Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Ein Unternehmen muss einen Vorsteuererstattungsanspruch solange nicht in seiner Bilanz aktivieren, wie die Finanzverwaltung den Anspruch bestreitet. Das FG Baden-Württemberg erklärte, dass das Vorsichtsprinzip einer früheren Einbuchung entgegensteht.
Sachverhalt
Eine börsennotierte AG unterhielt ein abweichendes Wirtschaftsjahr (1.10. bis 30.9.) und machte beim Finanzamt zunächst erfolglos die Vorsteuer aus Aufwendungen geltend, die mit der Ausgabe von gesellschaftsrechtlichen Anteilen zusammenhingen. Den dagegen eingelegten Einspruch ließ das Finanzamt ruhen, da zu dieser Rechtsfrage Verfahren beim BFH (Az. V R 84/01) und beim EuGH (Az. C-465/03) anhängig waren. Der EuGH entschied die Rechtsfrage zwar mit Urteil vom 26.5.2005 im Sinne der AG, das Finanzamt ließ das Einspruchsverfahren aber weiter ruhen, da es den Ausgang des BFH-Verfahrens abwarten wollte, das jedoch später zu keiner Klärung in der Sache führte.
Nachdem das BMF die Rechtsprechung des EuGH mit Schreiben vom 4.10.2006 (BStBl. I 2006, S. 614) für allgemein anwendbar erklärt hatte, half das Finanzamt dem Einspruch schließlich ab und gewährte den Vorsteuerabzug.
Fraglich war nun, ob die AG den Erstattungsanspruch erst zum Bilanzstichtag 30.9.2007 oder - wie das Finanzamt meinte - schon zum 30.9.2006 einbuchen musste.
Entscheidung
Das FG entschied, dass die Forderung erst zum 30.9.2007 zu aktivieren war. Nach dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip, das auch steuerrechtlich gilt, dürfen Forderungen, die im vollen Umfang bestritten werden, erst dann aktiviert und als realisierter Ertrag erfasst werden, wenn sie rechtskräftig festgestellt oder vom Schuldner anerkannt worden sind. Nach der BFH-Rechtsprechung dürfen auch Steuererstattungsansprüche nur dann in der Bilanz ausgewiesen werden, wenn sie einen durchsetzbaren gegenwärtigen Vermögenswert verkörpern. Einer solchen hinreichend sicheren und wirtschaftlich durchsetzbaren Position steht es entgegen, wenn das Finanzamt die Ansprüche bestreitet bzw. eine anderweitige Rechtsauffassung vertritt. Eine bestrittene Forderung darf erst dann aktiviert werden, wenn sie rechtskräftig zuerkannt wurde oder der Schuldner seine ablehnende Haltung aufgibt.
Im Urteilsfall hatte die Finanzverwaltung einen Vorsteuererstattungsanspruch noch bis zum Bilanzstichtag 30.9.2006 bestritten, sodass er nach dem Vorsichtsprinzip nicht ausgewiesen werden durfte.
Hinweis
Der BFH muss nun im anhängigen Revisionsverfahren (Az. I R 59/13) klären, wann der Vorsteuererstattungsanspruch zu aktivieren ist.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2013, 6 K 2874/12