Die Aktivität des Hausbauens kann sehr gut mit klassischem Projektmanagement verglichen werden, bei dem erst eine Phase abgeschlossen sein muss, bevor wir in die nächste Phase übergehen. Von diesem Vorgehen leitet sich auch der Vergleich von klassischem Projektmanagement zu einem Wasserfall ab. Im Vergleich dazu kann die frühe Phase der Ideenfindung sehr gut als ein agiler Prozess beschreiben werden: In der Entwurfsphase trifft sich der werdende Hausbesitzer mit den Architekten, um gemeinsam an der Idee zu arbeiten. Nach dem ersten Entwurf besprechen die Beteiligten den Stand der Skizzen. Danach geht es in die nächste Skizzenrunde. Runde für Runde werden die Zeichnungen deutlicher, bis das Design fertig ist. Dies entspricht formal einem agilen Vorgehen: Es entsteht ein Kreislauf aus kleinen Entwurfsphasen und regelmäßigem Feedback. Ist das Ergebnis gut, geht es in die nächste Phase, ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend, wird es im nächsten Zyklus verbessert.
Abb. 3: Agiler Kreislauf
Grundsätzlich gilt: Solange sicher zu versagen, bis man Erfolg hat.
Damit dieser Kreislauf auch erfolgreich angewendet werden kann, ist ein großes Umdenken vonnöten, wie diese kleinen Zwischenschritte in verständlichen Aufgabenpaketen beschrieben werden. Anders als im klassischen Projektmanagement sollen hierbei kleine funktionierende Teilstücke entstehen, die in sich schon einen Wert darstellen – damit wird eine frühe Wertschöpfung gewährleistet. Diese kleinen Teilstücke sollten also auch in ersten frühen Projektphasen bereits einen Querschnitt des Ganzen abbilden. Das Beispiel mit Entwurfsskizzen im Hausbau passt hierbei ganz gut. In den ersten Treffen geht es um das große ganze Bild, um ein frühes Konzept. Erste dicke Bleistiftstriche geben noch keine Aussage über Details, aber die grobe Form wird angedeutet. Erst im Lauf des Prozesses schält sich die endgültige Form heraus. Eine enge Abstimmung zwischen Kunde und Projektleiter ist hierbei sehr wichtig.
Im agilen Projektmanagement kommt der Aufgabenbeschreibung im Unterschied zum klassischen Vorgehen somit eine ganz andere Bedeutung zu. Wir versuchen, das Ziel so genau wie nötig, aber auch so offen wie möglich zu beschreiben. Damit soll sichergestellt werden, dass die Kreativität der Bearbeiterteams nicht schon in der Aufgabenbeschreibung eingeschränkt wird.
Die Bestandteile: Epics und User Stories
Eines der verbreitetsten agilen Werkzeuge, um Ziele und Aufgaben zu beschreiben sind "Epics" und "User Stories". Eine Epic beschreibt das große Bild unseres Vorhabens. In unserem Hausprojekt entspricht also der Wunsch nach einem "Eigenheim mit Garten" unserer Epic.
Die einzelnen Arbeitspakete werden im agilen Umfeld gern als "User Stories" verfasst. Hierbei handelt es sich um eine von mehreren möglichen Methoden. In "User Stories" werden Arbeitspakete für das Bearbeiterteam in Form von kleinen Nutzergeschichten formuliert. Ganz nach dem Motto: "Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte", werden gerne fiktive Personen erfunden, die als potenzielle Nutzer verbildlicht werden. Dies soll dazu führen, dass unsere Bearbeiterteams nicht für anonyme Nutzer arbeiten, sondern dass sie ein Bild im Kopf haben, für wen das Produkt entwickelt wird. Dies soll die Identifikation mit dem Produkt steigern. Diese kleinen Nutzergeschichten folgen einem bewährtem Schema: "Als Nutzer will ich etwas tun können, um einen bestimmten Mehrwert zu haben".
Am Beispiel unseres Hausbauprojektes gilt also: Anstatt zu definieren, dass an dieser und jener Stelle ein Fenster mit genau beschriebenen Spezifikationen zu planen sei, beschreiben wir bspw. eine Situation, dass eine Bewohnerin gerne über den Tag hinweg in jedem Wohnraum die Sonne sehen will. Damit ist das Ziel beschrieben, nun kann sich das Bearbeiterteam hinsetzen und Vorschläge entwickeln, auf die der Architekt oder die Kundin vielleicht gar nicht gekommen wären.
Diese User Stories beschreiben also nicht die Arbeit hinter den Arbeitspaketen, sondern das Ziel, das mit den Arbeitspaketen erreicht werden soll. So soll sichergestellt werden, dass Bearbeiterteams nicht bereits durch eine detaillierte Aufgabenbeschreibung eingeengt werden. Schließlich, so ist die Grundidee, wählen wir den agilen Ansatz deswegen, weil wir ein großes Ziel haben aber die Details noch nicht kennen, und somit auf die Kreativität und Erfahrung der Bearbeiterteams zählen.
Agiles Projektmanagement gibt Ihnen also konkrete Handlungsanleitungen, um Ihre grob definierten Ziele zu verfolgen, während Sie gleichzeitig ein größtmögliches Maß an Flexibilität bewahren. Hierzu gibt es eine Reihe von Bestandteilen, Prozessschritten, Werkzeugen und Ritualen, die Ihnen einen klaren, einfachen, praktikablen Rahmen bieten, und auf die wir im weiteren Verlauf noch eingehen werden.
Es gibt eine Reihe von agilen Projektmanagementmethoden, von denen ich auf die 2 bekanntesten eingehen möchte. Es sei nur erwähnt, dass es sich durchaus lohnt, die ein oder andere Methode zu kennen, da viele dieser Methoden höchst inter...