatz zulässig ist. Das Finanzgericht hat demgegenüber aber entschieden, dass für den Fall der Verschmelzung einer GmbH auf eine andere GmbH die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz nicht dem Ansatz eines Zwischenwerts oder des Teilwerts entgegensteht.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine unbeschränkt steuerpflichtige GmbH. Mit Verschmelzungsvertrag vom 31.7.1997 wurde eine zweite GmbH zum 31.12.1996 auf die Klägerin verschmolzen. Zunächst wurde die Bilanz des Jahres 1996 unter Fortführung der aus der Vorjahresbilanz fortentwickelten Buchwerte eingereicht. In der GuV des Jahres 1996 wurde ein geringfügiger Verlust ausgewiesen. Ein verbleibender Verlustvortrag wurde mit rund 4.500.000 DM festgestellt. Im Jahr 1998 reichte die Klägerin unter Beifügung einer "Übertragungsbilanz" zum 31.12.1996 eine geänderte Bilanz sowie eine geänderte GuV ein. Die Änderung bezog sich hauptsächlich auf die Erhöhung des Ansatzes der Software, die in der ursprünglichen Bilanz mit dem fortgeführten Buchwert i.H.v. 2.500 DM bilanziert war, in der Übertragungsbilanz allerdings zum - unbestrittenen - Teilwert i.H.v. rund 1.000.000 DM angesetzt wurde. Da die Aufstockung der Software ergebniserhöhend zu erfolgen hat, wies die GmbH in der geänderten GuV nunmehr einen Gewinn i.H.v. ca. 1.000.000 DM aus, der mit dem Verlustvortrag i.H.v. 4.500.000 DM verrechnet werden sollte. Die GmbH errechnete somit ein verbleibendes Verlustvortragspotential i.H.v. ca. 3.500.000 DM.
Das Finanzamt lehnte die Änderung der Veranlagung ab. Gem. Tz. 11.01 UmwStE sei wegen der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz in der Steuerbilanz kein höherer Wertansatz zulässig, so dass eine Aufstockung der Software in der Übertragungsbilanz nicht zulässig sei. Gegen diese Ablehnung legte die Klägerin Einspruch ein mit Begründung, dass das Wahlrecht gem. § 11 UmwStG eine Werterhöhung unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz zulasse. Die Auffassung im UmwStE sei daher eine gesetzwidrige Einschränkung dieses steuerlichen Wahlrechts. Der Einspruch wurde im Jahr 1999 unter Berufung auf die Ausführungen des UmwStE zurückgewiesen.
Entscheidung
Nach der Auffassung des Gerichts ist die Klage begründet. § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG erlaubt in der Schlussbilanz den Ansatz eines höheren Wertes als den Buchwert, soweit der Teilwert nicht überschritten wird. Das UmwStG enthält nicht einmal in der Regierungsbegründung einen Hinweis darauf, dass die handelsrechtliche Beschränkung auch für die Steuerbilanz gelten soll. Es handelt sich um ein autonomes steuerliches Wahlrecht, dem ein handelsrechtliches Wahlrecht nicht entspricht. Demnach kann die formelle Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) nicht zum Zuge kommen.
Hinweis
Grundsätzlich ist der Steuerpflichtige bei Umwandlungen an einer Buchwertfortführung interessiert, da auf diese Weise der Umwandlungsvorgang steuerneutral gestaltet werden kann. Bestehen allerdings auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers Verlustvorträge, wie es auch im vorliegenden Fall gegeben war, ist üblicherweise der Ansatz eines Zwischenwerts oder Teilwerts vorteilhaft, da zum einen der entstehende Übertragungsgewinn mit den Verlustvorträgen verrechnet werden kann und zum anderen der übernehmende Rechtsträger durch die Aufstockung der Wirtschaftsgüter ein höheres Abschreibungspotential bzw. niedrigere Veräußerungserlöse realisieren kann. Aus diesem Grund ist das Verständnis der §§ 3 und 11 UmwStG als vom Maßgeblichkeitsprinzip unabhängige steuerliche Wahlrechte von großem Vorteil für den Steuerpflichtigen.
Es bleibt zu hoffen, dass durch das Urteil auch die langersehnte Änderung der Tz. 03.01 sowie Tz. 11.01 UmwStE herbeigeführt wird, so dass auch die Finanzverwaltung die Vorschriften des § 3 Satz 1 UmwStG sowie § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG als autonome steuerliche Wahlrechte versteht und der Steuerpflichtige nicht auf den Klageweg verwiesen werden muss.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.2004, 6 K 103/99