Prof. Dr. Dieter Thomaschewski, Prof. Dr. Rainer Völker
"Agilität" ist trotz seiner kurzen Geschichte aus der Unternehmenspraxis nicht mehr wegzudenken. Nicht umsonst hat es das Thema in die Top-Liste der Managementliteratur, Beratung und Managementseminare geschafft. Die reine Wortbedeutung des Begriffs der Agilität beinhaltet zunächst Eigenschaften wie "Beweglichkeit" oder "Flexibilität". Im betriebswirtschaftlichen Kontext findet sich das Konzept der Agilität zum ersten Mal Mitte der 1980er Jahre bei Moss-Kanter (1985) und Peters (1986) wieder. Diese beschrieben schon damals Agilität als die Eigenschaft von Unternehmen, adaptiv mit Veränderungen im Marktumfeld umzugehen.
Erste Beachtung fand der Begriff jedoch erst Ende der 1990er Jahre, vorwiegend durch den Einzug in den IT-Bereich. Dies mündete in der Erstellung des agilen Manifests im Jahr 2001, bestehend aus 4 Axiomen und 12 Prinzipien. Das Manifest läutete eine rasante Entwicklung agiler Methoden ein, insbesondere Scrum und das agile Projektmanagement. Mittlerweile werden entsprechende Methoden und agile Projektorganisationsformen auch in anderen Bereichen, außerhalb der IT, erfolgreich eingesetzt. Darüber hinaus werden Grundprinzipien der Agilität im Rahmen von Organisation und Führung zur Neugestaltung der Unternehmensführung herangezogen. Die Ziele bleiben allerdings ähnliche wie in der Softwareentwicklung: Man möchte
- eine höhere Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen (Reagieren),
- eine verbesserte Fähigkeit zur Selbstveränderung (Lernen) und
- eine Stärkung der Innovationskraft (Innovieren)
erreichen. Dabei werden nicht nur agile Prozesse und Führungswerkzeuge etabliert, sondern vielmehr das generelle Organisations- und Führungsprinzip angepasst. Diese "Adaptionswelle" deutet darauf hin, dass das "Agilitätsmanagement" – egal in welcher Ausprägung – Erfolge zeigt bzw. zumindest in hohem Maße verspricht.
Bezüglich Markt- und Technologieveränderungen agil zu sein, gestaltete sich auf den meisten Märkten immer schon als Herausforderung. Manchmal braucht es eben die richtige Zeit, die ein bestimmtes Verhalten ganz besonders bedeutend macht und/oder einen systematischen Ansatz. Für Veränderungen in Richtung Agilität gibt es wesentliche Treiber:
- Sehr häufige, disruptive Veränderungen in Technologien und Märkten.
- Sehr schnelle Veränderungen mit neuen Anforderungen an alle Stakeholder (Kunden, Investoren, Staat mit neuen Gesetzen) und Wettbewerber.
- Eine durchdringende Digitalisierung, die Organisationen benötigt, die mit multidimensionalen Kommunikationsmustern und komplexen Kollaborationen mithalten können.
- Die Abkehr von wenig dynamischen Silo- bzw. Senioritätskarrieren, aufgrund veränderter Ansprüche bzgl. Lernen, Arbeit und Verantwortung ("Krieg um Talente")
Die – wenn man so will – Notwendigkeit, agile Konzepte in Unternehmen einzuführen, lässt sich ähnlich auch über das VUKA-Modell begründen; VUKA steht dabei als Abkürzung für zentrale Aspekte der skizzierten Veränderungen: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität. In jedem Fall scheint es aufgrund neuerer exogener Entwicklungen genug Anlass zu geben, systematischer reaktiv oder besser noch proaktiv an Veränderungen heranzugehen (s. Abb. 1).
Abb. 1: Reaktive und proaktive Agilität in Folge äußerer Dynamik