Leitsatz
1. Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
2. Eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG auf einen im Kaufvertrag vereinbarten, einseitig durchsetzbaren Anspruch auf Herabsetzung der Gegenleistung ist nicht möglich.
Normenkette
§ 16 Abs. 3 Nr. 1 und 2, § 5 Abs. 2 GrEStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Sachverhalt
Mit Kaufvertrag vom 28.10.2008 erwarb die Klägerin von einer GmbH nach Maßgabe des AusglLeistG bestimmte Grundstücke. Da sie annahm, sie habe nach den Vorgaben des AusglLeistG und der FlErwV einen Anspruch darauf, die Grundstücke zu einem günstigeren Preis als dem vereinbarten Kaufpreis erwerben zu können, behielt sie sich in dem Vertrag eine entsprechende gerichtliche Prüfung vor. Die Verkäuferin stimmte dem zu.
Das seinerzeit zuständige FA setzte gegen die Klägerin auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises Grunderwerbsteuer fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem das zuständige Gericht mit einem im April 2015 ergangenen Urteil die Verkäuferin zu einer teilweisen Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt hatte, weil der vereinbarte Kaufpreis höher war als nach dem AusglLeistG zulässig, erstattete die Verkäuferin im Juni 2015 den vom Gericht festgelegten Betrag.
Den Antrag der Klägerin, die Grunderwerbsteuer entsprechend herabzusetzen, lehnte das FA ab. Das FG gab der Klage statt (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 4.7.2018, 3 K 206/16, Haufe-Index 12066896, EFG 2018, 1781).
Entscheidung
Der BFH wies die Klage auf die Revision des FA ab. Für die begehrte Herabsetzung der Grunderwerbsteuer gebe es unter Berücksichtigung der in den Praxis-Hinweisen dargelegten Rechtsgrundsätze keine Grundlage. Einer Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stehe der bereits vor dem Jahr 2015 eingetretene Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO entgegen.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit den grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen einer nachträglichen Kaufpreisherabsetzung aufgrund einer vertraglich vereinbarten Anpassungsklausel.
1. Die maßgebende Rechtsgrundlage ist dabei § 16 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG.
a) § 16 Abs. 3 GrEStG lässt als spezialgesetzliche Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG unter den dort näher aufgeführten Voraussetzungen auf Antrag die Änderung einer Steuerfestsetzung zu, wenn die Gegenleistung nach Entstehung der Steuer herabgesetzt wird.
Eine nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung erlaubt aber nur dann eine Änderung der Steuerfestsetzung, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) oder wenn die Herabsetzung (Minderung) aufgrund des § 437 BGB vollzogen wird (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG).
Tritt ein Ereignis ein, das nach § 16 Abs. 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, endet die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses (§ 16 Abs. 4 GrEStG).
b) Wie der BFH bereits entschieden hat (BFH, Urteil vom 22.7.2020, II R 15/18, BFH/NV 2021, 126), ermöglicht die nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung nach der insoweit zwingenden gesetzlichen Systematik keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dies gilt auch bei einer Kaufpreisherabsetzung aufgrund einer vertraglich vereinbarten Anpassungsklausel.
2. § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG sieht eine auf Antrag erfolgende Herabsetzung der Steuer für den Fall vor, dass die Herabsetzung der Gegenleistung für das Grundstück (Minderung) aufgrund des § 437 BGB vollzogen wird.
a) Nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB kann ein Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern und den gezahlten Mehrbetrag erstattet verlangen, wenn die Sache mangelhaft (§§ 434, 435 BGB) ist. Ein Sachmangel liegt gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB u.a. vor, wenn der verkaufte Gegenstand nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Als Beschaffenheit einer Sache i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB sind nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Teil der Beschaffenheit sind nur die wertbildenden Faktoren, nicht aber der Wert selbst.
b) Ist der bei einem begünstigten Flächenerwerb nach dem AusglLeistG vereinbarte Kaufpreis höher als in den maßgebenden Vorschriften (§ 3 Abs. 7 AusglLeistG i.V.m. §§ 5 und 6 FlErwV) vorgesehen und wird er deshalb später durch eine gerichtliche Entscheidung herabgesetzt, rechtfertigt dies nicht die Anwendung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Es handelt es sich nämlich nicht um den Vollzug einer Minderung aufgrund eines Mangels i.S.d. § 437 BGB, sondern um die Ermittlung des gesetzlich vorgeschriebenen "Wertansatzes".
c) Auch eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG bei einem bereits im Kaufvertrag vereinbarten, einsei...