Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Hat das FA auf Antrag des Steuerpflichtigen die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der AfA eines vermieteten Gebäudes nachträglich um zuvor unzutreffend von den Herstellungskosten abgezogene, als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu wertende leistungsfreie Darlehensmittel wieder erhöht und die Bescheide für die Jahre nach Auszahlung der Fördermittel entsprechend geändert, darf es die bestandskräftige Steuerfestsetzung des Zuflussjahres nach § 174 Abs. 4 AO ändern und die erhaltenen Fördermittel als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ansetzen.
2. § 174 Abs. 3 Satz 1 AO rechtfertigt Änderungen auch bei einem negativen Widerstreit zwischen (irrtümlich vorgenommenem) periodisch gestrecktem statt punktuellem Ansatz.
Normenkette
§ 163 Satz 2, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 174 Abs. 3 Satz 1, § 174 Abs. 4, § 174 Abs. 4 Satz 3, § 174 Abs. 4 Satz 4 AO, § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Sachverhalt ergibt sich in seiner Struktur bereits aus den Praxis-Hinweisen. Unser K errichtete im Jahr 01 ein zu vermietendes Gebäude, für das er erhebliche Fördermittel kassierte. Er gab für 01 zunächst keine Einkommensteuererklärung ab und wurde geschätzt. Daraufhin erklärte er seine Einkünfte und bemaß die AfA nach den ungekürzten Herstellungskosten. Das FA erfuhr später aus externer Quelle von den Fördermitteln. Es kürzte die Bemessungsgrundlage und legte die so verminderten AfA-Beträge der Besteuerung in den Jahren 01 bis 05 zugrunde. K legte gegen die entsprechenden Bescheide Einspruch ein. Er begehrte (richtigerweise), die Kürzung der Bemessungsgrundlage rückgängig zu machen, nahm allerdings den Einspruch gegen 01 zurück (ein Schelm, der Böses dabei denkt!), womit für 01 Festsetzungsverjährung eintrat. Trotzdem erfasste das FA im Zuflussjahr 01 den Zufluss der Fördermittel als Einnahme. Richtig, so das FG (FG Nürnberg, Urteil vom 29.4.2011, 7 K 160/11, Haufe-Index 2731577, EFG 2011, 1853) und auch der BFH.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des K zurückgewiesen. Der Fall enthielt allerdings noch einen kleinen Schlenker: Obschon das FA die Fördermittel eigentlich im Jahr 01 hätte erfassen müssen, kam es K etwas entgegen und verteilte die Einnahmen auf 10 Jahre. Darin liegt eine Billigkeitsregelung, die das FG nicht beanstandete. Sie ist als Entscheidung nach § 163 Satz 2 AO Grundlagenbescheid und als solcher für die Besteuerung bindend.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft den Widerstreit zwischen periodisch gestrecktem und sofortigem Ansatz von Einnahmen. So verhält es sich, wenn zugeflossene Fördermittel zunächst als Minderung der Herstellungskosten angesehen werden, sie aber richtigerweise als Einnahmen im Zuflussjahr behandelt werden müssen. Wenn das FA jetzt die Bemessungsgrundlage für die AfA wieder erhöht, stellt sich die Frage, ob es im Gegenzug die Einnahme im Zuflussjahr erfassen darf, auch wenn für dieses Jahr längst die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
1. Als Korrekturvorschrift kommt wegen der abgelaufenen Festsetzungsfrist allein § 174 Abs. 4 AO in Betracht: Ist danach aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten geändert worden ist, können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Änderung eines (weiteren) Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.
Die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ist "irrig", wenn sie sich nachträglich als unrichtig erweist. "Bestimmter Sachverhalt" i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Er ist nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen gelegen hat. Zweck: Der Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Er muss daher auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen.
2.Diese Änderungsvoraussetzungen lagen hier vor. Das FA hat in den Streitjahren aufgrund des Rechtsbehelfs des K die AfA-Bemessungsgrundlage erhöht und konnte deshalb folgerichtig auch das Zuflussjahr ändern. Dies ging selbst dann noch, nachdem Festsetzungsverjährung eingetreten war. Das Gesetz enthält für diesen Fall eine besondere Voraussetzung. Bedingung ist nach § 174 Abs. 4 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 AO, dass der Sachverhalt in dem zu ändernden Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt wurde, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt.
3. Hier liegt nun das Kernproblem des Falles: Da auch im Zuflussjahr die AfA-Bemessungsgrundlage g...