Leitsatz

Die Doppelberücksichtigung von Entfernungskilometern stellt keine offenbare Unrichtigkeit dar.

 

Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger machte in seiner Einkommensteuererklärung Aufwendungen für Fahrten zwischen seinen (zwei) Wohnungen und der Arbeitsstätte geltend. Hierbei erklärte er Fahrten teilweise doppelt, was der Sachbearbeiterin im Finanzamt erst in 2006 nach Bestandskraft der Jahre 2004 und 2005 auffiel. Das Finanzamt korrigierte gleichwohl die Jahre unter Hinweis auf § 129 AO. Hiergegen legte der Steuerpflichtige Einspruch ein und verwies darauf, dass die Voraussetzungen einer offenbaren Unrichtigkeit nicht vorlägen. Aus den Anlagen zur Einkommensteuererklärung sei stets ersichtlich gewesen, welche Kilometer erfasst worden seien. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück, so dass Klage erhoben wurde.

 

Entscheidung

Das Finanzamt gab der Klage statt. Das Finanzamt habe hier keine Änderung nach § 129 AO vornehmen dürfen, da der korrigierte Fehler keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 Satz 1 AO gewesen sei. Zwar sei auch möglich, dass die Finanzbehörde offenbare Unrichtigkeiten des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Das gelte aber nur dann, wenn die Unrichtigkeit ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen erkennbar sei. Hier habe stattdessen ein Ermittlungsfehler des Finanzamts vorgelegen. Zudem sei der Fehler nicht ohne weiteres aus der Steuererklärung nebst Anlagen ersichtlich gewesen.

 

Hinweis

Der Entscheidung ist insofern von Interesse, als sie das Augenmerk auf die Bestimmung des § 129 AO lenkt. Diese Norm wird oftmals als Notanker genutzt, wenn andere Änderungsmöglichkeiten nicht eingreifen. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass § 129 AO nur bei Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten der Finanzverwaltung gilt. Fehler des Steuerpflichtigen können nur dann unter § 129 AO fallen, wenn dich das Finanzamt eine offenbare Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen zu eigen macht [1]. Darüber hinaus muss die ähnliche Unrichtigkeit aber auch offenbar sein. Wann dies der Fall ist, ist im Einzelfall oftmals durchaus strittig [2]. Ein Anhaltspunkt wird in jedem Fall sein, wenn der Fehler für alle Beteiligten durchschaubar, erkennbar, augenfällig, handgreiflich und nicht zu bezweifeln ist [3]. Das Gericht kam hier zu der Überzeugung, dass eine solche Augenfälligkeit nicht gegeben war, was für den Steuerpflichtigen hier positive Auswirkungen hatte. Es sollte aber nicht verkannt werden, dass angesichts der schwierigen Greifbarkeit des Begriffs "offenbar" ein anderes Gericht unter Umständen auch anders entschieden hätte.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 13.10.2010, 7 K 4838/08 E

[1] BFH, Urteil v. 2.4.1987, IV R 255/84, BStBl 1987 II S. 762
[2] Vgl. auch Frotscher, in Schwarz, AO, § 129 AO Rz. 20
[3] BFH, Urteil v. 7.6.1972, I R 115/70, BStBl 1972 II S. 423 sowie Frotscher, in Schwarz, AO, § 129 AO Tz. 20

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